Saisonabbruch rückt immer näher

Die drei Fußballverbände in Baden-Württemberg haben sich auf einen gemeinsamen Vorschlag geeinigt. Allerdings muss dieser jetzt noch durch verschiedene Gremien, ehe bei außerordentlichen Verbandstagen im Juni ein endgültiger Beschluss gefasst wird.

Saisonabbruch rückt immer näher

Alles deutet nach dem Verbandsvorschlag auf den Abbruch der Saison 2019/2020 der Amateurfußballer in Baden-Württemberg hin. Foto: Imago

Von Heiko Schmidt

Lange mussten die Amateurfußballer in Baden-Württemberg warten: Nun ist eine Empfehlung über eine mögliche Entscheidung darüber getroffen, wie mit der Saison 2019/2020 verfahren wird. Die laufende Runde soll demnach abgebrochen werden. Das haben gestern die drei Landesverbände – der Badische Fußballverband (BFV), der Südbadische Fußballverband (SBFV) und der Württembergische Fußballverband (WFV) – gemeinsam mitgeteilt. Allerdings ist dieser Vorschlag noch nicht in Sack und Tüten. Erst bei außerordentlichen Verbandstagen der Landesverbände wird der Beschluss gefasst.

Was beinhaltet die Empfehlung der Gremien der drei Landesverbände? Der Antrag der Präsidien an den jeweiligen Verbandsvorstand schlägt vor, dass über den 30. Juni 2020 hinaus keine Verbandsspiele bei den Aktiven und bei der Jugend im Rahmen der Meisterschaftsrunde 2019/2020 stattfinden. Die Saison soll also abgebrochen werden. Das wird mit der aktuellen Rechtslage in Baden-Württemberg begründet. „Nachdem keine bundeseinheitliche Lösung möglich war, favorisierten wir in Baden-Württemberg diese gemeinsame Lösung“, sagte der BFV-Präsident Ronny Zimmermann bei einer Online-Pressekonferenz zusammen mit seinen Pendants Matthias Schöck (WFV) und Thomas Schmidt (SBFV).

Wie soll demnach die Wertung in einzelnen Ligen erfolgen? Bisher wurden in den Meisterschaftsrunden überwiegend etwas mehr als die Hälfte der Spiele ausgetragen. Es sollen die direkten Aufsteiger dadurch festgestellt werden, dass der Quotient aus erzielten Punkten und ausgetragenen Partien ermittelt wird. Berücksichtigt werden sollen auch Spiele, über deren Wertung bis 30. Juni sportgerichtlich rechtskräftig entschieden ist. Meister und somit direkter Aufsteiger ist die Mannschaft mit dem höchsten Quotienten. Dabei werden die bislang erzielten Punkte eines Teams durch die Anzahl der ausgetragenen Spiele dividiert. Beispiel: Die TSG Backnang hat als Verbandsliga-Tabellenführer einen Quotienten von 2,35 (47 Punkte: 20 Spiele). Alternativ wäre denkbar, den Aufsteiger anhand der Vorrundentabelle zu ermitteln. Dafür spreche, dass grundsätzlich einmal jeder gegen jeden gespielt hätte. Die Quotientenregelung hat hingegen den Vorteil, dass jedes ausgetragene Spiel berücksichtigt wird und dies der Absolvierung sämtlicher Partien näher kommt. Zu berücksichtigen ist außerdem, dass vereinzelt nicht alle Spiele der Vorrunde ausgetragen sind.

Und was ist mit der Relegation? Laut der Empfehlung der Verbandsgremien sei es sachgerecht, nur direkte Aufsteiger zu ermitteln, nicht aber Platzierungen, die zur Teilnahme an Relegations- oder Aufstiegsspielen berechtigten. Während die WFV-Spielordnung vorsieht, dass alle Meister von der Landesliga bis zu den Kreisligen C aufsteigen, bedeutet eine Platzierung, die zur Teilnahme an Relegations- oder Aufstiegsspielen berechtigt, nur eine Aufstiegschance. Ob aus dieser ein Aufstiegsrecht erwächst, kann aber aus rechtlichen Gründen sportlich nicht ermittelt werden. Zudem sei nicht ersichtlich, wie anhand anderer sportlicher Kriterien einem von mehreren Vereinen daraus resultierend ein Aufstiegsrecht zugesprochen werden könnte.

Was passiert mit der Frage der Absteiger? Die Absteiger sollen nicht ermittelt werden. Dies sei vor dem Hintergrund, dass ein Abstieg nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich in der Regel schwerer wiege als ein Nichtaufstieg und daher nicht auf Grundlage einer Quotientenregelung erfolgen soll. Dies hat dann allerdings zur Folge, dass im darauffolgenden Spieljahr aufgrund der Aufstockung aller Ligen ein verschärfter Abstieg unumgänglich ist und erfolgen muss.

Für welche Spiel- und Altersklassen würde diese Regelung dann gelten? Das träfe auf alle Spielklassen der Männer und der Frauen von den Verbandsligen bis zu den Kreisligen zu. Bei der Jugend soll ebenfalls in allen Spielklassen die Saison zum 30. Juni 2020 beendet werden und die Wertung überbezirklich entsprechend erfolgen. Auf Bezirksebene müssten gegebenenfalls aufgrund des Spielsystems mit Qualifikationsstaffeln und mit Blick auf die ohnehin vorgesehene Änderung des Spielsystems hin zum 1-3-9 noch in enger Abstimmung mit den Bezirken andere Lösungen gefunden werden.

Was wäre mit den Ligen darüber? Der WFV will sich nach den Beschlüssen des Präsidiums dafür einsetzen, dass auch die Gesellschafterversammlungen der Oberliga Baden-Württemberg (Männer, Frauen und Jugend) sowie der Regionalliga Südwest in diesem Sinne für einen Saisonabbruch mit der Wertung entscheiden.

Gibt es einen alternativen Vorschlag zum Szenario des Saisonabbruchs? Es gibt ein anderes vertretbares Modell. Das sieht vor, dass das laufende Spieljahr nach der Sommerpause ab frühestens 1. September zu Ende gespielt wird. Dafür spreche, dass so Meister beziehungsweise Aufsteiger sowie Absteiger im Rahmen einer vollständigen Spielrunde ermittelt werden. Dagegen spricht aber, dass Aufsteiger für übergeordnete Spielklassen nicht rechtzeitig feststehe. Zudem würde die Saison mit einer erheblichen Unterbrechung von mehreren Monaten fortgesetzt werden. Hinzu käme eine Verschiebung der Transferperiode – bislang vom 1. Juli bis 31. August. Damit würde es erhebliche rechtliche Bedenken geben. Deshalb sehen die Präsidenten der drei Landesverbände in Baden-Württemberg den alternativen Vorschlag nicht als realistisch an.

Was passiert mit den Spielen im Verbands- und Bezirkspokal? Die Verbandsverantwortlichen wollen die Möglichkeit offen lassen, die verbleibenden Begegnungen im WFV-Pokal auch noch nach dem 30. Juni auszutragen. Hier könnten vielleicht individuelle Lösungen mit den wenigen im Pokal verbliebenen Vereinen gesucht werden. Dies gelte für die Männer, Jugend und Frauen sowie auch für die Bezirkspokal-Wettbewerbe. Beim WFV-Pokal und auch beim Bezirkspokal Rems-Murr der Männer müssten noch die Runden ab dem Viertelfinale ausgetragen werden.

Wie sieht nun der Zeitplan für die endgültige Entscheidung aus? Nach den Beschlüssen des Präsidiums wird sich der Beirat am 15. Mai mit dem Sachverhalt befassen und der Verbandsvorstand bis 20. Mai darüber entscheiden, ob dem Antrag des Präsidiums gefolgt und entsprechende vorläufige Ordnungsänderungen beschlossen werden. Dies allerdings erst nach Anhörung der Mitgliedsvereine in Württemberg, die gestern informiert wurden und nun bis zum 19. Mai die Gelegenheit haben, sich per Nachricht übers WFV-Postfach zu äußern. In Baden und Südbaden gab es ähnliche Umfragen schon und brachten laut Ronny Zimmermann und Thomas Schmidt eine Mehrheit von zwei Drittel für den Saisonabbruch. Eine Beschlussfassung der Delegierten soll bei einem außerordentlichen Verbandstag, gegebenenfalls auch ohne Versammlung, erfolgen. Eine einfache Mehrheit würde dafür schon ausreichen. Im Rahmen dieser Beschlussfassung soll auch die Möglichkeit bestehen, alternativ für eine Saisonfortsetzung ab dem 1. September 2020 zu stimmen. Vorgesehen ist ein Termin für den außerordentlichen Verbandstag zwischen dem 6. und 27. Juni. Jeder Bezirk benennt dabei seine Delegierten.

Gibt es schon Planungen für die neue Saison? Offen bleibt zunächst noch, in welchem Spielmodus die Saison 2020/2021 ausgetragen wird. Es bleibe das Ziel, die Meisterschaftsrunde im gewohnten Rahmen mit Hin- und Rückspielen unter Zuschauerbeteiligung auszutragen. Nachdem aber die weiteren Entwicklungen nicht absehbar sind, will sich der WFV vorbehalten, auch insoweit noch Änderungen durch den Beirat auf Vorschlag des Verbandsspielausschlusses zu beschließen und eventuell kurzfristig zu reagieren.

Kommentar
Richtiger Antrag

Von Heiko Schmidt

Die Verbände anderer Mannschaftssportarten wie Handball, Tischtennis oder Volleyball haben schon lange entschieden, dass die laufende Saison abgebrochen und gewertet wird. Die Amateurfußballer mussten lange genug warten, bis sich der Württembergische Fußballverband aus der Deckung gewagt und einen Antrag vorgelegt hat. Klar ist, dass alle möglichen rechtlichen Konsequenzen abgewägt werden müssen, doch eine Tendenz zu einem früheren Zeitpunkt hätte die Zeit der Spekulationen beendet.

Der favorisierte Antrag für den Saisonabbruch ist zum jetzigen Zeitpunkt der einzig richtige. Schließlich ist keinem Amateurfußballer zuzumuten, seine Gesundheit durch eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus auf dem Fußballfeld aufs Spiel zu setzen. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn die Delegierten bei den Verbandstagen im Juni dem Vorschlag folgen würden.

h.schmidt@bkz.de