Abstiegsfrage vor Bundesligastart ungeklärt

Von Von Ulrike John, Patrick Reichardt und Stefan Tabeling, dpa

dpa Frankfurt/Main. Kurz vor dem Wiederanpfiff der 1. und 2. Bundesliga gibt es weitere Änderungen, um den 34. Spieltag irgendwie zu erreichen. Wie bei einem Saisonabbruch gewertet wird, ist ungewiss. Weitere Kritik dürfte es nach einem Ausflug von Heiko Herrlich geben.

Abstiegsfrage vor Bundesligastart ungeklärt

Ab dem 16. Mai wird die Saison der Fußball-Bundesliga fortgesetzt. Foto: Jan Woitas/dpa-Zentralbild/dpa

Fünf statt drei Auswechslungen, Heimspiele notfalls in einem neutralen Stadion, einen Meister vielleicht erst im Juli - aber die strittige Abstiegsfrage bei einem Saisonabbruch bleibt ungeklärt.

Zwei Tage vor dem Start des Notbetriebs der Fußball-Bundesliga mit Geisterspielen hat die fünfte außerordentliche DFL-Mitgliederversammlung in der Corona-Krise am Donnerstag die Entscheidung für einen Worst Case vertagt.

Für neuen Zündstoff sorgte Augsburgs neuer Trainer Heiko Herrlich, der das Hotel während der Quarantäne verlassen hatte und in einem Supermarkt einkaufen war. Am Abend entschuldigte sich der 48-Jährige dafür. „Ich habe einen Fehler gemacht, indem ich das Hotel verlassen habe. Auch wenn ich mich sowohl beim Verlassen des Hotels als auch sonst immer an alle Hygienemaßnahmen gehalten habe, kann ich dies nicht ungeschehen machen“, wird er in einer Mitteilung des FC Augsburg zitiert. „Ich bin in dieser Situation meiner Vorbildfunktion gegenüber meiner Mannschaft und der Öffentlichkeit nicht gerecht geworden.“

Er werde zu seinem Fehler stehen und „aufgrund dieses Fehlverhaltens das Training morgen nicht leiten und die Mannschaft auch nicht am Samstag im Spiel gegen Wolfsburg betreuen“. In den nächsten Tagen werden weitere Corona-Tests durchgeführt, teilte der FCA dazu weiter mit. „Nach zwei negativen Testergebnissen wird Heiko Herrlich die Trainingsarbeit beim FC Augsburg wieder aufnehmen.“

Herrlich verstieß damit gegen die Auflagen des DFL-Konzepts. Zuvor hatte der Coach selbst über seinen Ausflug berichtet. „Wir sind im Hotel in Quarantäne und sollen da eigentlich auch nicht rausgehen. Es gibt aber Situationen, die es einfach erfordern“, erzählte er. „Ich habe keine Zahnpasta, die ist am Ausgehen, und keine Hautcreme mehr gehabt, und dann bin ich mit meinem Trainingsanzug in der Nähe zu einem Supermarkt gegangen.“

Die 36 Proficlubs räumten am Donnerstag bei ihrer Mitgliederversammlung weitere Hürden beiseite, um die Runde irgendwie zu Ende zu bekommen. Offen blieb, was genau passiert, wenn die Saison abgebrochen werden muss. „Für den Fall, dass eine Fortführung des Spielbetriebs durch künftige Entwicklungen nicht mehr möglich sein sollte und die Saison vorzeitig abgebrochen werden muss, soll innerhalb der nächsten beiden Wochen eine Regelung hinsichtlich der sportlichen Wertung entwickelt werden“, teilte die DFL nach der Schalte mit. Das Thema sei „nicht vertiefend erörtert“ worden. Dabei war darüber in den Teilversammlungen der 1. und 2. Liga am Mittwoch noch ein heftiger Streit entbrannt.

„Für mich als Trainer ist es ganz wichtig, dass alle 34 Spiele gespielt werden. Wenn uns diese Möglichkeit genommen würde, die letzten beiden Spiele zu spielen, würde ich ganz klar von Wettbewerbsverzerrung reden“, sagte Fortuna Düsseldorfs Trainer Uwe Rösler, der sich allerdings erstmal über die neuesten Diskussionen aufklären lassen musste.

Die DFL kämpft jedenfalls weiter mit aller Macht darum, ihr Konzept durchzusetzen, um den wirtschaftlichen Schaden nicht noch größer werden zu lassen. Sie hält an ihrem Plan fest, die laufende Saison vollständig und inklusive Relegation beenden zu wollen. Dies sei „einstimmig mit einer Enthaltung“ bekräftigt worden, hieß es vom Ligaverband. Geplant ist die Beendigung bis zum 30. Juni. Falls es notwendig sei, soll dies, sofern rechtlich möglich, auch im Juli noch geschehen.

An den geplanten letzten neun Spieltagen dürfen die Mannschaften nun in einem Spiel fünf- statt dreimal auswechseln. Die DFL übernahm die vom Weltverband FIFA eingeführte Änderung. Damit sollen die Spieler angesichts des dicht gedrängten Kalenders und möglicher Spiele bei großer Hitze im Sommer entlastet werden. Durchgeführt werden dürfen die Wechsel in der Pause und bei weiteren drei Gelegenheiten während der Spielzeit. Damit soll verhindert werden, dass Trainer in der Schlussphase eines Spiels das neue Instrument zum Zeitspiel nutzen.

Die Clubs dürfen ihre Heimspiele auch in einem neutralen Stadion austragen - falls die Behörden ihnen den Spielbetrieb unmöglich machen, wie es bereits Vereinen in der 3. Liga droht. Der Fußball ist weiter von den Genehmigungen der Gesundheitsämter abhängig.

Werder-Aufsichtsratschef Marco Bode hatte das DFL-Präsidium für seine Vorgehensweise in der Frage des Saisonabbruchs heftig kritisiert. „Das ist eine Regelung, die unglaublich viel nach sich zieht. Da kann man nicht einfach en passant wenige Tage vor der Wiederaufnahme des Spielbetriebs eine Entscheidung solcher Tragweite treffen“, sagte der Ex-Nationalspieler. Derzeit belegen Werder Bremen und der SC Paderborn die beiden letzten Plätze. Die beiden anderen Optionen im Falle eines Abbruchs sind offenbar eine Annullierung der Saison oder eine Aufstockung der Liga.

Derweil hat sich erneut ein Fußballprofi kritisch über das allgemeine Vorgehen der DFL geäußert. „Meines Wissens nach wurden wir gar nicht einbezogen. Womöglich hätte es sonst viele Fragen gegeben. Das Hygiene-Konzept an sich versprüht einen Hauch von Sicherheit. Und trotzdem sind wir Spieler mit unseren Ängsten und Fragen allein gelassen worden“, sagte Mittelfeldspieler und Ex-Kapitän Marco Hartmann von Dynamo Dresden dem „Spiegel“. „Man hätte eine Möglichkeit finden müssen für die Spieler, die sagen: Ich habe Angst. Das hätten nicht die Vereine allein machen sollen, es hätte von der DFL kommen müssen.“

Christian Streich verteidigte den Neustart der Bundesliga gegen die Kritiker. Bei den Diskussionen in Politik und Gesellschaft habe es „teilweise nicht nachvollziehbare Widerstände“ gegeben, sagte der Trainer des SC Freiburg. Er habe manchmal gedacht, „da schwingt auch ein bisschen Neid mit. Ich freue mich total auf Samstag und ich bin gottfroh, dass wir spielen dürfen“.

Nationaltorhüter Manuel Neuer vom FC Bayern München glaubt, dass der Profifußball angesichts der strengen Auflagen auch vorbildlich in der Corona-Krise auftreten könnte. „Wenn wir uns an die Richtlinien halten, wie wir das tun, dann ist das ein ganz anderes Bild, was wir abgeben, als das, was bei den Demonstrationen passiert“, sagte der 34 Jahre alte Kapitän des Bundesliga-Tabellenführers in einem Instagram-Chat mit Kommentator Wolff Fuss (43) vom Pay-TV-Sender Sky.

Die Fußballer müssen abseits des Platzes strenge Hygiene-Auflagen befolgen. Nur während der Spiele und auf dem Trainingsplatz gelten die Abstandsregeln nicht. Vor den ersten Partien ohne Zuschauer befinden sich die Profis abgeschottet in Hotels in Quarantäne-Trainingslagern. Regelmäßig stehen Tests für Profis, Trainer und Betreuer an.