Löw lobt Notliga-Niveau - Hoffnung auf Neustart im September

Von Von Jens Mende, dpa

dpa Berlin. Seit über einem halben Jahr ist Joachim Löw Bundestrainer im Wartestand - und der Zeitpunkt für den Neustart der Nationalelf ist ungewiss. Die Not-Bundesliga überrascht ihn indes. Und er hofft durch Corona auf einen Wertewandel - im Fußball und in der Gesellschaft.

Löw lobt Notliga-Niveau - Hoffnung auf Neustart im September

Bundestrainer Joachim Löw freut sich über die hohe Motivation der Bundesliga-Profis nach der Corona-Pause. Foto: Christian Charisius/dpa

Joachim Löw hofft auf seinen persönlichen Neustart mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im September. Zunächst aber lobte der Bundestrainer die Bundesliga und gratulierte dem FC Bayern praktisch schon zur Meisterschaft 2020.

„Die ersten drei, vier Wochen waren wir Trainer und Oliver Bierhof damit beschäftigt, sich um Familie und Freunde zu kümmern, die möglicherweise Zuspruch gebraucht haben“, berichtete Löw über seine bisherige Zeit in der Corona-Krise.

„Danach haben wir die Arbeit aufgenommen, so gut es die Situation eben jetzt zulässt“, sagte der Bundestrainer in einem Interview auf der Homepage des Deutschen Fußball-Bundes: Inzwischen sieht der 60-Jährige wieder positive Zeichen.

NOT-BUNDESLIGA: „Es ist eine andere Art Fußball und von Zuschauen natürlich auch. Man muss sich auch ein bisschen daran gewöhnen, Fußball ohne Emotionen auf den Rängen von den Fans“, erklärte Löw. „Auf der anderen Seite bin ich positiv überrascht über die hohe Motivation, die die Spieler und Mannschaften an den Tag legen, über die Einstellung und auch über die Art und Weise, wie gespielt wird“, sagte der DFB-Chefcoach.

Die DFL hatte ein umfangreiches Konzept für die Fortsetzung der 1. und 2. Liga erarbeitet. Damit sei der deutsche Fußball „in Europa jetzt führend gewesen“, bemerkte der Bundestrainer. Grundsätzlich sei es positiv, „dass Deutschland diese Vorreiterrolle übernommen hat“, meinte er. „Man spürt, die Spieler haben wieder Lust auf Wettkämpfe, auf Zweikämpfe, auf Toreerzielen, Toreverhindern“, sagte Löw weiter. „Das hat einen positiven Effekt auch auf mich gehabt, dass die Spieler topmotiviert aus dieser langen Pause kamen und das Gleiche an den Tag legen, als ob 80.000 in den Stadien wären.“

TITEL-ENTSCHEIDUNG: Das Meister-Rennen 2020 sieht Löw bereits als entschieden an. Bayern München werde sich den Vorsprung „nicht mehr nehmen lassen“, sagte er. „Dafür sind sie einfach auch zu konzentriert aus der längeren Pause herausgekommen und individuell zu stark.“ Und jetzt unter Hansi Flick „sind sie zu einem Team geworden, das Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahlt“, lobte der Bundestrainer seinen einstigen Assistenten bei der Nationalmannschaft, der jetzt Chefcoach der Münchner ist. „Daher glaube ich, dass die Meisterschaft entschieden ist.“

NATIONALMANNSCHAFTS-NEUSTART: Der DFB-Chefcoach hofft, dass seine Auswahl im September endlich wieder losspielen kann. Der letzte Auftritt des Löw-Teams ist inzwischen mehr als ein halbes Jahr her. „Jetzt sind wir gedanklich dabei, uns auf den September - wenn es denn möglich ist - vorzubereiten“, erklärte der Bundestrainer im Wartestand. Mit den Nationalspielern habe die Sportliche Leitung „in unterschiedlicher Art und Weise“ Kontakt gehalten.

Normalerweise wären Kapitän Manuel Neuer und Kollegen gerade im Trainingslager im österreichischen Seefeld, um den EM-Feinschliff vorzunehmen. „Wir haben trotzdem die Vorbereitung mal durchgespielt“, berichtete Löw. Das Trainer-Team habe „das Konzept überarbeitet“ für die wegen der Corona-Pandemie auf den Sommer 2021 verschobene Europameisterschaft.

EM-VERSCHIEBUNG: Für langzeitverletzte Spieler wie Niklas Süle und Leroy Sané sei die Verlegung der EM sicher eIn Vorteil, meinte Löw: „Sie können sich jetzt durch Spielpraxis, durch Wettkämpfe wieder auf ein anderes Niveau bringen. Man weiß natürlich auch, dass es nach so schweren Verletzungen manchmal eine gewisse Zeit dauert.“

Doch insgesamt ändere sich an der EM-Ausgangslage für sein Team wenig. „Man hat als Trainer immer die Situation, dass man sich auf alle Eventualitäten vorbereiten muss. Die Erfahrung zeigt, dass vor jedem Turnier Spieler ausgefallen sind“, sagte Löw. „Da ist uns ja schon alles widerfahren. Von daher muss man flexibel sein.“

WERTEWANDEL: Ob die Corona-Pandemie wirklich zu einem Wertewandel im Fußball und in der gesamten Gesellschaft führt, wisse er „nicht mit Bestimmtheit“, sagte Löw. Aber er habe die Hoffnung, dass Werte wie Rücksichtnahme, Respekt untereinander, sich Kümmern um den Nächsten, um Freunde und Familie bleiben. „Dass es eben nicht immer nur höher, schneller, immer noch besser sein muss. Sondern dass es bestimmte Werte gibt untereinander, die man beachten muss. Da hoffe ich, dass das in Zukunft auch bleiben wird und kann.“