Poulidor-Enkel van der Poel im Gelben Trikot

Von Von Stefan Tabeling und Tom Bachmann, dpa

dpa Mûr-de-Bretagne. Fan-Massen am Straßenrand, schwere Stürze im Feld und ein heißer Kampf um das Gelbe Trikot: Das Auftakt-Wochenende der 108. Tour de France hat es in sich.

Poulidor-Enkel van der Poel im Gelben Trikot

Mathieu van der Poel triumphierte an der Mur-de-Bretagne. Foto: Pool Jan De Meuleneir/BELGA/dpa

Mathieu van der Poel zeigte mit dem Finger gen Himmel, weinte hemmungslos im Ziel und widmete sein erstes Gelbes Trikot seinem legendären Großvater Raymond Poulidor.

„Ich habe es für ihn gewonnen. Leider kann er nicht hier sein. Es wäre ein schönes Foto geworden“, sagte der niederländische Cross-Weltmeister nach seiner Triumphfahrt an der berüchtigten Mûr-de-Bretagne in Gedenken an seinen in Frankreich verehrten und 2019 gestorbenen Großvater.

Poulidor, acht Mal in Paris auf dem Podium, war es nie vergönnt, das Gelbe Trikot einmal zu tragen. Es war der spektakuläre Höhepunkt eines fulminanten Auftakt-Wochenendes bei der 108. Tour de France, das auch von schweren Massenstürzen begleitet worden war.

„Ich bin sprachlos, dass es geklappt hat“

„Ich wusste, das ist meine letzte Chance auf Gelb“, sagte van der Poel, nachdem er Auftaktsieger Julian Alaphilippe an der Spitze der Gesamtwertung abgelöst hatte. „Ich musste mit Vorsprung gewinnen. Ich bin sprachlos, dass es geklappt hat. Man kann davon träumen, aber wenn es wahr wird, ist es unglaublich“, fügte der 26-Jährige hinzu.

Van der Poel war auf dem gut zwei Kilometer langen Schlussanstieg mit durchschnittlich 6,9 Prozent Steigung im Alpe d'Huez der Bretagne nicht zu stoppen und verwies nach 183,5 Kilometern den slowenischen Tour-Champion Tadej Pogacar und den Vorjahreszweiten Primoz Roglic auf die Plätze.

Am Vortag hatte er beim Finale furioso noch gegen Alaphilippe das Nachsehen. So erfreuten sich die Gastgeber nur einen Tag am Gelben Trikot ihres Weltmeisters. Allerdings dürfen sie auch ein Stück weit den ersten Sieg von van der Poel für sich reklamieren. Schließlich trägt der Allrounder die Gene von Poulidor in sich.

Einige schwere Stürze

Van der Poel liegt nun acht Sekunden vor Alaphilippe und 13 Sekunden vor Pogacar. „Das Gelbe Trikot ist magisch. Es war ein schönes Wochenende“, betonte Alaphilippe, der am Samstag in Landerneau triumphiert hatte. Das Gelbe Trikot auf den Schultern des Franzosen hatte fast schon Tradition, nachdem er 2019 insgesamt 14 und im vergangenen Jahr drei Tage vorne gelegen hatte.

Zur traurigen Tradition gehören am Anfang der Frankreich-Rundfahrt zudem die schweren Stürze, was auch mit der Rückkehr der Zuschauermassen zu tun hatte. Leidtragender war am Samstag Tony Martin, der durch eine Frau mit einem Pappschild zu Fall gebracht worden war und dadurch einen Massensturz ausgelöst hatte.

„Manche Zuschauer haben einfach keinen Respekt und schalten auch nicht mehr den Kopf ein“, schimpfte Martin, der von „einem der schlimmsten Stürze“ in seinen 13 Jahren Tour-Jahren sprach. Die Tour-Organisation ASO hat inzwischen die Justiz eingeschaltet. Es gebe Ermittlungen gegen die Frau wegen vorsätzlicher Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, teilte die Polizei mit. Zunächst muss die Übeltäterin aber ausfindig gemacht werden. Alaphilippe appellierte an die „Wachsamkeit der Leute“ und betonte: „Alle freuen sich, dass die Menschen wieder am Straßenrand stehen. Aber seid vorsichtig, passt auf!“

Duell der Stars an der Mûr-de-Bretagne

Wenigstens am Sonntag kam das Feld halbwegs sicher ins Ziel, was auch daran lag, dass die Mûr-de-Bretagne bereits 15 Kilometer vor dem Ziel das erste Mal passiert werden musste und das Feld dabei auseinanderriss. Bereits bei der ersten Überquerung kam es zum Duell der Stars, schließlich ging es um Bonussekunden. Van der Poel holte sich acht Sekunden vor Pogacar und Roglic.

Gleich zwei Massenstürze am Samstag hatten gut die Hälfte des Feldes in Mitleidenschaft gezogen. Auch der viermalige Champion Chris Froome, der zwei Jahre nach seinem schlimmen Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt sein Comeback gegeben hatte, verletzte sich an Hüfte und Brustkorb, konnte seine Fahrt aber fortsetzen. Für den Deutschen Jasha Sütterlin war dagegen die Rundfahrt schon am ersten Tag vorbei.

Andere kamen halbwegs heil ins Ziel, verloren aber durch die Stürze viel Zeit. Deutschlands Rad-Hoffnung Emanuel Buchmann, der jedoch sowieso nicht für die Gesamtwertung vorgesehen ist, büßte gut zwei Minuten ein. Bei der britischen Über-Mannschaft Ineos sind im Vorjahresdritten Richie Porte und Ex-Giro-Sieger Tao Geoghegan Hart schon zwei ihrer vier Top-Stars im Hintertreffen. Die slowenischen Top-Favoriten hielten sich dagegen schadlos und kämpften eifrig um Bonussekunden.

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