Nach dem Schock kehrt das Lächeln zurück

Nach ihrem Trainingsunfall bei den Olympischen Spielen in Tokio hat TSG-Turnerin Emelie Petz den Heimflug und die Achillessehnenoperation in Heidelberg gut überstanden. Die 18-Jährige freut sich, dass sie die Atos-Klinik sehr wahrscheinlich heute schon wieder verlassen darf.

Nach dem Schock kehrt das Lächeln zurück

Blickt schon wieder recht zuversichtlich nach vorne: Turnerin Emelie Petz. Foto: privat

Von Uwe Flegel

„Mir geht es gut und bis zum Wochenende bin ich wahrscheinlich wieder zu Hause.“ Es ist hörbar, dass Emelie Petz den großen Schreck offenbar gut verdaut hat. Dabei war die 18-jährige Turnerin von der TSG Backnang mit großen Träumen vom Erlebnis Olympia nach Tokio geflogen, um nur wenige Tage später mit einer gerissenen Achillessehne wieder heimzufliegen. Die kaputte Sehne des linken Fußes wurde von Professor Holger Schmitt in der Heidelberger Atos-Klinik bereits zusammengenäht. Nun müssen der Körper, aber durchaus auch ein wenig die Seele der jungen Frau aus Allmersbach im Tal nur noch richtig heilen.

Wer Emelie Petz allerdings ein wenig kennt, der weiß, dass in ihr eine kleine Stehauffrau steckt. Schließlich ist die Verletzung für sie nicht der erste Rückschlag dieser Art. Knochenödeme machten ihr schon zu Beginn des Olympiajahres monatelang zu schaffen. Erst auf den letzten Drücker wurde das für den MTV Stuttgart in der Bundesliga turnende Talent wenigstens so weit fit, dass sie sich wenigstens als Ersatzturnerin für das weltweit größte Sportereignis qualifizierte. Und dann war das Erlebnis Olympia von einer auf die andere Sekunde schmerzhaft beendet, ohne dass es überhaupt richtig begonnen hatte. Bei einer Bodenübung im Trainingszentrum in Joetsu hielt die Achillessehne beim Absprung zum Doppelsalto der Belastung nicht stand. Glück im Unglück für die mehrfache BKZ-Sportlerin des Jahres war nur, dass sie noch so viel Körperbeherrschung aufbrachte, um bei der Landung weitere und vor allem noch schwerere Verletzungen zu vermeiden.

Allmersbacherin will sich Zeit nehmen und auf ihren Körper hören

Im wahrsten Sinne des Wortes am Boden zerstört war Emelie Petz dennoch: „So etwas trifft einen schon sehr hart. Vor allem wenn man weiß, was nun alles auf einen zukommt.“ Schließlich hat sie bereits die eine oder andere Erfahrung mit schweren oder langwierigen Verletzungen gemacht. Mithilfe des Ehrgeizes, den es braucht, um Teil des internationalen Spitzensports zu sein, hat sich die 18-Jährige allerdings bereits aus ihrem tiefen Tal ein wenig herausgearbeitet. Neun Tage und eine Operation nach dem Achillessehnenriss blickt die Allmersbacherin schon wieder einigermaßen zuversichtlich nach vorne, obwohl ihr harte Monate bevorstehen. Da ist Geduld gefragt, oder? „Ich werde mir Zeit nehmen, um am Ende wieder das schätzen zu lernen, was ich liebe und woran ich Freude habe.“

Denn für sie ist es keine Frage, dass es mit dem Turnen weitergeht. „Come back stronger“, schrieb sie kurz nach der Operation auf ihrem Facebook-Account. Stärker als zuvor will sie zurückkommen. Auch weil sie mit den Olympischen Spielen 2024 in Paris das nächste große sportliche Ziel bereits im Blick hat. Noch sind es drei Jahre bis dahin und Petz sagt: „Ich habe keinen Stress. Nun wartet oder drängt kein Olympia und ich kann auf meinen Körper hören.“ Erst recht, weil sie sich selbst in den schwierigen vergangenen zwölf Monaten genügend Leistungspunkte erturnt hat, sodass ihre Kaderzugehörigkeit und damit auch die Förderung durch Verbände und die Deutsche Sporthilfe weiterhin gesichert ist. Nicht unwichtig für eine Spitzenathletin in einer Sportart, die wie das Turnen zwar stundenlanges und tägliches Training verlangt, ohne dass es finanziell dafür auch nur annähernd einen Ausgleich gibt.

Erst recht, wenn sie wie Petz noch Schülerin ist und damit nicht die Möglichkeit hat, Teil der Bundeswehr, Bundespolizei oder ähnlicher Institutionen zu sein, um wenigstens ein kleines Gehalt zu bekommen und trotzdem als eine Art Profi sich fast ausschließlich dem Sport widmen zu können. Vielleicht kann die TSG-Sportlerin deshalb aus zeitlichen Gründen ihrer Verletzung trotz Schmerzen und Enttäuschung gar ein klein wenig was Gutes abgewinnen. „Ich kann mich nun auf jeden Fall auf mein Abitur im nächsten Jahr konzentrieren.“

Rekordmeisterin Elisabeth Seitz hilft ihrer Teamkollegin von Japan aus

Nun sind allerdings erst einmal Sommerferien und für die Allmersbacherin geht’s um die rasche Gesundung. Vom Kopf her ist sie schon wieder so weit, dass sie die Spiele in Tokio mit großem Interesse am Fernseher verfolgt. Vor allem die Turnwettbewerbe und dort ganz besonders die deutsche Rekordmeisterin Elisabeth Seitz. Schließlich hat sich die 27-Jährige, die mit Petz in Stuttgart trainiert und turnt, in der schweren Stunde als super Teamkollegin gezeigt: „Eli kannte die Klinik, da sie hier selbst schon mal operiert wurde, und hat von Japan aus in Heidelberg angerufen, den Kontakt zu Professor Schmitt hergestellt und mitgeholfen, damit es nach dem Rückflug mit der OP so schnell geklappt hat.“ Insgesamt sei die Unterstützung vor Ort nach der bösen Verletzung von japanischer Seite und von der deutschen Mannschaft sehr gut gewesen, erzählt Petz und hebt besonders Teamarzt Rainer Eckhardt hervor.

Viele helfende Hände und Köpfe waren zur Stelle, als für Emelie Petz der Traum vom Erlebnis Olympia so schmerzhaft und schnell zu Ende ging. Sehr wahrscheinlich ist das Wissen darum, in einer solch Situation nicht alleine gewesen zu sein, mit der Grund, weshalb sie nur gut eine Woche nach dem bisher wohl härtesten Rückschlag ihrer Karriere schon wieder sagen kann: „Mir geht es gut.“ Körperlich sicher noch nicht so ganz, seelisch aber ist die TSG-Turnerin auf einem sehr guten Weg.

Die stärkste Sehne des menschlichen Körpers

Achillessehne Die Sehne, die den Fersenknochen mit der Wadenmuskulatur verbindet, gilt als die stärkste Sehne des menschlichen Körpers. Es heißt, dass sie etwa das 25-fache des Körpergewichts aushält. Die Achillessehne ermöglicht es uns zum Beispiel, auf den Zehenspitzen zu stehen und uns beim Laufen und beim Springen abzustoßen.

Olympiagold Der Russe Artur Dalaloyan bewies gerade eben erst in Tokio, dass nach dieser schweren Verletzung weiterhin Topleistungen möglich sind. Nur drei Monate, nachdem sich der 25-Jährige die Achillessehne gerissen hatte, gewann er mit der russischen Riege Mannschaftsgold und lieferte an allen sechs Geräten Topleistungen ab.