Traumjob Fußballmanager?

Von Michael Reschke bis Christian Heidel – statt des Trainers fliegt in der Fußball-Bundeliga zurzeit der Sportchef

Von Marko Schumacher

Analyse - Das Beben in der Bundesliga: warum Jochen Schneider Sportvorstand auf Schalke wird und warum vieleClubs verzweifelt nach weiteren Sportdirektoren suchen.

Stuttgart Die Eilmeldungen der Nachrichtenportale rauschen am Dienstagnachmittag in die Welt und enthalten eine faustdicke Überraschung: Der FC Schalke 04 ist bei seiner Suche nach einem neuen Sportvorstand fündig geworden und hat sich mit Jochen Schneider geeinigt. Der 48-Jährige, von 1999 bis 2015 für den VfB Stuttgart tätig und seither Fußballkoordinator bei Red Bull, tritt ab sofort die Nachfolge von Christian Heidel an und bekommt einen Vertrag bis 2022.

„Er ist ein Sportvorstand, der alle Anforderungen erfüllt“, jubelt Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Von einer „große Ehre“ und „Riesenherausforderung“ spricht Schneider selbst. Dennoch weiß man nicht so recht, ob man den Fußballfachmann von der Ostalb tatsächlich beglückwünschen oder eher bemitleiden soll.

Der Beruf des Bundesliga-Managers gilt gemeinhin als Traumjob, zumal bei einem Großclub wie Schalke mit seinen mehr als 150 000 Mitgliedern. Doch hat er sich neuerdings immer öfter zum Albtraum entwickelt. Nicht wie sonst üblich die Trainer sind zuletzt die Sündenböcke gewesen, sondern die Chefs, die sie verpflichtet haben. Auf Schalke warf am Samstag Heidel frustriert hin, beim VfB Stuttgart musste zuvor Michael Reschke gehen, beim 1. FC Nürnberg wurde Andreas Bornemann entlassen, weil er sich geweigert hatte, Trainer Michael Köllner zu feuern. Diese Aufgabe übernahm am Tag darauf der Aufsichtsrat.

Das Aus der drei Sportvorstände binnen weniger Tage illustriert wieder einmal, dass sich der Wind nirgends schneller dreht als im Fußball. Gefeiert wurde Bornemann noch im vergangenen Sommer, weil er es mit bescheidenen Mitteln geschafft hatte, den Club zurück in die Bundesliga zu führen. Viel Beifall bekam zur gleichen Zeit Reschke, nachdem der VfB erst die zweitbeste Rückrundenmannschaft geworden war und danach zügig vermeintlich vielversprechende Neuzugänge verpflichtet wurden. Über höchste Anerkennung durfte sich auch Heidel freuen, der mutig genug war, den Jungtrainer Domenico Tedesco aus Aue ins Revier zu holen. Unter dem früheren Jugendcoach des VfB wurde Schalke auf Anhieb Vizemeister.

Der Heidel, beim 1. FSV Mainz einst Entdecker der heutigen Startrainer Jürgen Klopp und Thomas Tuchel, ist halt ein Fuchs, sagten sie, der Reschke, zuvor erfolgreicher Kaderplaner bei Bayer Leverkusen und dem FC Bayern, ein Perlentaucher. Und jetzt? Sind beide schwer gescheitert. Wie konnte das nur passieren?

Mag sein, dass das Klima auf Schalke rauer und die Erwartungshaltung viel größer ist als im beschaulichen Mainz, wie Heidel feststellen musste. Mag sein, dass für die Arbeit an der Front andere Eigenschaften nötig sind als beim Planen im Hintergrund, wie Reschke zu spüren bekam. Ihren Instinkt und ihr Fachwissen können sie aber kaum so plötzlich verloren haben.

Es ist das große Faszinosum des Profifußballs, dass die Clubs einerseits inzwischen mittelständische, hoch professionell geführte Unternehmen sein mögen, der Erfolg andererseits aber noch immer nur bedingt planbar ist. Springt der Ball samstags vom Innenpfosten ins Netz, ist alles gut, springt er zurück ins Spielfeld, ist alles schlecht. „Der Faktor Zufall und das Quäntchen Glück spielen noch immer eine wichtige Rolle“, sagt Fredi Bobic: „Am Ende entscheidet sich auf dem grünen Rasen, ob du als Manager erfolgreich bist oder nicht.“

Wer wüsste das besser als er?

Beim VfB hat man Bobic einst davongejagt (und vorübergehend durch Jochen Schneider ersetzt), bei Eintracht Frankfurt zeichnet er nun für die derzeit vielleicht aufregendste Offensive der Bundesliga verantwortlich. Der„Kicker“ kürte Bobic zum „Mann des Jahres 2018“. Es gebe vieles, was in Frankfurt anders sei als in Stuttgart, sagt Bobic, ein „entscheidender Unterschied“ sei aber, dass er nun einen Teammanager an seiner Seite habe. Bruno Hübner sei rund um die Uhr bei der Mannschaft und halte ihn, den Sportvorstand, jederzeit auf dem Laufenden. „Anders würde es auch gar nicht mehr funktionieren“, sagt Bobic: „Die Aufgaben eines Sportchefs sind so vielfältig geworden, dass du das alleine gar nicht mehr bewerkstelligen kannst.“ Um so erstaunlicher, dass in diesen Zeiten, in denen die Zahl der Spezialisten rund um die Mannschaft immer größer wird, sowohl der VfB als auch Schalke das sportliche Management bis zuletzt nur einem starken Mann anvertraut haben. Vergeblich hatte Heidel bereits im vergangenen Sommer darum geworben, den Posten eines Sportdirektors zu schaffen, der ihn entlastet. In Stuttgart ist der Job eines Technischen Direktors zwar längst budgetiert, besetzt aber ist er noch immer nicht. „Sicher hätte mir ein starker Partner geholfen“, sagte Reschke nach seinem Aus.

Andere Clubs sind weiter. Borussia Dortmund hat zuletzt eine Hierarchieebene unter Sportchef Michael Zorc geschaffen und den Ex-Nationalspieler Sebastian Kehl zum „Leiter der Lizenzspielerabteilung“ ernannt. In Wolfsburg hat sich Jörg Schmadtke zu Saisonbeginn Marcel Schäfer als Sportdirektor dazu geholt. In gleicher Funktion ist in Leverkusen Simon Rolfes eingestiegen, der dort Rudi Völler zuarbeitet. Das hat zuvor übrigens Jonas Boldt getan, der seinerseits im Gespann mit Michael Reschke auf Schalke im Gespräch war, ehe nun Jochen Schneider dazwischengrätschte. Beim VfB Stuttgart wiederum ist Thomas Hitzlsperger als neuer Sportvorstand auch damit beschäftigt, Unterstützung im Tagesgeschäft zu suchen.

Nicht auszuschließen, dass er sich dabei mit Jochen Schneider ins Gehege kommt, seinem langjährigen Mitstreiter aus besseren VfB-Zeiten und Vorvorvorgänger im Amt des Sportchefs. „Zu seinen ersten Aufgaben beim FC Schalke 04“, so teilt sein neuer Club mit, „wird es nun gehören, einen neuen Sportdirektor zu benennen.“