Schiedsrichter im Fokus: „Augen und Ohren fürs Publikum“

Von Von Ulrike John und Patrick Reichardt, dpa

dpa Frankfurt/Main. So viele Spielunterbrechungen in wenigen Tagen hatten die Bundesliga-Referees noch nie. Wie gehen sie mit aufgeheizten Situation im Fußball um? Und was lädt man ihnen noch alles auf?

Schiedsrichter im Fokus: „Augen und Ohren fürs Publikum“

Im Fokus: Schiedsrichter Christian Dingert (M) beim Spiel Hoffenheim gegen Bayern. Foto: Michael Probst/AP/dpa

Auch bei den Spitzenschiedsrichtern gibt es dieser Tage nur noch ein Thema: der Machtkampf zwischen dem DFB und den Ultra-Fans.

Im Auge des Sturms stehen dabei die Bundesliga-Referees, die auf dem Rasen über Spielunterbrechungen und Abbrüche entscheiden sollen. Auch das noch. Nicht genug damit, dass Felix Brych, Deniz Aytekin, Manuel Gräfe und Co. seit langem mit dem Videobeweis und seit kurzem mit den verschärften Anstandsregeln für Trainer und Spieler zu kämpfen haben.

Der langjährige Bundesliga-Schiedsrichter Knut Kircher sieht die Unparteiischen angesichts der andauernden Proteste auf den Rängen unter großem Druck. „Es ist schwierig, weil eine weitere Aufmerksamkeitsquelle hinzukommt, weil man auch Augen und Ohren fürs Publikum haben muss“, sagte der 51-Jährige aus Rottenburg der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“. Er sage aber nicht, dass man den Schiedsrichtern zu viel zumutet: „Er ist ja auch nicht allein, er hat seine beiden Assistenten und den Vierten Offiziellen.“

„Konzentriert euch auf die Spielleitung!“ Diese Devise hat der Deutsche Fußball-Bund jetzt intern ausgegeben. Man will die Unparteiischen nicht überfordern in diesen schwierigen Zeiten.

Bei diskriminierenden und ausgrenzenden Plakaten - egal, welcher Art - würde Deniz Aytekin nach eigener Aussage einschreiten, wenn er als Videoschiedsrichter im Kölner Keller eingesetzt würde - und gar nicht zuständig wäre. „Ich lasse Richtlinien in einer Schublade verschwinden, wenn ich solche diffamierenden Plakate sehe. Da ist mir jede Anweisung egal. Da geht es am Ende des Tages darum, dass wir den Sport sauber machen“, sagte der deutsche „Schiedsrichter des Jahres“ im Podcast „kicker meets DAZN“ auch angesichts der Hass-Plakate allerorten gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp.

Mit einem möglichen Spielabbruch hat sich Aytekin natürlich schon beschäftigt: „Ich kann niemanden zwingen zu spielen. Wenn ein Verein sagt, wir sehen uns unter den Umständen nicht in der Lage, weiter Fußball zu spielen. Dann respektiere ich das.“ Alles weitere werde dann im Nachgang geregelt, so der 41-Jährige aus Oberasbach. 

Wie komplex die Aufgabe der Schiedsrichter ohnehin schon ist, wurde zuletzt bei einer bemerkenswerten ARD-Dokumentation über Aytekin deutlich. Dabei war erstmals zu hören, wie der „Schiedsrichter des Jahres“ bei einem Spiel via Headset mit seinen Assistenten auf dem Platz und im Videokeller von Köln kommunizierte. Für Außenstehende ein Trommelfeuer an Kommentaren auf den Ohren. Mit den Augen war Aytekin natürlich beim Spiel, verbal musste er immer wieder aufgeregte Trainer und Spieler einfangen.

Per Funk ist ein Bundesliga-Schiedsrichter wie Aytekin auch mit dem vierten Offiziellen verbunden. Der steht an der Seitenlinie zwischen den Coachingzonen und hat zumindest nach drei Seiten guten Blick auf die Zuschauer. Auf der Tribüne sitzt zudem der Schiedsrichter-
Beobachter beziehungsweise -Coach des DFB, meist ein erfahrener Kollege wie die früheren Erstliga-Referees Kircher, Eugen Strigel oder Lutz Wagner. Diese beraten, wie Wagner am Samstag beim Skandalspiel Hoffenheim - FC Bayern, nach einer Spielunterbrechung gemäß dem Drei-Stufen-Plans auch über das weitere Vorgehen mit.

Nach Meinung von DFB-Vizepräsident Rainer Koch „muss allerdings daran gearbeitet werden, dass die Schiedsrichter rechtzeitig besser und schneller über etwaige Vorfälle informiert werden, wenn sie diese selbst nicht wahrgenommen haben“, sagte der Jurist in einem Interview von „Legal Tribune Online“. Deshalb denke man „über Maßnahmen nach, wie wir ein Schiedsrichterteam in Zukunft besser unterstützen können“.