In der Tennis-Blase: Die wohl ungewöhnlichsten US Open

Von Von Wolfgang Müller und Lars Reinefeld, dpa

dpa New York. Rafael Nadal und Roger Federer fehlen. Bei den Damen verzichten sogar sechs Spielerinnen aus den Top Ten. Trotz der Corona-Pandemie soll wieder ein Grand-Slam-Tennis-Turnier stattfinden. Am Montag beginnen in New York die US Open - unter ungewöhnlichen Vorzeichen.

In der Tennis-Blase: Die wohl ungewöhnlichsten US Open

Die Zuschauer werden bei den US Open 2020 fehlen. Foto: Li Muzi/XinHua/dpa

Das größte Tennisstadion der Welt ohne Fans, die Profis in einer sogenannten Blase - und Roger Federer und Rafael Nadal gar nicht dabei. Am Montag beginnen die wohl ungewöhnlichsten US Open der Tennis-Geschichte.

Unter welchen Bedingungen finden die US Open statt?

Dass sie überhaupt stattfinden, hätte noch vor einigen Wochen kaum jemand für möglich gehalten. Schließlich sind die Infektionszahlen in den USA weiter hoch, zudem war New York ein zwischenzeitlicher Hotspot der Pandemie. Und dann auch noch auf der Tennis-Anlage in Flushing Meadows, die vorübergehend eine Krankenstation war. Doch der US-Verband USTA wollte das Turnier unbedingt durchführen - natürlich auch aus finanziellen Gründen. Zuschauer sind nicht zugelassen.

Matches ohne Fans im größten Tennisstadion der Welt, dem Arthur-Ashe-Stadium, werden ein ungewohnter Anblick sein. Doch unter strengen Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen soll das Event am Montag beginnen - als zweiter Grand Slam 2020 nach den Australian Open, der Wimbledon-Absage und der Verlegung der French Open auf September.

Wie ist das Leben für die Profis während des 14-tägigen Events?

Eine knappe Stunde informierten die Verantwortlichen zuletzt in einer Pressekonferenz über die umfangreichen Maßnahmen in der sogenannten Blase. Das größte Risiko sehe er darin, dass die Spieler sich nicht an die Abstandsregeln halten, warnte Arzt Bernard Camins, der Fachmann der USTA. Die Spielerinnen und Spieler sowie ihre Begleiter werden in Hotels in Flughafennähe und auf der Anlage isoliert und sollen engeren Kontakt nur mit anderen Menschen in dieser Blase haben. Auch die Spieler, die sich für ein privates Haus als Unterkunft entschieden haben, dürfen keine Gäste, die nicht zur Blase gehören, empfangen. Putzkräfte dürfen das Haus nur betreten, wenn kein Spieler oder Betreuer anwesend ist.

Welche konkreten Vorgaben gibt es sonst noch?

Die Profis erhalten ihre Akkreditierung, mit der sie auf die Anlage kommen, erst nach einem negativen Corona-Testergebnis. 48 Stunden nach dem ersten Test ist ein zweiter notwendig, dann wird alle vier Tage getestet. Wer positiv ist, muss in Quarantäne und wird aus dem Turnier genommen. Die bei vielen so beliebten Ausflüge nach Manhattan sind tabu. „Du kannst nicht nach Manhattan gehen, aber wir bringen Manhattan zu dir“, sagte Turnierchefin Stacey Allaster.

Für Unterhaltung sei dennoch gesorgt. Es gebe Fitnessräume, eine Spielhalle, einen Golf-Simulator und einiges mehr, sagte sie zuletzt. „Die Veranstalter haben einen super Job gemacht. Ich hatte es deutlich schlimmer erwartet“, sagte Davis-Cup-Profi Jan-Lennard Struff. Vor allem der Gartenbereich sei schön.

Wer fehlt von den Top-Stars der Branche?

Rafael Nadal und Roger Federer sind die prominentesten Namen, die fehlen. Der Schweizer Federer hat seine Saison nach einer Knieoperation bereits beendet, Nadal erklärte jüngst seinen Verzicht. Zudem fehlt aus den Top Ten der Weltrangliste der Franzose Gael Monfils. Ganz anders das Bild bei den Damen: Dort treten sechs der besten zehn Spielerinnen nicht an: die Weltranglisten-Erste Ashleigh Barty (Australien), die Nummer zwei Simona Halep (Rumänien), Titelverteidigerin Bianca Andreescu (Kanada), Jelina Switolina (Ukraine), Kiki Bertens (Niederlande) und Belinda Bencic (Schweiz).

Wer ist von den Deutschen dabei?

Die beiden Spitzenkräfte Angelique Kerber und Alexander Zverev treten an, die deutsche Nummer zwei Julia Görges und Andrea Petkovic hingegen sind nicht in die USA geflogen. Zverev trat zuletzt beim von Cincinnati nach New York verlegten Masters-Turnier an, verlor aber sofort gegen den früheren Wimbledonsieger Andy Murray.

„Ich denke, wenn die US Open beginnen, sollte jeder sein bestes Tennis spielen, und ich hoffe, dass das für mich auch der Fall sein wird“, sagte der 23 Jahre alte Hamburger. Kerber hat während der langen Corona-Zwangspause keine Showkämpfe bestritten und sagte daher: „Ich habe deshalb auch keine allzu großen Erwartungen, sondern freue mich auf die Herausforderung, endlich wieder Matches spielen zu können.“ Insgesamt sind fünf deutsche Damen und fünf Herren dabei.

Wer zählt zu den Favoriten?

Bei den Herren ist nicht erst seit den Absagen von Nadal und Federer der Weltranglisten-Erste Novak Djokovic der absolute Top-Favorit. Der Serbe strebt seinen 18. Grand-Slam-Triumph an. Bei den Damen sind die Prognosen weitaus schwieriger. Ausnahme-Athletin Serena Williams will es noch einmal wissen, verlor seit ihrem Comeback bei den Vorbereitungsturnieren zuletzt aber früh. An Nummer eins gesetzt ist die Tschechin Karolina Pliskova. Gut in Form zeigte sich Naomi Osaka, die 2018 in New York gewinnen konnte und beim von Cincinnati nach New York verlegten Vorbereitungsturnier das Finale erreichte.

Ist mit weiteren Protesten zu rechnen?

Mit ihrem angekündigten Verzicht auf das Halbfinale beim Masters-Event sorgte Osaka für Schlagzeilen. Aus Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA wollte die Japanerin nicht spielen. Die Folge: Alle Halbfinals wurden um einen Tag verschoben. Das Thema wird sicherlich auch während der US Open eine Rolle spielen. Mit welcher Vehemenz, hängt auch von weiteren Entwicklungen in den USA ab.

Wo sind die US Open zu sehen?

Wie in den vergangenen Jahren sind die US Open bei Eurosport zu sehen. Die Partien beginnen zunächst um 11.00 Uhr Ortszeit (17.00 Uhr MESZ), die sogenannte Night Session startet um 19.00 Uhr (01.00 Uhr MESZ). Der Sender überträgt nach eigenen Angaben „über 300 Stunden Live-Tennis auf den TV-Sendern Eurosport 1 und Eurosport 2 sowie im Eurosport Player“.

Täglich gegen 17.30 Uhr startet Eurosport 1 nach der Tour de France im Free-TV in den Turniertag. Als Experten sind wieder Boris Becker und Barbara Rittner im Einsatz. Allerdings ist die Eurosport-Crew nicht vor Ort in New York, sondern sendet von München aus.

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