Kampf um die Berliner „Schnauze“ - Union empfängt die Hertha

Von Von Jens Marx und Thomas Wolfer, dpa

dpa Berlin. Union ist der Gastgeber, Hertha reist an. 30 Kilometer Anfahrt, keine Zuschauer, aber jede Menge Brisanz beim Berliner Stadtderby in der Fußball-Bundesliga.

Kampf um die Berliner „Schnauze“ - Union empfängt die Hertha

Hält sich vor dem Spiel gegen Hertha mit Sprüchen zurück: Urs Fischer, Trainer vom 1. FC Union Berlin. Foto: Uwe Anspach/dpa

Pal Dardai wollte nach dem Training erstmal zur Familie und noch ein bisschen Kraft tanken für das Prestige-Derby um die Berliner Stadtmeisterschaft.

„Ich bin sehr zufrieden und ein glücklicher Mensch. Bisher läuft alles optimal fürs Wochenende“, sagte der Coach von Hertha BSC zwei Tage vor dem Duell mit dem 1. FC Union im berüchtigten, aber diesmal auch so gut wie menschenleeren Stadion An der Alten Försterei.

Dardai war beim 3:1-Hinspielsieg noch nicht im Amt, sein Gegenüber Urs Fischer schon. Der freut sich erstmal, den Hertha-Trainer überhaupt zu treffen und kennenzulernen. Am Ostersonntag (18.00 Uhr/Sky) geht es für beide Trainer und beide Mannschaften um mehr als nüchterne drei Punkte: Hertha spielt gegen den Abstieg, Union kämpft in seiner zweiten Saison in der Fußball-Bundesliga um einen Europapokalplatz. Union und Hertha - das sind aber auch die zwei Fußball-Welten in der Hauptstadt. Die Eisernen gelten als Kultclub, Hertha kämpft seit Jahren mit Image, Anspruch und Realität.

Dass die Unioner nun auch noch dort stehen, wo sich die Herthaner eigentlich wähnen, macht das Derby noch ein bisschen pikanter und brisanter. „Wir wissen, dass es für uns kompliziert wird, am Ende vor Union zu stehen“, sagte Sportdirektor Arne Friedrich - 14 Punkte haben die Köpenicker mehr vor dem 27. Spieltag. Die Auftritte im März stimmen die Blau-Weißen aber mutig und optimistisch. Vor allem das 3:0 vor der Länderspielpause gegen Bayer 04 Leverkusen tat gut - der Vorsprung auf den Relegationsplatz ist mit einem Punkt allerdings kein Polster.

Mit dem Spiel gegen Union kommt nun ein „dickes Brett“, wie es Friedrich formuliert. Zwölf Heimspiele nacheinander sind die Gastgeber ungeschlagen, die 2:5-Niederlage vor der Pause bei Eintracht Frankfurt war den Unionern zudem eine Lehre. Auf einen offenen Schlagabtausch dürften sie sich nicht einlassen, sagte Fischer.

Der Schweizer wollte sich wie gewohnt, aber erst recht nicht vor diesem Spiel auf eine Kampfansage einlassen. „Du machst lieber Sprüche nach einem Derby, als dass du sie dir anhören musst“, sagte er. Dass er mit seinen Profis das Hinspiel mit 1:3 verloren hatte, wurmt sie noch immer. Das sei noch in ihren Köpfen, sagte er: „Ich glaube, das ist auch gut so, dass wir noch ein bisschen was gutzumachen haben.“

Im Hinspiel hatte sich Max Kruse eine Muskelverletzung zugezogen und war wochenlang ausgefallen. Für das erneute Duell ist der 33-Jährige fit und mitentscheidend. „Er hat Ideen, er hat Kreativität“, betonte Fischer. Auf der Gegenseite kehrt in Ex-Weltmeister Sami Khedira der Hoffnungsträger der Hertha nach längerer Verletzungspause zumindest in den Kader zurück.

Dass das Duell wegen der Corona-Pandemie im sonst stimmungsvollen Stadion der Eisernen ohne Zuschauer stattfinden muss, mindert das Prestigeduell kaum, auch wenn insbesondere in einem Derby die Fans fehlen würden, meinte Fischer. Welchen Stellenwert das Spiel aber habe, sei auch jenen Profis bewusst, die nicht aus der Gegend oder Deutschland stammen würden. „Das ist ein spezielles Spiel, da sind Emotionen dabei, da ist Rivalität dabei“, betonte Fischer.

Erst recht angesichts der Konstellation mit den Unionern auf Platz sieben und Hertha auf Rang 14. „Das ist Wahnsinn. Das hätte vor der Saison niemand gedacht“, sagte Unions ehemaliger Kapitän und Vereinsikone Torsten Mattuschka jüngst in einem Interview der „Bild“ und der „B.Z.“. Wenn Hertha das Derby gewinnen würde, „können sie davon viel wettmachen, was bisher schief lief. Deswegen wäre es umso schöner, wenn wir gewinnen. Dann könnten wir eine große Schnauze haben“, sagte Mattuschka.

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