Während dem FC Liverpool ein traumhafter Saisonstart gelingt, läuft es bei Neuzugang Florian Wirtz noch nicht rund. Erste Kritik regt sich. Eine deutsche Vereinsikone macht dem Nationalspieler Mut.
Trotz seiner bisher durchwachsenen Bilanz in England will Florian Wirtz "cool bleiben".
Von Von Philip Dethlefs, dpa
London - Sieben Spiele, eine Vorlage, kein Tor: Florian Wirtz konnte die in ihn gesetzten hohen Erwartungen beim FC Liverpool bisher nicht erfüllen. Während sein Team einen Sieg nach dem anderen einfährt, vernimmt man inzwischen sogar verhaltene Kritik am deutschen Nationalspieler, der im Sommer für die Rekordsumme von 125 Millionen Euro nach England wechselte. Doch Wirtz, der beim Ligapokal-Sieg gegen den FC Southampton (2:1) nicht im Kader stand, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen - was ihm auch Liverpool-Legende Jürgen Klopp empfiehlt.
"Ja, natürlich hätte ich mir auch schon gewünscht, dass ich schon ein Tor gemacht hätte oder schon ein bisschen Scorer-Punkte gesammelt hätte", sagte der 22-Jährige in einem Sky-Interview. "Aber egal, was irgendwer sagt, ich bleibe cool."
Wirtz ein "Störfaktor"?
Als Wirtz im Sommer mit großen Vorschusslorbeeren verpflichtet wurde, galt das in Anfield als Schritt in eine titelreiche Zukunft. Britische Medien waren voll des Lobes für den Mittelfeldspieler, der maßgeblichen Anteil an Bayer Leverkusens Double-Gewinn 2024 hatte. Doch in Anfield konnte Wirtz, der bei der Wahl des Ballon d'Or nur auf Platz 29 landete, seine ganze Qualität bislang nicht zeigen.
"Florian Wirtz findet momentan einfach nicht zu seinem Spiel", fasste es die Boulevard-Zeitung "The Sun" zusammen. "Wirtz kam von Bayer Leverkusen, um dichte Abwehrreihen zu knacken, doch auf den erlösenden Moment wartet er noch", schrieb die "Times" nach Liverpools 2:1-Sieg gegen Everton, bei dem der Neuzugang erst nach 60 Minuten eingewechselt worden war. "Zwar wurden zwei wuchtige Abschlüsse geblockt und ein weiteres Mal verzog er knapp, doch auch seine Pässe waren nicht immer präzise – geschweige denn durchschlagend."
In der Offensive setzte Liverpool-Coach Arne Slot gegen Everton auf Alexis Mac Allister, Dominik Szoboszlai und Ryan Gravenberch, der das erste Tor erzielte. "The Independent" unterstellte daraufhin, Slot stehe seit Wirtz' Ankunft vor einem Dilemma: "Der Deutsche ist ein Störfaktor in einem Trio von Titelgewinnern. Er und Liverpool müssen sich erst aneinander gewöhnen." Immerhin habe das Champions-League-Match gegen Atlético Madrid (3:2) Anlass für Zuversicht gegeben.
Wirtz selbstbewusst: "Wird schon irgendwann kommen"
"Ich weiß, was ich kann und ich weiß auch, dass ich das irgendwann so richtig auf den Platz bekomme", sagte Wirtz selbstbewusst. "Deswegen bleibe ich einfach cool."
Der Ratschlag, cool zu bleiben, fand sich auch in einer Nachricht von Vereinsikone Jürgen Klopp. Der frühere Liverpool-Coach schickte dem Premier-League-Neuling ein paar gut gemeinte Tipps. Klopp ist überzeugt, dass die Fans Wirtz Zeit geben werden.
"Ich will das gar nicht die ganze Zeit hören", betonte der hochveranlagte Profi. "Sondern ich versuche einfach jedes Mal aufs Neue zu versuchen, es besser zu machen als vorher. Und manchmal gibt es einfach so Phasen, in denen dann vielleicht nicht alles für dich läuft, das hatte ich tatsächlich noch nicht so oft in meiner Karriere. Wenn ich es überstanden habe (...), wird das schon irgendwann kommen und dann ist auch alles gut."
Slot: "Müssen ihm nicht beibringen, wie man Fußball spielt"
Der 22-Jährige hatte zuvor selbst eingeräumt, dass er sich erst noch an die Intensität des englischen Fußballs gewöhnen müsse. Sein Trainer in Liverpool ist überzeugt, dass Wirtz schon bald das zeigen wird, wofür er im Sommer aus Leverkusen geholt wurde. "Er passt sich meiner Meinung nach sehr gut an", sagte Slot. "Wir müssen ihm nicht beibringen, wie man Fußball spielt. Er muss sich nur an das Intensitätsniveau der Premier League anpassen."
Das werde mit jedem Spiel besser, betonte der niederländische Coach, der Wirtz als "Künstler, der auch hart sein kann" bezeichnete und ihm harte Arbeit attestierte. "Er will immer den Ball haben, selbst wenn es ein paar Momente gibt, in denen wir das Gefühl haben, dass er es besser machen könnte. Er will den Ball einfach immer behalten, versucht es immer wieder. Und er wird immer besser und fitter."
Nagelsmanns Forderung an Wirtz: "Etwas riskieren"
Dass sich Wirtz in England durchsetzt, wäre auch im Sinne von Bundestrainer Julian Nagelsmann. Nach dem deutschen Sieg gegen Nordirland in der WM-Qualifikation schickte er seinen "wichtigsten Offensivspieler" mit einem klaren Auftrag zurück auf die Insel. "Er soll etwas probieren, er soll etwas riskieren", forderte Nagelsmann. "Für ihn ist es wichtig, dass in Liverpool der Knoten platzt. Ich hoffe, dass er ein Tor schießt und mal eins vorlegt."
Bei Liverpool 2:1-Sieg gegen den FC Everton wurde Florian Wirtz erst nach einer Stunde eingewechselt.