Liebe zum Felsen, Hoffnung auf Gold: Kletter-Ass Alex Megos

Von Von Manuel Schwarz, dpa

dpa Erlangen. Alex Megos ist einer der besten Felskletterer der Welt. Bei Olympia kann der Franke eine Medaille gewinnen, obwohl die Umstände ganz anders sind als gedacht. Er ist motiviert.

Liebe zum Felsen, Hoffnung auf Gold: Kletter-Ass Alex Megos

Überhängende Vorsprünge sind seine Spezialität: Kletter-Ass Alexander Megos. Foto: Expa/Johann Groder/APA/dpa

Seinen ganz persönlichen Olymp hat Alexander Megos schon im Sommer 2020 erklommen - kurioserweise dank Corona.

Als Tausende Sportler den wegen der Pandemie verschobenen Sommerspielen nachtrauerten, packte der Mittelfranke die Kletterausrüstung und fuhr mit seiner Freundin nach Frankreich. Dort hatte er schon lange an der schwersten Felskletterroute der Welt getüftelt, die noch niemand je bezwungen hatte. Und dann schaffte der ebenso kräftige wie drahtige Athlet die Route, in einem Urschrei brüllte er den Ärger über die Olympia-Absage sowie Freude und Erleichterung über seine historische Leistung an das Felsmassiv von Céüse in den französischen Alpen.

An diesen Tag im August 2020 denkt Megos auch knapp ein Jahr später noch gern zurück, die Eindrücke und Emotionen wird er sein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen. „Das war so eine Genugtuung, so ein Meilenstein“, erzählt Megos der Deutschen Presse-Agentur. „Das war viel mehr wert als alle Wettkämpfe, die ich je gewonnen habe.“

In Tokio ist Megos Medaillenkandidat

Das wichtigste Sportevent in Megos' Karriere steht aber erst an. Der 27-Jährige will bei Sommerspielen von Tokio ein weiteres Mal die Kletterwelt verblüffen. Der Blondschopf aus Erlangen ist als einer von zwei deutschen Startern (neben Jan Hojer) Medaillenkandidat.

Die Topfavoriten auf Gold sind der Japaner Tomoa Narasaki und Adam Ondra aus Tschechien. Weil die Medaillen aber in einer komplizierten Ergebnisarithmetik aus drei Einzelwettkämpfen vergeben werden, ist eine Prognose schwierig, kleine Fehler können sofort große Wirkungen haben. „Das kann man schwer einschätzen“, findet auch Megos.

Megos weiß um den Olympia-Hype - ganz happy ist er damit aber nicht, schon gar nicht mitten in der Pandemie. Keine Zuschauer, ganz strenge Hygienevorschriften, so wenig Kontakt mit anderen Sportlern wie möglich: So hatte sich Megos Olympia nicht vorgestellt, als er im Herbst 2018 entschied, um die Sommerspiel-Qualifikation zu kämpfen.

Eher Freigeist als Wettkämpfer

Megos ist trotz seiner Bekanntheit und seiner Sponsoren ein Kletterer der alten Schule, eher Freigeist denn knallharter Wettkämpfer, mehr Outdoor-Fanatiker als Kletterhallen-Malocher. Gelbe T-Shirts, Hawaiihemden, quietschbunte Socken, so sieht man ihn zumeist.

Dass er für Olympia offizielle DOSB-Klamotten aussuchen musste und dann in Japan - wegen Corona - ganz streng kontrolliert wird, das mindert die Vorfreude auf Tokio extrem. Vorfreude? „Mit Freude wird das nicht viel zu tun haben“, prognostiziert er. „Es sieht nicht danach aus, als würde das ein spaßiges Event.“ Bundestrainer Urs Stöcker spricht gar von einem „Gefängnis“, wenn es um die Unterkünfte seines kleinen Teams und generell das Flair der Sommerspiele geht.

„Ich mach jetzt mal da mit und gebe mein Bestes. Dann gucken wir mal, was passiert“, sagt Alex Megos. Dass der Franke über sich hinaus wachsen kann, das zeigte er der Kletterwelt schon mehrfach. 2013 sorgte er für Furore, als er im Alter von 19 Jahren als erster Bergsportler eine Felsroute der Schwierigkeit 9a onsight schaffte. Das bedeutet, dass man die Route beim ersten Versuch erklettert, ohne davor einem anderen Athleten an dieser Wand zugesehen zu haben.

Coup auf der schwersten Felskletterroute der Welt

Und dann kamen der 5. August 2020 und der Coup von Céüse: Megos schaffte den rund 35 Meter langen, überhängenden Felsabschnitt in einem Zug, teilweise kann man sich auf der Route namens „Bibliographie“ nur mit einem oder zwei Fingern festhalten. Als bislang einziger Besteiger der Wand bewertete Megos die Route mit 9c. Auf der ganzen Welt gibt es nur einen anderen Felsen, der ebenfalls als 9c gilt, nämlich die Route „Silence“ in Norwegen, die Adam Ondra 2017 schaffte.

Alexander Megos sagt zu seinem Erfolg, für den er über Jahre verteilt insgesamt rund 60 Tage schuftete: „Das kommt einer Goldmedaille bei Olympia nahe.“ Ironischerweise könnte Céüse sogar ein wichtiges Puzzlestück sein auf dem Weg zu einer Medaille in Tokio. Vor dem Ausbruch der Pandemie war Megos in einem Motivationsloch, er hatte keine Lust mehr, sich in Hallen und Krafträumen für die Sommerspiele zu quälen und dafür auf Fels-Trips zu verzichten. Als die Spiele abgesagt wurden und der erste Lockdown aufgehoben war, nutzte er die frei gewordenen Monate, um in sein Lieblingsterrain zu flüchten.

„Jetzt war ich ein Jahr lang fast nur am Felsen, das hat gut getan“, sagt er. Die Motivation ist wieder da, bei den Wettkämpfen in diesem Jahr schnitt er gut ab. Wer weiß, vielleicht schafft er es am 5. August, auf den Tag genau ein Jahr nach seinem Coup am Felsen von Céüse, auch an der künstlichen Wand von Tokio ganz nach oben.

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