Teure Sehnsucht nach magischen Worten: „You are an Ironman“

dpa Kailua-Kona. Es wird für viele ein langer, ein beschwerlicher Tag am Rande des Erträglichen und darüber hinaus. 17 Stunden haben sie Zeit für den Ironman auf Hawaii und die magischen Worte im Ziel. Eine Grenzerfahrung, teuer, entbehrungsreich, einzigartig.

Teure Sehnsucht nach magischen Worten: „You are an Ironman“

Kehrt nach zehn Jahren zum Ironman zurück: Triathlet Andreas Niedrig. Foto: Privat/dpa

Auf Hawaii klingen sie noch besser, die vier magischen Worte: „You are an Ironman.“

Auf Hawaii sind sie für viele die ultimative Erfüllung eines sportlichen Lebenstraums, der Disziplin, Entbehrungen und viel Geld kostet. Auf Hawaii sind sie der Lohn und das überwältigende Finale eines langen Weges.

Rund 2400 sogenannte Altersklassenathleten werden auch an diesem Samstag zur 41. Auflage der Ironman-Weltmeisterschaft antreten. 30 Minuten nach dem Start des Männer-Profifeldes, angeführt vom deutschen Weltmeister-Trio Patrick Lange (2017 und 2018), Jan Frodeno (2015 und 2016) und Sebastian Kienle, werden die Altersklassen nacheinander auf die 3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen geschickt.

Die schnellsten Profis schaffen es in plus/minus acht Stunden. Die Amateure haben 17 Stunden Zeit. Der Kurs ist für beide derselbe. Wo gibt es das sonst schon? Bilder von Hobbysportlern, die zwischen Staunen, Stolz und Bewunderung künftigen Weltmeistern beim Überholen hinterherschauen und sie mit den letzten Kräften anfeuern.

Im Ziel warten dann um Mitternacht die Schnellsten auf die Langsamsten. Das ist gute alte Ironman-Tradition. So wie vor einem Jahr, als der sage und schreibe 86 Jahre alte Japaner Hiromu Inada unter dem frenetischen Jubel der Zuschauer die letzten Meter auf dem Roten Teppich bewältigte und nach 16:53:49 Stunden ins Ziel kam, wo ihn unter anderem der alte und neue Weltmeister Patrick Lange empfing. Wiederholung nicht ausgeschlossen: Inada tritt nun mit 87 Jahre erneut an. Und Lange will den Hattrick.

„Der Zieleinlauf ist natürlich das Highlight“, sagte Lange einmal zu den Erinnerungsmomenten bei seinem ersten Triumph auf Hawaii: „Witzigerweise ist der aber gar nicht mehr so richtig vorhanden in meiner Erinnerung. Der ist so emotionsüberladen, dass da gar nicht mehr so viel von da ist.“

Ob Weltmeister oder einfach nur „Finisher“, ob Profi oder Amateur - auch wenn ein Pensum vom wöchentlich etwa 18 Stunden plus X der Altersklassenathleten im Wasser, auf dem Rad oder in Laufschuhen kaum amateurhaft klingt - es sind die letzten Meter der 226,2 Kilometer auf dem Roten Teppich, in denen die Emotionen verrückt spielen.

Einer, der es nur allzu gut kennt, ist Andreas Niedrig. Auch ihn hat es wieder nach Hawaii gelockt. Zehn Jahre nach seinem letzten Rennen dort als Profi. 51 Jahre ist Niedrig alt, seinen 52. Geburtstag feiert er am Renntag. „Manche sagen, ich würde in meiner Altersklasse Weltmeister. Ehrlich? Mir ist das nicht mehr wirklich wichtig. Was ich will, ist das Ziel erreichen. Und wenn ich wandern muss“, sagt der Athlet, der einst nach einer Drogensucht den Weg zum Sport fand und 2001 WM-Siebter bei den Profis wurde, in einem dpa-Gespräch.

Niedrig macht jetzt das, was für viele auch zum Hawaii-Erlebnis gehört: Er genießt es. Der Westfale aus Oer-Erkenschwick („Der Pott ist auch meine Heimat“) freut sich über Schwimmeinheiten mit Meeresschildkröten, sitzt abends am legendären White Sand Beach, den auch schon die einstige Hawaiianische Ikone Israel Kamakawiwo?ole in einem Lied besang, und schaut auf die Wellen des Pazifiks. Dass am Abend vor Niedrigs Abreise die Unterkunft für sich und seine Familie storniert wurde, dass er seiner Frau unter Tränen sagte: „Ich bleibe zu Hause“, dass er dann doch, aber ohne Bleibe in den Flieger stieg - vergessen.

Eher aus reinem Spaß hatte er sich recht kurzfristig zu seinem Qualifikationsrennen im August in Kopenhagen angemeldet. „Wir haben da eine Männerwoche draus gemacht.“ An deren Ende er mit einer kleinen Plakette, die jeder Hawaii-Qualifikant bekommt, heimreiste. Rund 40 Ironman-Rennen gibt es mittlerweile weltweit, bei denen sich die Triathleten für die WM qualifizieren können. In Deutschland sind es der Ironman Hamburg und die Ironman-EM in Frankfurt.

Für die Profis gibt es einen sogenannten Slot pro Rennen, bei den Kontinental-Meisterschaften mindestens zwei. In den Altersklassen werden 40 bis 80 auf die verschiedenen Jahrgänge verteilt. Vergeben werden die Kona-Startplätze bei offiziellen Zeremonien am Tag nach den jeweiligen Ironman-Rennen. Es herrscht Anwesenheitspflicht. Und die WM-Startgebühr von rund 1000 Euro muss per Kreditkarte sofort bezahlt werden. Für die andere Ironman-Rennen werden 500 bis 600 Euro nur für die Teilnahme fällig.

Nicht jeder, der es sportlich schafft, will - oder kann - aber nach Hawaii reisen. Die Kosten können das Budget einfach übersteigen. Das Magazin „Triathlon“ errechnete mal, dass der Trip inklusive aller Ausgaben vorher auf dem Weg nach Hawaii, darunter auch die teilweise sündhaft teuren Rennräder, 20.000 Euro kosten kann. Wer es sich leisten kann und will, wer anreist, antritt und es schafft, den erwarten die vier magischen Worte.