„Immer dranbleiben“: Lewandowskis erstaunliche Wandlung

Von Von Klaus Bergmann, dpa

dpa München. Nach menschlichem Ermessen wird Gerd Müllers Torrekord auch nach der 57. Bundesligasaison Bestand haben. Denn Robert Lewandowski müsste am letzten Spieltag Historisches leisten. Aber gelang dem Bayern-Stürmer nicht schon mal etwas völlig Verrücktes gegen den VfL?

„Immer dranbleiben“: Lewandowskis erstaunliche Wandlung

Hatte diese Saison sehr oft Grund zum Torjubel: Bayern-Torjäger Robert Lewandowski. Foto: Sven Hoppe/dpa-Pool/dpa

Wenn's um Tore und Torrekorde geht, scheint für Robert Lewandowski wenig unmöglich. Der 31 Jahre alte Angreifer des FC Bayern München schießt und köpft sich in der Fußball-Bundesliga von einer Bestmarke zur nächsten.

Aber nach menschlichem Ermessen wird auch Lewandowski die einzigartige, fast ein halbes Jahrhundert alte 40-Tore-Marke von „Bomber“ Gerd Müller am letzten Geister-Spieltag der Saison 2019/20 nicht knacken.

Bei 33 Toren nach 33 Spieltagen steht der Ausnahmestürmer, auf den die Bezeichnung Tormaschine wirklich zutrifft. Sieben Treffer fehlen zum Müller-Rekord - eine „Mission impossible“. Wirklich? Immerhin heißt der Bayern-Gegner am Samstag (15.30 Uhr), wenn die Münchner die Meisterschale überreicht bekommen, VfL Wolfsburg. Da war doch was? Am 22. September 2015 glückten Lewandowski in München gegen die Wolfsburger als Einwechselspieler mal fünf Tore - und das binnen acht Minuten und 59 Sekunden. Also warum nicht sieben in 90 Minuten?

Tore sind Lewandowskis ewiger Antrieb. Der Pole ist da unersättlich. „Du musst fokussiert bleiben, auch wenn du schon ein oder zwei Tore in einem Spiel erzielt hast“, sagte er erst in dieser Saison, als er in der Champions League beim 6:0 in Belgrad gegen Roter Stern viermal zuschlug. Für seinen zweiten Königsklassen-Viererpack benötigte er keine 15 Minuten. „Man muss immer dranbleiben“, heißt sein Motto.

Zum fünften Mal wird Lewandowski am Samstag Torschützenkönig der Bundesliga. Seine Ära begann 2013/14 noch im Trikot von Borussia Dortmund. 2015/16, 2017/18, 2018/19 war er im Bayern-Dress der beste Torschütze. Nationalstürmer Timo Werner von RB Leipzig konnte den Polen trotz seiner bislang 26 Treffern nicht vom Thron stürzen.

Nichts Neues also? Ja und nein. Der Modellathlet hat sich als Ü30-Profi noch einmal gewandelt. Tore sind weiter sein Markenzeichen. 48 sind es in bislang 41 Saisonpflichtspielen. Aber die Momente, in denen Lewandowski genervt abwinkt, wenn ihn ein Teamkollege im Strafraum übersieht, sind selten geworden. Früher zankte sich der Pole auf dem Platz sogar mit Arjen Robben um die Ausführung eines Elfmeters.

Lewandowski definiert sich weiter über Tore, aber er wird jetzt auch als Teamplayer auffällig. „Robert weiß genau, dass erstmal das Team im Fokus steht, dass es erstmal wichtig ist, dass die Mannschaft Erfolg hat. Erfolge hat man nie alleine“, sagte Trainer Hansi Flick erst nach dem jüngsten 3:1 gegen den SC Freiburg. Zwei Tore erzielte Lewandowski selbst, das 1:0 legte er Joshua Kimmich auf. „Robert braucht auch Mitspieler, die Tore vorbereiten“, sagte Flick: „Aber klar ist: Seine Qualität, vorne zu vollstrecken oder aufzulegen, ist top.“ Die persönlichen Rekorde gönnt Flick dem Torjäger darum auch.

Lewandowski dürfte noch viele Tore für die Bayern schießen, denn seinen Vertrag verlängerte er vor einigen Monaten bis zum 30. Juni 2023. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge nannte die Entwicklung des Vollprofis „sehr erstaunlich“. Lewandowski liebäugelte jahrelang mit einem Wechsel, am liebsten zu Real Madrid. „Es gab durchaus mal Gelüste von ihm, etwas anderes zu machen. Aber er hat den FC Bayern kennen-, schätzen- und fast liebengelernt“, sagte Rummenigge. „Er ist ein ganz wichtiger Faktor. Er schießt nicht nur wahnsinnig viele Tore. Er ist eine Persönlichkeit und er ist auch einer, der den Finger mal in die Wunde legt. Das sind mir die liebsten Spieler.“

Sieben Tore fehlen zum Gerd-Müller-Rekord. Unmöglich? Nicht mal der „Bomber“ hat sieben Kisten in einem Spiel geschafft. In 57 Jahren Bundesliga war erst ein Spieler sechsmal erfolgreich, Dieter Müller am 17. August 1977 beim 7:2 des 1. FC Köln gegen Werder Bremen.

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