Spanien mit Sieger-„Spirit“ - Schweiz enttäuscht und stolz

dpa St. Petersburg. Es war kein so glanzvolles Spiel wie die Partien der beiden davor. Aber Spanien ist da, wo Frankreich nicht ist, wo Deutschland nicht ist und auch Portugal nicht. Im Halbfinale. Für die Schweiz reichte es nicht. Dennoch: Der Stolz überwiegt.

Spanien mit Sieger-„Spirit“ - Schweiz enttäuscht und stolz

Spaniens Spieler feiern in St. Petersburg ihren Sieg im Elfmeterschießen. Foto: Kirill Kudryavtsev/Pool AFP/AP/dpa

Sie lieferten erst am Montag beide ein ziemliches Spektakel, beim direkten Duell wurde es nicht mehr so mitreißend.

Dafür aber spannend mit einer aufopferungsvoll kämpfenden Schweizer Mannschaft in Unterzahl und einer spanischen Mannschaft, die Mühe hatte, auf dem Weg zum angestrebten Titeltriumph bei der Fußball-EM aber auch solche Spiele braucht, die neue Helden schaffen.

GRANDE UNAI SIMÓN

Das größte Kompliment kam von einem, der in der Riege ikonischer spanischer Torhüter ganz weit vorne steht: Iker Casillas, Weltmeister und zweimaliger Europameister. 2008 hatte er sich mit den Spaniern bei der EM im Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen den damaligen Weltmeister Italien durchgesetzt. Bei der EM 2012 zogen Casillas und sein Team im Elfmeterschießen gegen Portugal ins Finale ein. Diesmal ebnete Unai Simón den Spaniern im Elfmeterschießen gegen die Schweizer das Weiterkommen ins Halbfinale. „Grande Unai Simón“, huldigte Casillas dem aktuellen Keeper via Twitter nach dem 3:1 vom Punkt. Simón sei ein „Elfmeterkiller“, betonte Trainer Luis Enrique.

Und der Held des Nervenspiels? Der Torwart von Atletic Bilbao, der am Montag gegen Vizeweltmeister Kroatien mit einem skurrilen Fehltritt am Ball vorbei ein Eigentor von Pedri verschuldet hatte, gab zu: „Natürlich schwebt man da am Ende.“ Verraten, was Trainer Luis Enrique ihm vorher gesagt hatte, wollte er aber nicht. Dafür sprach Mikel Oyarzabal. „Als 'Busi' (Sergio Busquets) verschoss, drehte ich mich um und sagte zu Unai, dass er drei Elfmeter halten würde. Ich war mir sicher, dass dies sein Tag war und habe ihm das gesagt.“

DER GEIST DER SPANIER

Manche kriegen einen Lagerkoller. Vielleicht ist das bei dieser Reise-EM mit ihren elf Spielorten schwierig. Bei den Spaniern hat sich vor allem eines gebildet. Ein Spirit, der die Mannschaft zusammenschweißt. „Widrigkeiten zu überstehen, macht uns stärker“, sagt Mittelfeldmann Koke.

Kurz vor dem Turnier waren es der Corona-Fall Busquets und ein weiterer falsch-positiver Test. Dann gab es Kritik am Trainer und an der Mannschaft nach den beiden Auftakt-Remis. Doch diese spanische Mannschaft ist nicht nur spielerisch und im Ballbesitz, sondern auch mental offensichtlich sehr stark.

Der Psychologe, der mit dem Team zusammenarbeitet, zahlt sich aus. Denn dass diese Mannschaft nach fünf verschossenen Strafstößen in Serie aus dem Spiel heraus - angefangen mit einem verschossenen Doppelpack von Sergio Ramos gegen die Schweiz im November vergangenen Jahres - ausgerechnet im Elfmeterschießen gegen einen grandios aufgelegten Yann Sommer weiterkommt, belegt eindrucksvoll, dass die Spieler all das nicht besonders nah an sich herankommen lassen.

DER STOLZ DER EIDGENOSSEN

Ein bisschen dürfen sich die Schweizer fühlen wie ein Europameister der Herzen. Nie aufgegeben, selbst in Unterzahl, rund 45 Minuten lang. „Das Abenteuer für die Schweizer Nationalmannschaft an der EURO 2020 endet hier. Aber die Werte des Zusammenhalts, der Entschlossenheit und des Teamgeistes, die von den Spielern und dem Staff gelebt wurden, bleiben in Erinnerung“, schrieb Bundespräsident Guy Parmelin bei Twitter: „Bravo für die schöne Reise. Ihr habt uns zum Träumen gebracht.“

Und selbst die Spieler sprachen nach den ersten getrockneten Tränen immer vom Stolz auf diese Mannschaft, die den Weltmeister Frankreich aus dem Turnier geworfen und den Mitfavoriten Spanien ordentlich Mühe gemacht hatte. „Heroisch“, sagte Trainer Vladimir Petkovic. „Wir haben etwas unglaubliches erreicht mit dieser Mannschaft“, betonte der ehemalige Bayern-Profi Xherdan Shaqiri.

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