Vorfreude im Risikogebiet: Bayern-Block als Löws Taskforce

Von Von Klaus Bergmann und Jens Mende, dpa

dpa Kiew. Der Bundestrainer baut radikal um. Gegen das von Corona-Ausfällen geschwächte Team der Ukraine will Löw die Qualität der Münchner Siegertypen nutzen. Der Kapitän fordert, mal wieder zu gewinnen.

Vorfreude im Risikogebiet: Bayern-Block als Löws Taskforce

Bundestrainer Joachim Löw fliegt mit dem DFB-Team in die Ukraine. Foto: Federico Gambarini/dpa

Das mulmige Gefühl war bei Joachim Löw schlagartig verschwunden. Nach der Ankunft im ukrainischen Corona-Risikogebiet verspürte der Bundestrainer vielmehr Vorfreude auf den ersten Auftritt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 2020 vor einem größeren Publikum.

„Für uns alle ist schön, dass wieder ein paar Zuschauer da sind und eine gewisse Stimmung herrschen wird. Das haben wir lange vermisst“, sagte Löw im Nationalstadion von Kiew. Im Gegensatz zu den in Deutschland gängigen Corona-Regeln sollen am Samstagabend (20.45 Uhr/ARD) trotz hoher Infektionszahlen tausende Fans bei der Nations-League-Partie die Ränge der 70 000 Zuschauer fassenden EM-Arena von 2012 besetzen.

Abschotten. Gewinnen. Heimfliegen. So lautet der optimale Plan des DFB-Trosses für den Kurztrip bis Sonntag. Auch sportlich birgt das Punktspiel ein Risiko, denn Löw muss die Nationalelf nach den Frusterlebnissen der jüngsten Länderspiele schnellstmöglich zurück in die Erfolgsspur bringen. Die Kritik an seinem Kurs Richtung EM 2021 lässt er dabei abperlen. „Die Dinge, die ich mache, mache ich aus absoluter Überzeugung“, sagte der Weltmeistercoach von 2014 energisch. Die kritischen Bemerkungen von Ex-Nationalspielern wie Lothar Matthäus an seiner Vorgehensweise seien ihm „völlig egal“.

Zur Behebung der jüngsten Ergebniskrise kann Löw in Kiew eine bewährte Sieger-Taskforce aufs Spielfeld schicken: Der Bayern-Block um Kapitän Manuel Neuer, Antreiber Joshua Kimmich und Torjäger Serge Gnabry soll es bei der kollektiven Rückkehr ins DFB-Team richten. „Die Bayern-Spieler bringen die Qualität mit, die man braucht in solchen Spielen. Davon werden wir profitieren“, sagte Löw.

Die Münchner Titelsammler sollen die Garanten dafür sein, dass nach den drei jeweils nach Führungen verspielten Siegen gegen Spanien (1:1) und die Schweiz (1:1) sowie beim missglückten Test einer B-Formation gegen die Türkei (3:3) der erste Erfolg im Jahr 2020 und der zugleich der erste überhaupt in der 2018 eingeführten Nations League gelingt. Deutschland ist nach zwei von sechs Spieltagen mit zwei Punkten hinter Spanien (4) und der Ukraine (3) nur Dritter.

Löw wird radikal umbauen und total auf etablierte Kräfte setzen: Das Gerüst bildet dabei die fünfköpfige Bayern-Fraktion mit Neuer, Kimmich, Gnabry, Niklas Süle und Leon Goretzka. Auch Routinier Toni Kroos meldete sich nach einer Muskelblessur fit. Die Anfang der Woche noch von Infekten geschwächten Angreifer Timo Werner und Gnabry seien ebenfalls einsatzfähig, berichtete Löw erleichtert vor dem Abschlusstraining. „Die Personaldecke ist entspannt“, sagte er.

Auf den Außenbahnen kehren die Leipziger Lukas Klostermann und Marcel Halstenberg zurück. Matthias Ginter und Antonio Rüdiger dürften mit Abwehrchef Süle die Dreierkette vor Torwart Neuer bilden. „Es wird für uns wichtig sein, dass wir auch mal wieder ein Spiel gewinnen“, sagte Teamsenior Neuer (34). Dominanz und Effizienz soll das Team auf dem Spielfeld ausstrahlen. Löw ernannte dabei den 25-jährigen Kimmich als Vorbild für alle: „Er strahlt die Gewinnermentalität aus.“

Die Gier, die gerade die Bayern-Profis wie ein Gen in sich haben, vermisste der Bundestrainer zuletzt. Gegen eine durch etliche Corona-Ausfälle geschwächte Auswahl der Ukraine soll die Trendwende eingeleitet werden. „Alle, das kann ich versichern, sind heiß und hochmotiviert, das Spiel zu gewinnen“, sagte Löw. Man werde sich dabei aber nicht vom 1:7 der Ukrainer im Testspiel gegen Weltmeister Frankreich „blenden lassen“, wie Löw versicherte: „Die ukrainische Mannschaft hat sehr gute Qualitäten.“

Für die deutschen Spieler und Betreuer soll es während der knapp 48 Stunden in Kiew nur zwei Aufenthaltsorte geben - Hotel und Stadion. „Wir halten uns strikt an die Auflagen und überwachen strengstens, dass sich die Spieler daran halten“, sagte Löw. Man bewege sich „in unserer Blase“. Allerdings sah Löw nach den ersten Stunden vor Ort keine Veranlassung zur Panikmache. „Es ist nicht nur die Ukraine, in Deutschland steigen die Zahlen auch ständig“, sagte er angesichts der Zunahme der Risikogebiete: „Wir wollen jetzt dem Sport nachgehen.“

Neuer hofft, dass die nach fast einem Jahr erstmals wieder nahezu komplette Nationalmannschaft in den kommenden Partien wieder an die erfolgreiche EM-Qualifikation mit dem abschließenden 6:1 aus dem November 2019 gegen Nordirland anknüpfen kann. „Wir wollen möglichst versuchen, eine positive Serie zu starten“, sagte der Kapitän. Das könnte gegen das Not-Team von Ukraine-Coach Andrej Schewtschenko gelingen. Allerdings sind die Blau-Gelben daheim eine Macht: In den vergangenen zehn ungeschlagenen Partien gab es neun Siege und ein Remis.

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