Boxer Sturm hat nichts verlernt: Jetzt will er die Giganten

Von Von Franko Koitzsch, dpa

dpa Hamburg. Als hätte es die knapp fünfjährige Pause nicht gegeben. Sturm boxt geschmeidig und technisch wie immer. Dennoch ist nicht klar, wo er tatsächlich steht. Vor allem: Welcher Gegner kommt jetzt?

Boxer Sturm hat nichts verlernt: Jetzt will er die Giganten

Felix Sturm (l) besiegte Timo Rost einstimmig nach Punkten. Foto: Axel Heimken/dpa

Das Comeback von Felix Sturm macht Appetit auf einen richtigen Kampf. Die knapp fünfjährige Ringabstinenz hat sich der 41 Jahre alte ehemalige Boxweltmeister nicht anmerken lassen.

Flink in den Schlägen und technisch sehr variabel hat er im Universum-Trainingsgym am Hamburger Fischmarkt seinen limitierten Gegner Timo Rost aus Düsseldorf klar beherrscht. 100:90, 99:91, 100:93 lautete das Punkturteil nach einem Zehn-Runden-Kampf in der nicht existenten Gewichtsklasse von 77,5 Kilogramm.

„Es war, wie nach Hause zu kommen“, sagte Sturm, der seine Profikarriere einst bei Universum begonnen hatte, und ergänzte: „Ich bin rundum zufrieden. Nur die Hände tun ein bisschen weh.“ Die jüngste Vergangenheit, auch die acht Monate in Untersuchungshaft wegen Steuerhinterziehung und Dopings, hat Sturm für die Rückkehr in den Ring sichtlich genutzt. Noch läuft die Berufung gegen das Urteil von drei Jahren Haft. Ob der Kölner mit bosnischen Wurzeln danach befreit trainieren kann, wird sich zeigen.

So flüssig Sturms Rückkehr in den Ring auch wirkte, eine Schwäche bleibt ihm treu: die mangelnde Schlagkraft. Dass er Rost trotz drückender Überlegenheit nicht vorzeitig besiegen konnte, war ein deutlicher Makel. Der Düsseldorfer war mit zehn Siegen in zwölf Kämpfen angereist. Die errang er allerdings mehrheitlich gegen Gegner, die häufiger verloren als gewonnen hatten.

Nun will sich Sturm mit anderen Kalibern messen. Zunächst war von Ex-Weltmeister Arthur Abraham die Rede. Der möchte mit Trainingsqualen allerdings nicht mehr belästigt werden. Sogar sein Ex-Coch Ulli Wegner hatte vor Längerem gestanden, wegen zunehmender Leistungsverweigerung im Ring nichts mehr mit dem einstigen Explosivboxer zu tun haben zu wollen. Abraham, wird kolportiert, reize nur eines: richtig Geld. An eine Börse von einer Million Euro denke er, so heißt es. Die Goldgräberzeiten im Boxen sind jedoch passé. TV-Sender halten sich zurück, Streamingdienste wollen Verkaufsschlager. Diese Forderung kann Abraham kaum erfüllen.

Jürgen Brähmer indes schon. Der Schweriner Ex-Weltmeister ist zwar auch schon 42 Jahre, steht aber genau wie Sturm in Saft und Training. „Wann, wenn nicht jetzt. Wir sollten den Kampf machen“, sagte Brähmer. „Ein Duell hatten wir ja schon mal. Felix hat noch was gutzumachen.“ Bei den Amateuren gewann Brähmer 1997 das Finale um die deutsche Meisterschaft deutlich.

„Ich möchte nichts kommentieren, lasse das auf mich zukommen“, sagte Sturm. Er giert nach Höherem. Da fallen gar Namen wie die der Mehrfach-Weltmeister Saul „Canelo“ Alvarez, der am Samstag gegen den britischen Weltmeister Callum Smith gewonnen hat, und Gennadi Golowkin. „Rein sportlich ist ein Kampf gegen Golowkin möglich“, sagte Sturms Promoter Ismail Özen-Otto.

Pikant: Sowohl Sturm als auch Golowkin gehörten einst zur gleichen Zeit dem Universum-Stall an. Weil Sturm aus Vermarktungsgründen aber die Nummer eins sein sollte, war der Kasache Golowkin beleidigt und ergriff die Flucht. Heute lebt der 38-Jährige in Los Angeles und gehört mit 36 K.o.-Siegen in 43 Kämpfen zu den eindrucksvollsten Boxern weltweit - und ist eine gigantische Goldgrube. Seine einzige Niederlage kassierte Golowkin gegen den Mexikaner „Canelo“. Ob man Sturm tatsächlich zu einem solchen Kampf raten sollte? Es geht schließlich nicht nur ums Geld.

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