Löws Oktober-Plan soll endlich den Sieg bringen

Von Von Jens Mende und Arne Richter, dpa

dpa Basel. Der Zwiespalt wird Bundestrainer und Fans erst einmal weiter begleiten: Die Nationalelf zeigt gute Ansätze, aber liefert noch keine Leckerbissen. Dazu stimmen die Ergebnisse nicht. Für den Oktober hat Joachim Löw schon einen neuen, pfeffrigen Plan.

Löws Oktober-Plan soll endlich den Sieg bringen

„Beide Spiele waren mit Licht und Schatten, mit guten Ansätzen, aber natürlich beide Spiele auch mit Fehlern“, sagt Joachim Löw. Foto: Christian Charisius/dpa

Joachim Löw muss erst einmal mit „gemischten Gefühlen“ leben, sein Spieler gehen mit reichlich Frust zurück zu ihren Vereinen. Leckerbissen sind Länderspiele für die Fußballfans von Flensburg bis Freiburg derzeit wirklich nicht.

Die Auftritte gegen Spanien und nun auch in der Schweiz wirkten wie vieles in der nervenden Corona-Zeit - wie Gourmet-Essen in einer leeren Bahnhofshalle aus der Dose. Der Geschmack ist ab und an zu erahnen, der Genuss aber fehlt.

„Manche Dinge haben gut geklappt, aber es gab auch Phasen, wo es nicht gemacht wurde - und dann kriegen wir Probleme“, sagte der Bundestrainer etwas verklausuliert zu den Erkenntnissen einer sehr speziellen Woche mit der deutschen Nationalmannschaft mit zwei 1:1-Unentschieden gegen Spanien und die Schweiz.

Sein Personal wählte teilweise drastischere Worte, vor allem wegen des erneut ausgebliebenen Erfolgserlebnisses gegen die Eidgenossen. „Ich bin auch ein bisschen angepisst“, sagte Ilkay Gündogan, der Schütze des 1:0. Wie schon drei Tage zuvor in Stuttgart gegen Spanien verspielte das DFB-Team im St. Jakob-Park von Basel den Vorsprung und wartet nach sechs Partien in der Nations League weiter auf den ersten Sieg.

Mit nur zwei Punkten nach zwei Spielen droht in dem Wettbewerb wie schon bei der Erstauflage vor zwei Jahren ein Absturz. „Es war leider ähnlich wie gegen Spanien, da können wir definitiv daran arbeiten, dass wir da mehr Lösungen haben und als Mannschaft mehr Selbstvertrauen“, sagte Interimskapitän Toni Kroos.

Für Löw sind auf dem Weg zur EM-Mission 2021 die Ergebnisse zunächst zweitrangig. Im kommenden Sommer und noch nicht jetzt will er ein harmonisierendes, widerstandsfähiges und taktisch variables Ensemble auf den Rasen bringen. Dafür wagt er wie gegen die Schweizer, die sich ihrerseits an Europas Spitze herantasten, sogar ein paar fast verrückte Experimente.

Löw ließ konsequent Mann gegen Mann spielen und den Gegner schon in seinem Strafraum attackieren. Wofür das in Richtung EM einmal gut sein soll, erschließt sich wohl nur den Insidern.

„Beide Spiele waren mit Licht und Schatten, mit guten Ansätzen, aber natürlich beide Spiele auch mit Fehlern“, sagte der Weltmeistercoach von 2014. „Ein Tick Widerstandsfähigkeit und Cleverness“, habe diesmal gefehlt, stellte Außenspieler Thilo Kehrer fest. Auch die laute und klare Motivation der Spieler untereinander müsse besser werden, betonte Löw: „Das ist auch eine Sache der Reife.“

Angesichts einer Länderspiel-Pause von fast zehn Monaten, der komplizierten Saisongestaltung wegen der Corona-Pandemie, einiger fehlender Leistungsträger und des unterschiedlichen Fitnesszustandes seiner Spieler habe er Fehler und Schwankungen quasi eingeplant: „Das habe ich fast schon erwartet.“ Das Wichtigste für Löw: „Ich habe gesehen, dass die Spieler willig waren, die Dinge umzusetzen.“

Alle Nebenschauplätze will der Deutsche Fußball-Bund von Löw fernhalten. So reagierte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff am Montag auf die Kritik, dass von Stuttgart nach Basel geflogen wurde statt die umweltfreundlichere Bahn oder den Bus zu benutzen. Man werde sich „hinterfragen“, kündigte Bierhoff an. Dieses Mal habe man wegen der Hygienesicherheit und der körperlichen Regeneration der Spieler die kurze Flugzeit favorisiert.

Wirklich weiter an seinem EM-Plan arbeiten kann Löw erst wieder Anfang kommenden Monats, wenn er seinen Kader zu den nächsten Nations-League-Aufgaben in der Ukraine und in Köln zum Rückspiel gegen die Schweiz zusammenzieht. Zwar weist der 60-Jährige jeden Verdacht auf einen persönlichen Urlaub bis dahin zurück: „Ich kann schon was tun.“ Das aber ist beschränkt.

Er werde nun die in Stuttgart und Basel noch geschonte Fraktion der Münchner Triple-Sieger um Kapitän Manuel Neuer sowie die zwei Champions-League-Halbfinalisten aus Leipzig kontaktieren sowie die beiden jüngsten Länderspiele mit seinem Stab nochmals genau analysieren. Grund zur Panik sieht er nicht: „Ansätze waren gute da, aber natürlich wollen wir im Oktober gewinnen“, betonte der Bundestrainer. Und das werde auch gelingen.

Seine Überlegungen zum nächsten Länderspiel-Fenster, das auch noch ein Freundschaftsspiel in Köln gegen die Türkei mit einschließt, lassen aber erahnen, dass sich an der Gesamtsituation wenig ändern wird. Zumal auch die Rückkehr von Zuschauern in die Stadien fraglich bleibt. „Es sind drei Spiele, das macht es nicht einfacher“, bemerkte Löw mit Hinweis auf die Belastungsproblematik und kündigte an: „Wir müssen wahrscheinlich einen großen Kader nominieren. Man muss einteilen und aufteilen.“

Heißt: Es wird quasi auch ein Team Deutschland II geben, in dem dann mögliche EM-Ergänzungsspieler wie Florian Neuhaus, Luca Waldschmidt, Robin Koch und Robin Gosens ihre Chance bekommen. Das Beispiel Gosens, der als Neuling mangels Alternativen auf der linken Außenbahn gleich zweimal voll gefordert war, zeigt aber auch deutlich, wie schwer das von Löw geforderte Topniveau im DFB-Team zu erreichen ist.

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