Die Milliarden-Frage: Was kostet die Olympia-Verschiebung

dpa Berlin. Die Olympischen Spiele in Tokio werden auf das Jahr 2021 verschoben. Das entschied das Internationale Olympische Komitee nach einem Gespräch des japanischen Premierministers Shinzo Abe mit IOC-Chef Thomas Bach.

Die Milliarden-Frage: Was kostet die Olympia-Verschiebung

Die Olympischen Spiele in Tokio werden um Jahr verschoben. Foto: Stanislav Kogiku/SOPA Images via ZUMA Wire/dpa

Die Entscheidung hat gravierende finanzielle Folgen. Auch für die mehr als 11.000 Athletinnen und Athleten, die sich auf die Spiele vom 24. Juli bis zum 9. August vorbereitet hatten. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Was hätten die Olympische Spiele 2020 im Normalfall gekostet? 

Offiziell hat das Organisationskomitee Kosten in Höhe von rund 11,5 Milliarden Euro ausgewiesen. Das National Audit Board Japans hatte diese Summe aber unlängst mehr als doppelt so hoch eingeschätzt. Das gehört in der Welt der Sport-Großereignisse inzwischen zum guten Ton: Zwischen zuvor errechneten und dann tatsächlichen Ausgaben liegen oft Milliarden. Während sich die reinen Organisationskosten noch einigermaßen gut beziffern lassen, lässt sich vor allem bei den Investitionen der Regierung zum Beispiel in die Infrastruktur und den Tourismus selten eine klare Grenze ziehen, was ausschließlich den Olympischen Spielen dient, und was ohnehin hätte bezahlt werden müssen.

Mit welchen Einnahmen rechneten die Organisatoren und das IOC? 

Das IOC hat im Verlauf der letzten Olympiade rund 5,3 Milliarden Euro verdient, im aktuellen Zyklus dürfte mit einer Steigerung zu rechnen sein. Den größten Anteil zahlten die Medienpartner, davon wiederum den größten Teil der US-Sender NBC. Dazu kommen die Premiumsponsoren, die sich ihre Werbung während der Spiele meist mehrere Hundert Millionen Euro kosten lassen. Der Ausrichter ging in diesem Jahr zudem von weiteren Milliarden-Einnahmen aus, zum einen direkt durch die Olympia-Touristen und zum anderen indirekt durch sich auszahlende Investitionen.

Welche Einbußen muss Japan nun fürchten? 

Das IOC hat sich gegen eine Absage der Spiele versichert, für wie viel Geld und inwieweit die Versicherung bei der Verschiebung greift, ist noch offen. Für die Sommerspiele 2016 in Rio, in deren Vorfeld über das Zikavirus debattiert worden war, kostete die „Insurance premium for Games cancellation“ rund 13,3 Millionen Euro. Die finanziellen Folgen für die japanischen Organisatoren erscheinen dramatischer: Einheimische Experten rechneten alleine im Falle der Verschiebung mit Kosten von umgerechnet 5,4 Milliarden bis 5,7 Milliarden Euro.

Welche weiteren Probleme ergeben sich?

Mehrere hunderttausend Olympia-Touristen dürfen die Ausrichter des Weltereignisses erwarten. Entsprechend sind die Vorbereitungen. Hunderte Hotels werden gebaut, die Infrastruktur modernisiert, dazu die Investitionen in die Sportstätten. Im besten Fall greift nach den Spielen ein Konzept für die weitere, kostendeckende Nutzung - in der olympischen Sprache gerne „Legacy“ genannt. Als Beispiel das Olympische Dorf: Die temporären Unterkünfte für über 10.000 Sportlerinnen und Sportler sollten unmittelbar nach den Spielen in diesem Sommer entweder zerlegt oder weiter vermietet werden, größtenteils sind die Verträge dafür bereits unterschrieben.

Mit welchen Einbußen müssen die Sportlerinnen und Sportler rechnen?

Nur allein von ihrem Sport können die wenigsten Athletinnen und Athleten leben, vor allem in Deutschland. Fallen eingeplante Einnahmen durch die Verschiebung des Jahreshöhepunkts einfach weg, kann das die Existenz bedrohen, sagte Johannes Herber, Geschäftsführer der „Athleten Deutschland“, zuletzt dem „Tagesspiegel“. Zwar erhalten die meisten Sportler eine Grundsicherung durch die Anstellung bei der Bundespolizei oder der Bundeswehr, doch gerade die Akteure mit Freiberuflerstatus könnten in eine finanzielle Schieflage geraten. „Ich denke da zum Beispiel an unsere Beachvolleyballer. Sie finanzieren ihre Trainingslager und Trainer selbst, haben hohe Ausgaben für ihre Reisen und medizinische Betreuung“, sagte Herber. Eine ein Jahr längere Vorbereitung (oder gar Qualifikationsphase) bedeutet weitere Kosten. Ob der Bund im Zeichen der Corona-Krise einspringt, ist noch offen. Das Bundesinnenministerium fördert den Spitzensport in diesem Jahr mit 279 Millionen Euro.

Und die nationalen Sportverbände?

Der Deutsche Olympischen Sportbund hat laut DOSB-Präsident Alfons Hörmann bereits rund eine Million Euro investiert, „wenn man alle Sach- und Personalkosten addiert“. Nun dürfte sich die Ausschüttung der IOC-Millionen an die bis zu 206 Nationalen Olympischen Komitees verschieben. Im Rio-Jahr 2016 bekam der DOSB rund zwei Millionen Euro vom IOC. An die 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren für die Spiele in Brasilien von der Sporthilfe und dem DOSB rund 1,5 Millionen Euro Prämien ausgeschüttet worden.