Kleine Bühne für einen Großen: Gomez' VfB-Abschied

Von Von Christoph Lother und Kristina Puck, dpa

dpa Stuttgart. Für Mario Gomez ist das Geisterspiel gegen Darmstadt das letzte seiner Karriere - zumindest für Stuttgart. Es ist der Abgang eines Vollstreckers, aber auch eines Unvollendeten. Trotz fehlender Zuschauer geht er erhobenen Hauptes.

Kleine Bühne für einen Großen: Gomez' VfB-Abschied

Wird den VfB Stuttgart zum Saisonende verlassen: Mario Gomez in Aktion. Foto: Tom Weller/dpa-Pool/dpa

Für Mario Gomez schließt sich der Kreis. Gut 16 Jahre nach seinem ersten wird der Stürmer am Sonntag seinen letzten Profi-Einsatz für den VfB Stuttgart bestreiten. Gegen Darmstadt. Ohne Zuschauer. Ohne großes Brimborium.

Aber höchstwahrscheinlich mit dem Aufstieg in die Fußball-Bundesliga als Abschiedsgeschenk. Der ist den Schwaben angesichts von drei Punkten und elf Toren Vorsprung auf den Relegationsplatz schon vor dem letzten Spieltag einer insgesamt ruckeligen Saison quasi sicher. Und auch ein Verdienst von Gomez. Der bislang noch nicht verraten hat, ob seine lange Karriere ihr Ende findet oder doch nochmal bei einem anderen Club fortgesetzt wird.

Fest steht: Das Tor, durch das der 34-Jährige seinen Heimatclub verlassen wird, ist kleiner als er es verdient hätte. „Es ist schade, dass unser Spieler mit einer solchen Karriere nicht vor Zuschauern gehen kann“, sagt Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat über den Mittelstürmer. Auch Ex-VfB-Trainer Felix Magath, der ihn zu „den Besten, die in der Bundesliga auf seiner Position gespielt haben“ zählt, bedauert Gomez' leisen Abgang, sagt aber: „Mit einem Aufstieg in die Bundesliga seine Karriere zu beenden, ist ja nicht so schlecht.“

Magath war es, der dem damals 18 Jahre jungen Gomez 2004 zum Profi-Debüt verhalf. Erst in der Champions League gegen Chelsea, dann in der Bundesliga gegen den HSV. „Damals war es schon das herausragendste Merkmal, dass Mario ein Tor machen wollte“, sagt er: „Er hat schon einiges mitgebracht für einen Topstürmer.“ Und der wurde Gomez. Mit dem VfB wurde er 2007 Meister und Deutschlands Fußballer des Jahres. Mit dem FC Bayern gewann er je zweimal die Meisterschale und den DFB-Pokal, 2013 sogar die Champions League. Er schoss 170 Tore in 328 Bundesliga-Spielen, wurde dazu Meister und Torschützenkönig mit Besiktas Istanbul in der Türkei - und knipste den AC Florenz ins Finale des italienischen Pokals.

Gomez war einer der erfolgreichsten deutschen Stürmer des noch jungen Jahrtausends und dennoch nie unumstritten. Neben seinen vielen Toren und Titeln bleibt auch sein kurioser Fehlschuss gegen Gastgeber Österreich bei der EM 2008 in Erinnerung. Oder vier Jahre später die heftige Kritik des damaligen TV-Experten Mehmet Scholl, dass Gomez sich vorne „wund gelegen“ habe. Gomez machte für die Nationalelf 31 Tore in 78 Spielen, bestritt zwei Welt- und drei Europameisterschaften, fehlte aber beim WM-Triumph 2014 wegen einer Verletzung. Auch deshalb galt sein Abschied 2018 als der eines Unvollendeten.

Den vom VfB vollzieht er nun erhobenen Hauptes. Obwohl Gomez seit seiner Rückkehr aus Wolfsburg vor zweieinhalb Jahren nur noch selten zur Topform auflief, obwohl er selbst in der 2. Liga zuletzt nicht mehr erste Wahl war und obwohl ihm vom Video-Referee in dieser Saison reihenweise Treffer aberkannt wurden, ließ er sich nie hängen. Er murrte nicht, sondern motivierte - sich und das ganze Team. In dem er vor 16 Jahren ein junger Wilder war. Und nun der Alterspräsident. Und für das er am Sonntag zum letzten Mal das Trikot überstreift.

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