„Ein Riesenspiel“: Bayerns Plan setzt auf „Alarmglocken“

Von Von Klaus Bergmann und Christian Kunz, dap

dpa Paris. 2:0, 3:1, 4:3, 5:4: Schon der Blick auf die Ergebnisse für ein Weiterkommen offenbart den Schwierigkeitsgrad der Bayern-Aufgabe in Paris. Kann das ohne Lewandowski glücken?

„Ein Riesenspiel“: Bayerns Plan setzt auf „Alarmglocken“

Fordert Führungsqualitäten von allen Bayern-Spielern: Joshua Kimmich. Foto: Sven Hoppe/dpa

Die Bilder vom joggenden Robert Lewandowski im Münchner Schneetreiben schreckten Paris Saint-Germain gewaltig auf.

Doch die Befürchtungen der PSG-Fans erfüllen sich ebenso wie die Sehnsüchte der Bayern-Anhänger nach einem Blitz-Comeback des Torjägers nicht, wie Hansi Flick auf die recht besorgte Nachfrage eines französischen Reporters verriet. Er könne die Abwesenheit des schon beim 2:3 im Hinspiel schmerzlich vermissten Weltfußballers auch für den 13. April (21.00 Uhr/Sky) „zu hundert Prozent bestätigen“, sagte der Bayern-Coach.

An eine magische Champions-League-Nacht im Prinzenpark glauben sie beim wankenden Titelverteidiger mitten im störenden Dauerzwist zwischen Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic trotzdem. „Für solche Spiele ist man bei Bayern München! Wir müssen genau so eine Effizienz vorm Tor haben, wie Paris sie bei uns in München hatte. Dann bin ich guter Dinge“, sagte Flick hoffnungsfroh.

Und Thomas Müller, mit 48 Treffern der Mann mit der besten Münchner Königsklassen-Quote hinter Lewandowski (73 Tore), präsentierte sich im feinen Ausgehanzug mit Krawatte voller Kampfeslust und Zuversicht. „Ich bin aktuell noch sehr überzeugt“, sagte er zum kleinen Wunder an der Seine: „Klar, nicht idiotisch überzeugt und überheblich, dass das alles ganz locker-flockig von der Hand geht und wir das nur abarbeiten müssen. Nein, das wird ein ganz, ganz enges Ding“, sagte Müller voller Entschlossenheit: „Ein Riesenspiel steht an!“

Auch wenn die lange Ausfallliste von Lewandowski über Serge Gnabry bis zu Niklas Süle sowie Fitness-Fragezeichen hinter Leon Goretzka (Zerrung) und Lucas Hernández (Rippenprellung) die Aufholjagd arg kompliziert gestaltet, würden seine Spieler „alles reinhauen“, um das Halbfinale gegen Manchester City oder Borussia Dortmund doch noch zu erreichen, versprach Flick.

Müller versicherte, dass der Knatsch um Trainer und Sportvorstand im 100. K.o.-Spiel der Bayern in Europas Königsklasse weder ablenken noch belasten werde. „Davon lassen wir uns die Vorfreude auf dieses Highlight nicht nehmen“, sagte der 31 Jahre alte Vize-Kapitän.

2:0, 3:1, 4:3, 5:4: Schon der Blick auf mögliche Ergebnisse für ein Weiterkommen offenbart jedoch, welches Kunststück die Bayern im Parc des Princes vollbringen müssen. Es wird ein Ritt auf der Rasierklinge, mit der richtigen „Risikoabwägung“ (Müller) in Offensive und Defensive.

„Wir werden nicht fünf Stürmer aufbieten und von Anfang an mit der Brechstange agieren“, kündigte Müller an: „Die Schlüsselmomente wollen wir auf unserer Seite haben. Aber man kann sie nicht planen.“

Das unnötige Hinspiel-2:3 lastet bleischwer auf den Münchnern. Mindestens zwei Tore müssen her. Mehr Entschlossenheit im Strafraum fordert Flick. Zwei Tore reichen aber nur, wenn Manuel Neuer nach seinem Hinspiel-Patzer beim ersten Treffer von PSG-Supermann Mbappé wieder überirdisch hält wie beim 1:0 im Finale 2020. Diesmal müssen die Pariser Offensivkünstler um Mbappé und Neymar gestoppt werden.

„Jeder Spieler muss in diesem Spiel zu einem Leader werden“, forderte Juniorchef Joshua Kimmich. Immerhin weckten Hernández und Goretzka am Montag beim Abschlusstraining Hoffnungen, dass sie auflaufen können. Auch die angeschlagenen Kingsley Coman, Jérôme Boateng und Jamal Musiala waren noch vor dem Flug nach Paris auf dem Platz aktiv. „So einfach ist es nicht“, sagte Flick dennoch zum Aufstellungspuzzle.

Entscheidend könnte sein, ob es den Bayern gelingt, das Kopfkino bei den Pariser Stars einzuschalten. Sie sollen sich an 2019 erinnern, als sie im Achtelfinale gegen Manchester United nach einem 2:0 in England zu Hause 1:3 verloren und rausflogen. „Wenn wir in Führung sein sollten, 1:0, 2:1, 3:2, ist es ganz menschlich, dass beim Gegner die Alarmglocken losgehen. Etwas zu verlieren, ist für den Menschen immer ganz schlimm. Das wollen wir erzwingen“, schilderte Müller.

Klar ist: Ein Viertelfinal-K.o. würde in München die Zukunftsfragen und die interne Zerreißprobe um Flick und Salihamidzic noch mehr in den Fokus rücken und bei Müller und Co. extremen Frust auslösen. „Für uns wäre ein Erfolg enorm wichtig. Wir arbeiten auf das Ziel der Titelverteidigung seit September hin“, bemerkte Müller.

Gerade auswärts sind die Bayern freilich eine Macht und inzwischen seit 17 Partien (13 Siege, vier Unentschieden) unbesiegt. Die letzte Niederlage gab es aber ausgerechnet im Prinzenpark: Das 0:3 gegen PSG am 27. September 2017 kostete Trainer Carlo Ancelotti den Job.

Voraussichtliche Aufstellungen:

Paris Saint-Germain: Navas - Florenzi, Danilo Pereira, Kimpembe, Diallo - Verratti, Gueye, Paredes - di Maria, Mbappé, Neymar

FC Bayern München: Neuer - Pavard, Boateng, Hernández, Davies - Kimmich, Alaba - Sané, Müller, Coman - Choupo-Moting

Schiedsrichter: Orsato (Italien)

© dpa-infocom, dpa:210412-99-169667/3

„Ein Riesenspiel“: Bayerns Plan setzt auf „Alarmglocken“

Die Spieler von Bayern München begeben sich zum Abschlusstraining. Foto: Matthias Balk/dpa