„Unwahr“: Spekulation um Olympia-Absage sorgt für Unruhe

Von Von Takehiko Kambayashi, Jörg Vogelsänger und Andreas Schirmer, dpa

dpa Tokio. Die Zweifel an einer Austragung der Olympischen Spiele im Sommer in Tokio wachsen. Ein Bericht der Zeitung „The Times“, dass Japans Regierung sich einig über eine Absage sei, ist zwar in Tokio und vom IOC dementiert worden. Dennoch: Die Unruhe unter Athleten wächst.

„Unwahr“: Spekulation um Olympia-Absage sorgt für Unruhe

Die Austragung der Olympischen Spiele ist weiter umstritten. Foto: Eugene Hoshiko/AP/dpa

Neue Spekulationen über eine Absage der Olympischen Spiele in Tokio sorgen für Unruhe im Weltsport und Verunsicherung bei den Athleten - den Dementis der japanischen Regierung und des Internationalen Olympischen Komitees zum Trotz.

„Widersprüchliche Medienberichte führen zu großer Verunsicherung in der Athletenschaft“, sagte Maximilian Klein, zuständig für Internationales bei Athleten Deutschland, am Freitag der dpa.

„Deshalb erwarten wir zum jetzigen Zeitpunkt, dass das IOC zumindest mit verschiedenen Szenarien plant und sie transparent kommuniziert“, forderte Klein. „Die Athleten riskieren gerade ihre Gesundheit bei den Qualifikationswettkämpfen. Sie sollten daher proaktiver mitgenommen und besser in die derzeitigen Planungen eingebunden werden.“ Die Athletenvereinigung hatte schon bei der Entscheidung über die Verschiebung der Tokio-Spiele wegen der Corona-Pandemie mehr Teilhabe und Einbeziehung der Sportler gefordert.

Die Londoner „The Times“ hatte unter Berufung auf ein nicht genanntes Mitglied der japanischen Regierungskoalition berichtet, es bestehe Einigkeit darüber, dass die Spiele zum Scheitern verurteilt seien und abgesagt werden müssten. „Wir weisen den Bericht vollständig zurück“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Manabu Sakai.

Natürlich müsse die Situation im Ausland berücksichtigt werden, und irgendwann müsse entschieden werden, ob die Veranstaltung stattfinde. „Aber bis dahin wird die japanische Regierung das tun, was getan werden muss“, bekräftigte er. Eine Formulierung, die Interpretationsspielraum lässt. Nämlich, wie „The Times“ schrieb: Das Ziel der japanischen Führung könnte sein, eine gesichtswahrende Form zur Absage zu finden und sich die Option offen zu halten, später Olympia-Gastgeber zu sein. Frühester Zeitpunkt wäre im Jahr 2032. Für 2024 und 2028 sind die Spiele nach Paris sowie Los Angeles vergeben.

Umgehend und scharf reagierte das IOC auf „zirkulierende Berichte“ zu einem angeblich von der Regierung Japans „privat“ beschlossenem Olympia-Aus. „Dies ist vollständig unwahr“, hieß es in einer Mitteilung. Zusammen mit den japanischen Partnern und Freunden, sei das IOC voll darauf konzentriert, „erfolgreiche olympische und paralympische Spiele in diesem Jahr in Tokio auszutragen“. Bereits am Donnerstag hatte IOC-Präsident Thomas Bach in einem Interview gesagt, keinen Anlass für eine Absage der Spiele zu sehen - und dass es „keinen Plan B“ für die Austragung der Spiele gebe.

Auch das Internationale Paralympische Komitee ist überzeugt, dass die Sommerspiele am 23. Juli eröffnet und danach die Paralypmics (24. August bis 5. September) stattfinden werden. „Es besteht kein Zweifel, dass die Spiele in Tokio 2020 ganz anders sein werden als alle vorherigen Spiele und dass die Veranstaltung im Moment noch in weiter Ferne liegt“, hieß es in einer Stellungnahme. „Wir glauben aber, dass mit den robusten Maßnahmen und Plänen die Spiele sicher stattfinden werden.“

Wegen deutlich gestiegener Coronavirus-Fälle hatte Japans Ministerpräsident Yoshihide Suga in der Vorwoche den Notstand über den Großraum Tokio hinaus auf sieben weitere Präfekturen ausgeweitet. Es gilt ein weitreichendes Einreiseverbot bis 7. Februar. In jüngsten Umfragen hatte sich eine deutliche Mehrheit der Japaner für eine Absage oder erneute Verlegung der Olympischen Spiele ausgesprochen.

Eine Olympia-Absage würde nach Ansicht von Eberhard Gienger unübersehbare Folgen für den deutschen Sport haben. „Eine Absage der Olympischen Sommerspiele in Tokio hätte katastrophale Auswirkungen für die deutschen Athleten, die Sportfachverbände und Vereine zur Folge“, sagte der sportpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Der Gesamtschaden könne kaum beziffert werden - unter anderem, weil wichtige Werbepartner für lange Zeit verloren gehen würden oder viele Nachwuchssportler sich langfristig vom Leistungssport abwenden könnten. „Die Sportstrukturen würden geschwächt und die Sportentwicklung in Deutschland nachhaltig gebremst“, sagte der 69 Jahre alte einstige Reck-Weltmeister.

Die Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Dagmar Freitag, sieht nicht nur die nationale Finanzlage, sondern auch die im Weltsport durch einen Olympia-Ausfall gefährdet. „Es könnte möglicherweise beim IOC und damit für die Nationalen Olympischen Komitees problematischer werden, die in besonderer Weise von den Einnahmen der Spiele abhängen“, sagte die SPD-Politikerin. Wenn die Zahlungen an die NOKs reduziert würden, wäre auch der Deutsche Olympische Sportbund betroffen. Der DOSB bekommt vom IOC für eine Olympiade, den Zeitraum von vier Jahren, rund 30 Millionen Euro.

Deshalb drängt der deutsche Tischtennis-Weltpräsident Thomas Weikert darauf, alles für die Austragung der Tokio-Spiele zu tun. „Koste es, was es wolle? Nein, aber bis zum letzten Moment warten und erst absagen, wenn es ein aufgrund tatsächlicher Umstände nicht mehr geht“, sagte er. „Ich möchte gern in Tokio sein, aber das ist aktuell offen. Da muss man realistisch sein.“

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