Krisenmanager Christian Seifert vor Herkulesaufgabe

Von Von Eric Dobias, dpa

dpa Frankfurt/Main. Christian Seifert steht seit fast 15 Jahren als Geschäftsführer an der Spitze der Deutschen Fußball Liga. Unter seiner Führung hat die Bundesliga einen beispiellosen Boom erlebt. Nun soll der 50-Jährige die Branche vor dem Kollaps bewahren.

Krisenmanager Christian Seifert vor Herkulesaufgabe

Soll die Bundesliga vor dem Kollaps bewahren: Christian Seifert, Geschäftsführer der DFL. Foto: Arne Dedert/dpa Pool/dpa

Selbst für einen gewieften Manager wie Christian Seifert ist es in diesen Tagen nicht leicht, kühlen Kopf zu bewahren.

„Die Informationen, die auf einen im Minutentakt einprasseln, bekommen so eine Frequenz, und die Auswirkungen, die man zu entscheiden hat, solch eine Wucht - da muss man auch mal kurz innehalten“, schilderte der Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga seine Gemütslage in der durch die Coronavirus-Pandemie ausgelösten Existenzkrise. „Es fühlt sich an wie in einem Science-Fiction-Film.“

Von Seifert wird nicht weniger erwartet, als den Profi-Fußball so gut wie möglich durch diese Krise zu führen und das Überleben der Branche zu sichern. Denn die steht vor dem Kollaps, sollte ein geregelter Spielbetrieb in absehbarer Zeit nicht möglich sein. Mindestens bis zum 2. April ruht der Ball in den beiden Bundesligen, die nie zuvor derart in ihren Grundfesten erschüttert wurden.

Seifert weiß um die dramatische Situation, die er nach dem Krisentreffen der 36 Profivereine am 16. März in Frankfurt in eindrücklichen und klaren Worten schilderte. Für seinen öffentlichen Auftritt erhielt er viel Lob in den sozialen Netzwerken - auch von vielen Fans, die in ihm sonst eher die ungeliebte Symbolfigur für die zunehmende Kommerzialisierung des Fußballs sehen.

Als Seifert am 1. Juli 2005 den Posten des Geschäftsführers bei der DFL übernahm, erlösten die Vereine aus dem damaligen TV-Vertrag pro Saison insgesamt 300 Millionen Euro. Seifert hat die Vermarktung des Premiumprodukts auf eine völlig neue Stufe gehoben. Mittlerweile fließen in jeder Spielzeit knapp 1,5 Milliarden Euro in die Kassen der 36 Erst- und Zweitligisten.

Obwohl sich die Branche laut Seifert nach etlichen Boom-Jahren mit immer neuen Rekordeinnahmen und -umsätzen in einer sehr guten finanziellen Ausgangsposition befindet, könnten viele Clubs im Falle eines Komplett-Abbruchs der Saison in Insolvenzgefahr geraten. „Wir wissen um unsere Verantwortung und machen das so gut wie möglich. Das ist unser Job“, betonte Seifert bei seinem fast schon staatsmännischen Auftritt in einem Frankfurter Flughafen-Hotel.

Mit seiner schonungslosen Offenheit schwor der DFL-Boss die Vereinsvertreter auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung auf eine gemeinsame Linie ein. „Es mag vor dem Treffen unterschiedliche Sichtweisen gegeben haben“, sagte Seifert. „Ich gehe davon aus, dass es jetzt nur noch eine gibt.“

Bei dem Austausch in einem kollegialen Klima sei es allen Beteiligten wichtig gewesen zu betonen, „dass wir in nächster Zeit nicht nur eine finanzielle Solidarität an den Tag legen müssen, sondern auch eine moralische und emotionale Solidarität“, berichtete der DFL-Boss. Den Clubs schrieb er ins Stammbuch: „Es geht nicht darum, wer in der Öffentlichkeit am besten dasteht, sondern es geht für die Bundesliga und die 2. Liga um das Überleben.“

Damit die wirtschaftliche Lage nicht komplett aus den Fugen gerät, sucht Seifert mit seinem Mitarbeiterstab täglich nach den besten Lösungsmöglichkeiten. Auf dem Weg dorthin werde er aufgrund der Dynamik der Corona-Krise sicher auch die eine oder andere nach bestem Wissen und Gewissen getroffene Entscheidung revidieren müssen, räumte der DFL-Geschäftsführer ein.

Dass dies in der Öffentlichkeit nicht nur Beifall findet, erlebte er am vergangenen Freitag, als die DFL zunächst am geplanten Geister-Spieltag festhielt und diesen wenige Stunden später aufgrund einer veränderten Sachlage doch noch absagte. „Ich verstehe, dass es für Außenstehende so ausgesehen hat, als wären wir alle von Sinnen. Der Kritik stelle ich mich aber gerne, weil dies bedeutet, Verantwortung zu übernehmen“, sagte Seifert und prophezeite: „Es wird nicht die letzte Entscheidung sein, die wir in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten zu revidieren haben. Das Gefühl der Unsicherheit wird uns jetzt erst einmal begleiten.“