Kein „Rumpelfußball“ zum Neustart - Mentale Stärke gefragt

Von Von Morten Ritter, dpa

dpa Düsseldorf. Der Kopf wird entscheiden, nicht die Beine. Zum Bundesliga-Neustart ist die körperliche Verfassung für die Qualität des Fußballs weniger ausschlaggebend. Wer sich am besten auf die veränderten Bedingungen eingestellt hat, könnte am Ende Vorteile haben.

Kein „Rumpelfußball“ zum Neustart - Mentale Stärke gefragt

Training mit Abstand: Die Bayern-Profis Robert Lewandowski (l) und Alphonso Davies. Foto: Matthias Balk/dpa

Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft 2000 sang- und klanglos frühzeitig aus dem Turnier schied, sprach Franz Beckenbauer von „Rumpelfußball“.

20 Jahre später erwarten die Experten nach der langen Fußballpause allerdings keinen großen Qualitätsverlust bei einem möglichen Wiederbeginn der Bundesligasaison im Mai. Doch nach einer fast zehnwöchigen Unterbrechung werden die Profis nach ungewohnter Vorbereitung und mit veränderten Bedingungen eine Anlaufzeit für Höchstleistungen benötigen. „Wenn ich von null auf hundert fahre, geht das immer schief“, sagte Sportwissenschaftler Ingo Froböse.

Nach Heim-Training und der Arbeit in Kleingruppen müsse das Mannschaftstraining rechtzeitig beginnen. Studien hätten ergeben, dass es bei einer acht- bis zehnwöchigen Trainingspause bis zu 20 Wochen dauern könne, ehe das Niveau wieder erreicht werden könne. Nach Meinung der meisten Bundesligatrainer benötige man zwei bis drei Wochen nach der Pause. Borussia Dortmunds Chefcoach Lucien Favre betonte, dass man rechtzeitig im Training Elf gegen Elf spielen und das zeitlich auf zweimal 45 Minuten steigern müsse. „Das brauchen wir unbedingt, sonst wird es schwer in den Pflichtspielen eine gute Leistung zu zeigen“, sagte der Schweizer dem „Kicker“.

Nicht zu unterschätzen sei der Faktor Psyche, meinte der frühere DFB-Physiotherapeut Bernd Restle. „Die Psyche macht etwa 50 Prozent der körperlichen Verfassung aus“, sagte der 65-Jährige der Funke Mediengruppe. Darum sei das gemeinsame Training jetzt so wichtig.

Sein Kollege Oliver Schmidtlein, der auch für den FC Bayern München tätig war, glaubt schon, dass die Kondition gelitten hat. „Ich kann mir gut vorstellen, dass der Fußball etwas weniger intensiv sein wird, weil man mit den Kräften haushalten will. Aufgrund der konditionellen Zustände der Profis könnte es sein, dass wir eine hochintensive erste Halbzeit erleben und eine ganz gegenteilige zweite“, sagte der 54-Jährige dem Nachrichtenportal Watson.

Der Unterschied zur Sommerpause besteht allerdings darin, dass die Spieler permanent an ihrer körperlichen Fitness gearbeitet haben. Fortuna Düsseldorfs Abwehrchef Kaan Ayhan vermisst daher vor allem die Wettkampfpraxis. „Es fehlen die Testspiele, es geht sofort um alles. Das könnte die größte Schwierigkeit werden, gerade weil es viele englische Wochen mit enger Spielfolge geben wird. Da wird die Mentalität entscheidender sein als die Physis“, sagte der türkische Nationalspieler der „Rheinischen Post“.

Das glaubt auch Fortunas Clubchef Thomas Röttgermann: „Am Ende werden wir nicht den besten deutschen Fußballclub küren, sondern den, der am besten mit der Corona-Krise umgehen konnte.“

Zudem wird der Heimvorteil durch Geisterspiele keine Vorteile mehr bringen. „Das ist ein großer Verlust für uns. Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, die Fans können mit ihrem Support Ergebnisse beeinflussen“, sagte Borussia Mönchengladbachs Trainer Marco Rose nach dem ersten Geisterspiel gegen den 1. FC Köln.

Von Wettkampfstimmung konnte da keine Rede sein. „Man hatte das Gefühl, es ist ein Trainingsspiel“, sagte Gladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer. Darum wird es in den restlichen Heimspielen im Borussia-Park auch keine leeren Ränge mehr geben. Bislang haben die Fans ihr Konterfei auf mehr als 8000 Pappkameraden drucken lassen. Die Montagen auf der Tribüne sollen dann zumindest für eine bunte Kulisse sorgen.