Klinsmann legt los: Zeitenwende bei Hertha BSC

dpa Berlin. Der Fußball-Erneuerer und -Experte Klinsmann ist zurück in der Bundesliga. Der Job als Retter bei Hertha BSC ist neu für den ehemaligen Bundestrainer. Fest steht bereits: Die alte Dame Hertha wird mit Klinsmanns Engagement runderneuert. Auch der DFB hilft mit.

Klinsmann legt los: Zeitenwende bei Hertha BSC

Das neue Trainerteam von Hertha BSC: Co-Trainer Alexander Nouri (l-r), Co-Trainer Markus Feldhoff, Trainer Jürgen Klinsmann und Athletiktrainer Henrik Kuchno. Foto: Andreas Gora/dpa

Eine lange Ansprache auf dem Trainingsplatz gab es nicht, Buddha-Figuren waren im Berliner Regen nicht zu sehen: Jürgen Klinsmann bat die verunsicherten Profis von Hertha BSC sofort zur Maloche.

„Selbst wenn alles über Nacht passiert, bin ich vorbereitet. Mein Stab war auf Abruf“, erklärte der neue Cheftrainer des kriselnden Berliner Fußball-Bundesligisten bei seiner Vorstellung in der Hauptstadt. „Das Allerwichtigste ist, so schnell wie möglich nach oben zu klettern“, definierte der ehemalige Weltmeister und Bundestrainer das übergeordnete Ziel.

Klinsmann sieht sich trotz seines Blitzengagements sofort bereit für seine neue Aufgabe. 200 Fans waren nach der Nachricht über seine Verpflichtung ins Amateurstadion geeilt. Hertha ist in der Bundesliga-Tabelle mit nur elf Punkten auf Platz 15 und damit nah an die gefürchtete Abstiegszone herangerückt. Der neue Hoffnungsträger outete sich zunächst noch einmal als Fan seines glücklosen Vorgängers Ante Covic: „Mein Sohn Jonathan hat unter ihm in der U23 viele Spiele gemacht.“ Jetzt habe es im ersten Anlauf als Bundesliga-Coach nicht geklappt, aber Klinsmann sieht durchaus eine Zukunft für den 44-Jährigen im Oberhaus.

Drei Tage nach der blamablen 0:4-Niederlage beim FC Augsburg beendete Hertha-Manager Michael Preetz das gescheiterte Experiment mit Covic. „Es ist keine einfache Aufgabe. Aber wenn ich so was übernehme, mache ich das nicht halb, sondern hundertprozentig“, betonte Nachfolger Klinsmann, der schon am Mittwochnachmittag die erste Trainingseinheit leitete, die Übungsgestaltung aber seinen Co-Trainern überließ: „Es wird kein leichter Weg, aber das wäre ja auch langweilig.“

Für den 55 Jahre alten Klinsmann ist Berlin seine zweite Trainerstation in der Bundesliga. Als Cheftrainer des FC Bayern München 2008/09 war er schon vor Ablauf der Saison gescheitert. Dennoch sagte der gebürtige Schwabe jetzt: „Ich bin sehr dankbar für das eine Jahr beim FC Bayern, weil ich unglaublich viel gelernt habe.“ Mit den damals für viel Diskussionen sorgenden Buddha-Statuen auf dem Bayern-Vereinsgelände habe er „nie etwas zu tun gehabt“, betonte Klinsmann und fügte scherzhaft an: „Ich habe in meinem Koffer, der nicht so groß ist, keine Mitbringsel dabei, die ich installieren möchte.“

Nach vielen „Anrufen hin und her und einem Anruf zu Hause, ob es in Ordnung wäre“, sagte Klinsmann Hertha als Nottrainer zu. Frau Debbie gab ihr Okay. In seiner Rolle als Aufsichtsratsmitglied und Vertrauter des neuen Hertha-Investors Lars Windhorst, der mit 224 Millionen Euro 49,9 Prozent der Anteile der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA übernommen hatte, stand Klinsmann in den vergangenen Wochen schon im intensiven Austausch mit Michael Preetz. „Es brauchte noch einen kleinen Anschubser“, dass Klinsmann nun in der Trainer-Rolle Hertha helfen will, berichtete der Manager.

Mit Klinsmann ziehen sofort eine neue Struktur und neues Trainer-Personal bei Hertha ein. Der frühere Hertha-Nationalspieler Arne Friedrich wird Team-Manager, Andreas Köpke, in selber Funktion bei der deutschen Nationalmannschaft im Amt, wird bis zum Jahresende als Torhütertrainer aushelfen. Neue Co-Trainer werden der frühere Bremer Bundesliga-Coach Alexander Nouri und Ex-Profi Markus Feldhoff. „Es ist ein Team an Leuten, das vorbereitet ist, eine gute Energie hat und vor allem hohes Fachwissen“, sagte Klinsmann.

Bei seinen zahlreichen Besuchen bei Hertha in den vergangenen Monaten - sein Sohn Jonathan stand als Torwart zwei Jahre bei Hertha unter Vertrag - habe er bei den Leuten immer wieder gespürt: „Berlin wartet auf etwas Großes, hat das Potenzial.“ Aber irgendwie komme es nicht so richtig voran. „Lars Windhorst hat da einen riesigen Schubser gegeben“, bemerkte Klinsmann. Manager Preetz muss sich auf eine Zeitenwende und auch auf neuen Druck für seine Arbeit einstellen - auch wenn er sagte: „Nein, es ist keine Machtübernahme. Es ist ein Miteinander.“

Bundestrainer Joachim Löw hat mit Überraschung auf die neue Rolle seines früheren Chefs reagiert. „Das ist eine Nachricht, die auch ich nicht unbedingt erwartet hatte“, sagte Löw: „Mich freut, dass ein solcher Hochkaräter zurück in die Bundesliga kehrt und sein Wissen damit auch wieder im deutschen Fußball einbringt.“

Für den damit verbundenen vorübergehenden Abgang von Köpke zeigte Löw Verständnis. „Dass ihn Andy gerade in der Startphase unterstützt, ist für uns alle selbstverständlich.“ Der Deutsche Fußball-Bund stellt Köpke bis Ende des Jahres für seinen Job bei den Berlinern frei. „Ich habe das Selbstvertrauen zu sagen, das traue ich mir zu. Ich habe große Lust drauf“, sagte Klinsmann zu seiner neuen Aufgabe.

Klinsmann legt los: Zeitenwende bei Hertha BSC

Jürgen Klinsmann (l) wird von Hertha-Manager Michael Preetz bei einer Pressekonferenz als Trainer präsentiert. Foto: Britta Pedersen/dpa