Leipzig leidet, Mainzer Notelf feiert Sieg

Von Von Patrick Reichardt, dpa

dpa Mainz. Ein besseres Spiel hätten sich die Mainzer Fans für die Rückkehr nach der Corona-Pause nicht wünschen können. Das Duell mit Leipzig wird zum emotionalen Kampf, den der gebeutelte Außenseiter gewinnt.

Leipzig leidet, Mainzer Notelf feiert Sieg

Kapitän Moussa Niakhaté (M) brachte die ersatzgeschwächten Mainzer in Führung. Foto: Torsten Silz/dpa

Auf Rasen und Rängen begann mit dem Abpfiff sofort die große Fußball-Party.

Während die Profis von Titelanwärter RB Leipzig missmutig und bedient vom Platz trotteten, glichen die Szenen bei den Mainzern schon am ersten Bundesliga-Spieltag einer wilden Feierei wie für den geschafften Klassenerhalt. Grund dazu gab es allemal, schließlich schlug die von zehn Quarantäne-Ausfällen gebeutelte Notelf beinahe sensationell den Vize-Meister mit 1:0 (1:0). Chefcoach Bo Svensson stürmte mit ausgebreiteten Armen auf seine Helden zu.

„Das ist wieder Fußball, das ist wieder Mainz, das ist wunderschön!“, sagte der euphorische Sportdirektor Martin Schmidt nach dem Coup mit ganz viel Moral. „Wir waren ein riesenglücklicher Sieger heute. Jeder ist noch mal über sich hinausgewachsen, eine Riesengeschichte.“

Marsch: „Nicht unser bester Tag“

Als die 05-Profis mitten im Block die „Humba“-Gesänge anstimmten, war der Eindruck einer völlig verkehrten Fußball-Welt inmitten von 10.500 Zuschauern perfekt. „Es war einfach geil! Am Ende zählt, was jeder Einzelne auf dem Platz gezeigt hat. Das war überragend“, sagte der starke Torhüter Robin Zentner an einem für Mainz perfekten Sommertag.

Die großen Verlierer waren die Leipziger um Trainer Jesse Marsch, dessen Bundesliga-Debüt misslang. „Es ist früh in dem Prozess für unsere Gruppe. Es war nicht unser bester Tag“, sagte der Amerikaner, bei dem der Pannen-Sonntag in der Pressekonferenz nahtlos weiterging, als mit Beginn seines Statements das Mikrofon ausfiel.

Das Starensemble um 28-Tore-Mann André Silva und den von Wechselgerüchten umgebenen Kapitän Marcel Sabitzer muss aber nicht nur einen Liga-Fehlstart befürchten, sondern auch einen Abgang von Sabitzer selbst. Der Österreicher saß bei der Pleite über eine Stunde lang auf der Bank, es wirkte auch wie ein Signal vor den beiden verbleibenden Transferwochen.

Svensson musste auf zehn Profis verzichten

Das Siegtor von Moussa Niakhaté (13. Minute) ließ die Fans im Mainzer Stadion zum ersten Mal ausflippen, später wurde jeder Ballgewinn und jede Parade des überragenden Zentner gefeiert. „Ich bin sehr stolz auf die Gruppe“, sagte Chefcoach Svensson. Als die ganze Mannschaft schon in der Kurve abgefeiert worden war, hatte es lautstark gehallt: „Wir woll'n den Trainer seh'n, wir woll'n den Trainer seh'n.“ Die schwer enttäuschten Leipziger, die anders als Rivale Borussia Dortmund (5:2) patzten, waren da längst verschwunden.

Während die Mainzer ohne zehn Profis in Isolation ein echtes Rumpfteam auf den Platz schickten und erst ganz spät ihre wenigen Reservisten einwechselten, verfügte Marsch über ein Topteam mit zahlreichen Alternativen, die deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben und das Duell „fitter Meisterkandidat gegen gerupften Abstiegsanwärter“ verdient verloren. „Das war eine gute Erinnerung für uns, ja: Wir müssen mehr arbeiten“, sagte Marsch, der als Nachfolger von Julian Nagelsmann ein sehr schweres Erbe antritt.

Sabitzer auf dem Sprung nach München?

Spannend dürfte nun auch die Sabitzer-Frage werden. Die Führungsfigur aus Österreich wird permanent mit Rekordmeister FC Bayern in Verbindung gebracht, ein Wechsel zeichnet sich angesichts der Vertragssituation bis Sommer 2022 immer mehr ab. Es sei „schwierig, einen Spieler zu halten, wenn er nicht bleiben will“, sagte Marsch der „Süddeutschen Zeitung“. In München könnte Sabitzer in zentraler Rolle zum ersten Herausforderer der beiden Stars Joshua Kimmich und Leon Goretzka werden.

Umstritten war vor dem Spiel die Ausrichtung der Partie, in dessen Vorlauf die Mainzer massiv von ihrer Corona-Situation mit vier Positivfällen (darunter drei Spieler) beeinträchtigt waren. Der Mainzer Sportvorstand Christian Heidel sagte bei DAZN: „Sicherlich ist es kein sportlich fairer Wettbewerb - Wettbewerbsverzerrung hört sich ja fast kriminell an, das würde ich so überhaupt nicht in den Mund nehmen. Aber ich glaube, das hat jetzt nichts mit fairem Sport zu tun.“ Am Beispiel Mainz dürfte diese Diskussion nach dem Coup nun wohl an Fahrt verlieren, vor dem nächsten Corona-Herbst aber bestimmt nicht ganz verschwinden.

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