Unions Zaunfest stellt Corona-Regeln auf Probe

Von Von Arne Richter, dpa

dpa Berlin. Es war ein Hauch normale Fußball-Stimmung. Ein Zaun mit Plakaten. Auf der einen Seite Fans, auf der anderen Spieler. Gesänge von der einen Seite. Verschwitzte Trikots als Dank von der anderen. Die Aktion wirft Fragen zum Corona-Konzept auf und weckt Sorgen vor Nachahmern.

Unions Zaunfest stellt Corona-Regeln auf Probe

Während es auf zwischen den Eisernen und Schalke hoch her ging schallte aus dem nahen Wald der Gesang von Union-Fans ins Stadion. Foto: Michael Sohn/AP POOL/dpa

Die Polizei hat keine Einwände, die DFL schreitet nicht ein. Der heikle Jubel der Profis von Union Berlin mit rund 30 fröhlich singenden Fans am Stadionzaun bleibt ohne Konsequenzen.

Und doch haben die fußball-nostalgischen Feierlichkeiten in der Alten Försterei der Debatte um die strengen Hygiene-Regeln der Bundesliga in der Corona-Zeit neue Nahrung gegeben. Fragen wirft das Verhalten nach dem 1:1 der Eisernen gegen den FC Schalke 04 auch für den Saison-Endspurt auf, sollten die heiteren Bilder aus Berlin-Köpenick dort oder an anderen Spielorten Nachahmer in großen Scharen finden.

Was ist im Fußball nun erlaubt, wenn in anderen gesellschaftlichen Bereichen Vorschriften und Einschränkungen gelockert werden? Die Dortmunder Profis Jadon Sancho und Manuel Akanji wurden von der Deutschen Fußball Liga für ihre Friseurbesuche noch mit Geldstrafen belegt. Die Union-Profis, die teilweise während des Spiels den Regeln folgend noch mit Masken und Abstand auf der Tribüne sitzen mussten, konnten kurz darauf problemlos zu mehr als zwei Dutzend Anhängern marschieren und ihre verschwitzten Trikots über den Zaun reichen.

Schon in der Vorwoche hatte Bayer Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler die Frage aufgeworfen, ob die unter anderen gesamtgesellschaftlichen Voraussetzungen formulierten Regularien noch aktuell sind. „Mittlerweile ist es schwer nachvollziehbar, dass Menschen in Cafés ohne Mundschutz ihren Cappuccino trinken dürfen, während unsere Co-Trainer, die Ersatzspieler und wir Offiziellen auf der Tribüne mit großem Abstand und an der frischen Luft noch eine Maske tragen müssen.“

Im Konzept der „Task Force Sportmedizin / Sonderspielbetrieb“ der DFL heißt es unter den Vorgaben zu hygienischen Aspekten: „31. WICHTIG: Im Stadion wird der Blick der Öffentlichkeit auf den Profi-Fußball, die Teams und Akteure in der aktuellen Situation nochmals größer sein als bisher. Wir bitten dringend um vorbildliches Verhalten bezüglich der Hygiene- und Isolierungsmaßnahmen außerhalb des Spielfeldes.“ In den Vorgaben für die „häusliche private Hygiene“ sind den Profis „Kontakte zur Nachbarschaft und Öffentlichkeit“ untersagt.

Tatsächlich waren sich die von Torwart Rafal Gikiewicz angeführten Union-Profis und die Fans trotz des Zauns als Barriere recht nahe gekommen. Ob ein Meter oder zwei Meter oder doch sogar noch mehr ließ sich im Einzelfall nicht bemessen. Die Berliner Polizei, die das Verhalten der Union-Fans als „friedlich und kooperativ“ bezeichnete, richtet sich schon darauf ein, dass die Aktion Nachahmer mit schlechteren Manieren finden wird.

Eine mögliche Aufstockung der Einsatzkräfte beim nächsten Heimspiel des Aufsteigers gegen den SC Paderborn am 16. Juni schloss ein Sprecher nicht aus. „Das ziehen wir in Betracht. Es gibt eine fortdauernde Lagebewertung“, hieß es am Montag auf Anfrage. Sollte es künftig zu Verstößen gegen Corona-Verordnungen kommen, könne man „schnell genug Kräfte“ bereit haben, hieß es.

Die von vielen befürchteten großen Fanansammlungen wie nach dem Rheinderby zwischen Borussia Mönchengladbach und dem 1. FC Köln im März vor dem Lockdown könnten womöglich doch noch Realität werden. Gerade, wenn in Kürze Fan-Partys zu Titelgewinn oder Klassenverbleib anstehen. Solche Szenarien waren von der Politik als echtes Risiko für den Not-Spielbetrieb der Bundesliga bezeichnet worden. Und noch müssen vier komplette Spieltage absolviert werden.

Die Sehnsucht nach Normalität beschränkt sich nicht auf die Fans. Auch Unions Torschütze Robert Andrich freute sich über die Zaun-Party: „Das ist natürlich überragend und in der Zeit mal richtig schön.“ Jedes mögliche Fehlverhalten hatte Union umgehend zurückgewiesen: „Alle haben die Abstandsregeln eingehalten. Es war also alles gewährleistet, was notwendig sein muss, um Infektionen vorzubeugen. Insofern keine Beanstandungen von keiner Seite“, sagte Medienchef Christian Arbeit.

Die Union-Fans hatten das ganze Spiel hinter der Tribüne auf der Wald-Seite des Stadions an der Alten Försterei gesungen. Die besondere Architektur der Arena macht es möglich, dass sie dem Stadion ganz nah kommen konnten, ohne auf das Areal zu müssen und ihre Lieder während des Spiels gut hörbar waren. Das würde anderswo in der Bundesliga kaum funktionieren. Geschickt hatten sie sich auf Kleingruppen verteilt, so dass sie der aktuellen „Verordnung über erforderliche Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus in Berlin“ genüge taten.