US-Ligen nach Protesten gegen Rassismus: Normal ist anders 

Von Von Maximilian Haupt und Claas Hennig, dpa

dpa Orlando. Der US-Sport hat seinen Betrieb wieder aufgenommen. Die Spiel-Boykotte der vergangenen Tage aus Protest gegen Rassismus wirken nach. Das Bewusstsein für die Situation ist groß wie nie, die Spieler sind noch immer bewegt - mitunter aber auch skeptisch.

US-Ligen nach Protesten gegen Rassismus: Normal ist anders 

Vor der Partie der Tampa Bay Lightning gegen die Boston Bruins wurde in einem Video zum Kampf gegen Rassismus aufgerufen. Foto: Cole Burston/The Canadian Press/AP/dpa

Die Basketball-Stars der Milwaukee Bucks und von Orlando Magic knieten in der leeren und halbdunklen Halle. Sie trugen T-Shirts mit dem Motto der längst weltumspannenden Bewegung „Black Lives Matter“ und schwiegen einen Moment.

Vor dem Eishockey-Spiel zwischen den Tampa Bay Lightning gegen die Boston Bruins war ein Video zu sehen, in dem zum Kampf gegen Rassismus aufgerufen wurde. Auf zwei Riesenbildschirmen leuchtete der Schriftzug: „This is bigger than sports.“ Das ist größer als Sport.

Nach den beispiellosen Boykotten und Protesten gegen Rassismus und Polizeigewalt nahmen die Top-Ligen in den USA am Wochenende ihren Spiel- und Trainingsbetrieb wieder auf - doch von Normalität ist nicht nur wegen Corona nichts zu spüren. Das Thema Rassismus bleibt omnipräsent.

Insbesondere die NBA-Profis weisen immer wieder auf die Probleme in der amerikanischen Gesellschaft hin. „Das ist größer als Basketball“, sagte Star-Spieler Giannis Antetokounmpo nach dem Sieg seiner Bucks in Orlando gegen Orlando und dem Einzug ins Halbfinale der Eastern Conference am Samstag (Ortszeit). „Es wird Spiele geben, in denen du 30, 35, 50 oder wie viele Punkte auch immer machen wirst und du wirst dich daran erinnern. So, wie wir uns gefühlt haben, daran werden wir für den Rest unseres Lebens erinnern“, sagte er.

Als erste US-Profimannschaft hatten die Bucks in der vergangenen Woche ein Playoff-Spiel boykottiert und damit eine nie da gewesene Protestserie ausgelöst. Aus der WNBA (Frauen-Basketball), MLS (Fußball), MLB (Baseball) und etwas verspätet der NHL (Eishockey) hatten sich Teams und Spieler angeschlossen. Mannschaften aus der NFL (American Football) verzichteten auf ihr Training und selbst das Tennis-Masters in New York spielte einen Tag lang gar nicht. „Das ist groß. Das ist stark“, sagte Antetokounmpo. „Andere Sportler und Mannschaften aus anderen Ligen das gleiche machen zu sehen, ist kraftvoll und zeigt, dass wir das Richtige getan haben.“

Die Bucks hatten am Mittwoch stundenlang in der Kabine gesessen und unter anderem mit der Familie von Jacob Blake telefoniert. Der 29 Jährige war vor einer Woche in Kenosha von der Polizei sieben Mal in den Rücken geschossen worden. Milwaukee ist mit dem Auto keine Stunde Fahrtzeit entfernt vom Tatort.

In der NBA hatte es seitdem intensive Diskussionen gegeben, ob die Saison überhaupt fortgesetzt werden sollte. Nach mehreren Sitzungen und nachdem unter anderen Lakers-Star LeBron James den Rat von Ex-Präsident Barack Obama angenommen hatte, entschieden sich die Basketballer weiterzuspielen. Sie bekamen von den Teambesitzern dafür unter anderem das Versprechen, dass - wo es möglich ist - die Heimspielstätten als Wahllokale bei der anstehenden Präsidentschaftswahl am 3. November genutzt werden.

„Ich hatte Zweifel, ja. Aber wenn du einen Plan aufstellen kannst, von dem du das Gefühl hast, er ist wichtig, um die Landschaft zu verändern und das, was gerade vor sich geht, dann ist es klarer“, sagte James dem TV-Sender TNT nach dem Erfolg gegen die Portland Trail Blazers und dem Einzug ins Halbfinale der Western Conference. „Die NBA-Arenen als Wahllokale zu haben für viele Gemeinschaften, ist unglaublich, das wollen wir fortsetzen. November ist ums Eck, wir alle wissen, wie wichtig das ist.“

Doch manche NBA-Stars sind skeptisch, dass sich in den USA etwas ändert. „Ich bin nicht so zuversichtlich, wie ich gerne sein würde“, sagte Jaylen Brown, Teamkollege von Daniel Theis bei den Boston Celtics. Es habe zu oft Versprechen für eine Veränderung gegeben.

Die NHL hatte sich am vergangenen Donnerstag mit einem Tag Verzögerung dem Protest angeschlossen. Die Profis begründeten dies in einer eindrucksvollen Pressekonferenz damit, dass sie von den Entwicklungen überrascht worden seien und sich erst austauschen wollten. Dass die von weißen Profis dominierte National Hockey League sich dazu entschloss, am Donnerstag und Freitag auf die Playoffs zu verzichten, war als weiteres starkes Zeichen gewertet worden.

„Das hier ist eine viel stärkere Botschaft als alles, was ein oder zwei Spieler auf dem Eis machen könnten“, sagte der schwarze Profi Ryan Reaves von den Vegas Golden Knights. „Das Gespräch hat angefangen mit weißen Spielern von anderen Teams, die sprechen wollten. Das ist stark.“ Der weiße Verteidiger Kevin Shattenkirk (31) von den Tampa Bay Lightning meinte: „Wir wollten sicherstellen, dass sich jeder schwarze Spieler in dieser Liga sicher fühlen kann und das Gefühl hat, eine Stimme zu haben.“

US-Präsident Donald Trump hatte die Aktionen der NBA kritisiert. „Sie sind wie eine politische Organisation geworden. Ich denke nicht, dass das gut für den Sport oder für das Land ist“, hatte Trump am Donnerstag gesagt. Er wisse nicht viel über den Protest in der NBA, sagte Trump zugleich. Aber er wisse, dass ihre TV-Quoten „sehr schlecht waren“, weil die Leute der NBA etwas überdrüssig geworden seien.

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US-Ligen nach Protesten gegen Rassismus: Normal ist anders 

Die Spieler von den Milwaukee Bucks und den Orlando Magic knien vor dem Spiel nieder. Foto: Ashley Landis/AP/dpa