Mit Mut und Karacho am Galgenberg runter

Seit gut einem Jahr trägt die achtjährige Backnangerin Amelie Ruopp das Skisprungvirus in sich und trainiert beim SC Degenfeld

Von Adlern sind sie noch ein gutes Stück entfernt. Ordentliche Hüpfer sind das aber durchaus schon, was die Kinder beim Training auf der Galgenbergschanze in Degenfeld zustande bringen. Bis zu 15 Metern gehen die weitesten. Der Backnangerin Amelie Ruopp fehlt nicht mehr viel, bis sie dort landet. Auch weil die Achtjährige seit einem Jahr mit Feuereifer beim Skispringen dabei ist.

Von Uwe Flegel

Skispringen im Sommer war einst nicht vorstellbar. Mittlerweile ist es dank sogenannter Mattenschanzen an der Tagesordnung. Auch beim Skiclub Degenfeld. Dort, wo Amelie Ruopp und wenigstens 15 weitere Kids mit Trainer Richard Baur konzentriert auf der 15-Meter-Schanze üben. Für sie geht es noch darum, die Grundtechnik zu verbessern, sauber abzuspringen und zu landen, schlichtweg Sicherheit in den Ablauf zu bekommen. Ein, zwei Kinder sind gar noch mit Alpinski unterwegs. Trotzdem geht der eine oder andere sehnsüchtige Blick bereits rüber zu den zwei größeren Schanzen. „Mal von der 43-Meter-Schanze springen zu dürfen“, nennt die junge Backnangerin Ruopp ihr nächstes Ziel. An mehr will die Achtjährige trotzdem noch nicht denken. Dabei hat sie eine der weltbesten Skispringerinnen im Training ständig vor Augen: Carina Vogt. Die Olympiasiegerin und fünffache Weltmeisterin stammt vom SC Degenfeld. Sie ist hier dann auch auf Fotos allgegenwärtig und schon bei der Fahrt zur Anlage kommt der Besucher am Carina-Vogt-Weg vorbei. Die erfolgreichste deutsche Skispringerin machte einst auf der Galgenberg-Schanze ihre ersten Hüpfer.

So wie Amelie Ruopp. Sie ist mit Feuereifer und Spaß dabei und findet „das Gefühl, zu fliegen“ einfach klasse. Das kostet die Achtjährige erst seit einem Jahr aus. In der kurzen Zeit hat sie bereits festgestellt: „Wenn man so bei acht, neun Metern landet, dann ist da noch nicht viel, aber bei elf, zwölf Metern, da spürt man schon was.“ Im Training gelingt es ihr, bei den sechs bis acht Versuchen drei-, viermal auf Weiten zwischen 12 und 13 Metern zu kommen. Das macht Lust auf mehr. Zumal sie die Leistungen bei Wettkämpfen schon bestätigt hat. Bei ihrem ersten Start wurde Amelie Ruopp in Königsbronn Dritte, beim Sommerturnier auf der Galgenbergschanze landete sie vor wenigen Wochen bei 12 sowie 11 Metern und kam auf Platz vier.

Das Skisprungvirus trägt die Backnangerin in sich, seit sie vor gut zwölf Monaten beim Ferienprogramm in Degenfeld das erste Mal die Galgenbergschanze runterfuhr. Ein halber Tag reichte, dann hieß es: „Da will ich morgen wieder hin.“ Morgen, das war Dienstag, einer von zwei Trainingstagen für Kinder beim ebenso kleinen wie rührigen Verein aus dem Stadtteil von Schwäbisch Gmünd. Seither geht es einmal pro Woche vom Murrtal ans Kalte Feld. „Die beiden Athletikeinheiten macht sie im Turntraining der TSG“, erzählt Mutter Sabine, die bekanntlich seit Jahren im Turnsport engagiert und froh ist, diese Möglichkeit nutzen zu können. Schließlich ist es eine gute Stunde Fahrzeit, um an den Fuß des Hornbergs zu kommen. Der Spaß der Kinder an dem wagemutig erscheinenden Sport entschädigt für die Mühen. Erst recht, wenn man sieht, wie die Talente nach jedem Sprung im Auslauf die Ski eifrig packen, an der Schanze entlang den Weg und die Stufen wieder hochstapfen. Immer und immer wieder. Unterwegs wartet Trainer Richard Baur mit ein paar Tipps und oben angelangt der nächste Versuch.

Der Weg nach oben ist hart und lang. Degenfeld ist ein Sinnbild dafür. Hier gibt es keinen Lift oder sonstige Hilfsmittel. Mit den Ski an den Füßen geht es rasant hinab, mit den Latten auf dem Buckel anschließend wieder rauf. Das gilt für die Einsteiger auf der Galgenberg-, erst recht aber für die Fortgeschrittenen auf der Kalte-Feld-Schanze. Nur wer sich auch dort positiv hervortut und es auf die 75-Meter-Anlage schafft, der kommt in den Genuss, mit dem Kleinbus wenigstens an den Fuß der Schanze gefahren zu werden. Um ganz nach oben zu kommen, muss jeder die letzten Stufen aber selbst bewältigen. So ist es halt im Sport, erst recht im Skispringen. Bis zu Topanlagen wie in Oberstdorf, Innsbruck, Lillehammer oder am Holmenkollen braucht es viel Talent und vor allem einen ganz langen Atem. Das 15-Meter-Teil in Degenfeld ist nur der erste kleine Hügel, den es zu bewältigen gilt. Auch für Amelie Ruopp, die trotz ihrer erst acht Jahre ihr Hobby sehr vernünftig angeht: „Wenn ich weit komme, dann ist es schön. Wenn ich es aber nicht so weit schaffe, dann ist es auch okay. Das Wichtigste ist mir der Spaß.“ Und den hat sie ganz offensichtlich. Zumindest ist die junge Backnangerin mit Feuereifer dabei.

Hintergrund
Ein kleiner Klub mit vier Schanzen und großen Namen

Der SC Degenfeld verfügt über vier Schanzen. Die größte davon ist die Winterhaldenschanze, auf der aber nur bei entsprechender Schneelage gesprungen werden kann. Der K-Punkt der Anlage liegt bei 88 Meter und bezeichnet den Punkt, an dem das Gefälle des Aufsprunghangs flacher wird. Zudem gibt es drei nebeneinanderliegende Mattenschanzen, die eigentlich das ganze Jahr über Training und Wettkämpfe ermöglichen. Probleme bei Mattenschanzen gibt es, wenn’s zu kalt ist und der Kunststoff deshalb brüchig wird oder wenn Schnee fällt und der nicht richtig festgetreten werden kann.

Die Einsteiger und ganz jungen Sportler üben in Degenfeld auf dem 15-MeterBakken (Galgenbergschanze). Die Fortgeschrittenen springen auf der 43-Meter- (Kalte-Feld-Schanze) und die Cracks auf der 75-Meter-Anlage. Auf der Kalte-Feld-Schanze liegt der Rekord bei 49,5 Metern und wird seit 2012 von Axel Mayländer gehalten. Bei den Frauen machte Weltcupspringerin Anna Rupprecht mit 49,0 Metern den weitesten Satz (2011). Auf der 75-Meter-Schanze sprang der Pole Klemens Joniak vor wenigen Wochen 82 Meter. Eine Weite, die im Sommer zuvor auch der Klingenthaler Schüler Nick Schönthal erreichte. Auf der Winterhaldenschanze hält Christian Ulmer, früherer Weltcupspringer vom SC Wiesensteig, seit 2010 mit 100 Metern den Rekord.

Der Verein aus dem 455-Seelen-Ort hat bereits einige gute Skispringer hervorgebracht. Neben Carina Vogt zählt die 22-jährige Anna Rupprecht seit einigen Jahren zum Weltcupteam des DSV. Als im Februar im slowenischen Ljubno deutsche Frauen erstmals ein Teamspringen im Weltcup gewannen, da stammten mit Vogt und Rupprecht zwei der vier Siegerinnen vom Skiclub. Mit dem 22-jährigen Tim Fuchs (Junioren-Vizeteamweltmeister 2017), dem deutschen Meister von 2009 und früheren Weltcupstarter Kevin Horlacher sowie Dominik Mayländer und dessen Cousin Jan Mayländer hat der Skiclub auch im männlichen Bereich auf nationaler Ebene Klassespringer entwickelt.

Amelie Ruopp ist nicht die einzige Nachwuchsspringerin aus dem Rems-Murr-Kreis. Von hier stammen auch Lina Oesterle (Kaisersbach), Leonie, Quentin, Stephanie und Valentin Schuhmann (alle Welzheim), Janne und Arne Holz (Waiblingen), Julia Wenzel (Schmiden) sowie Julian Hillmer (Fellbach).