Viele Talente, aber zu wenig Platz

TSG-Turner müssen in der Schillerhalle eng zusammenrücken, die Bewegungslandschaft mit Schnitzelgrube fehlt weiterhin

Mit Sebastian Krimmer, der sich mittlerweile aber im Spätherbst seiner Karriere befindet, und Emelie Petz, die als größte deutsche Nachwuchshoffnung gilt, hat die TSG bereits zwei Nationalturner hervorgebracht. Es gibt auch derzeit einige vielversprechende Talente, aber die Abteilung hadert mit den Trainingsbedingungen in Backnang. Der Platz in der Schillerhalle ist beengt, auf die heiß ersehnte Bewegungslandschaft mitsamt Schnitzelgrube wartet man weiterhin.

Viele Talente, aber zu wenig Platz

Trotz beengter Platzverhältnisse in der Schillerhalle tun die Trainerinnen wie Eva Gier alles, um die TSG-Talente weiterzuentwickeln. Foto: T. Sellmaier

Von Steffen Grün

Es herrscht ein mächtiges Gewusel in der Schillerhalle, vier Trainerinnen kümmern sich um ungefähr 30 Mädchen. Geübt wird unter anderem an einem Sprungtisch und einem Stufenbarren, an zwei Schwebebalken und drei unterschiedlich hohen Recks, „um die Grundschwünge zu üben“, erläutert die für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortliche stellvertretende Abteilungsleiterin Claudia Krimmer. Weiteren Raum nehmen eine weiche Bodenbahn sowie eine härtere Variante mit Holzunterlage ein, an einem Großtrampolin „können die Bewegungsabläufe kontrolliert trainiert werden“. Kurzum: In der Schillerhalle wird jeder Quadratmeter genutzt und damit aus den beengten Platzverhältnissen das Bestmögliche herausgeholt. Das ist auch zwingend nötig, treffen ab und zu doch sogar 50 Sportler auf einen Schlag aufeinander.

Montags, mittwochs und freitags gehört die Halle vorrangig den Jungs und damit rund 30 Kindern und Jugendlichen sowie 15 Ligaturnern. Dienstags sowie donnerstags bis samstags sind die Mädels mit etwa 35 Nachwuchshoffnungen und 15 Ligaturnerinnen an der Reihe. Schon alleine die Tatsache, dass der Trainingsbetrieb lediglich sonntags ruht, wenn aber des Öfteren Wettkämpfe zu bestreiten sind, zeigt den Aufwand, den die Abteilung betreibt. Und der wird dadurch enorm erhöht, dass die Geräte tagtäglich auf- und wieder abgebaut werden müssen, weil die Schillerhalle auch als Schulturnhalle genutzt wird: Das kostet vor und nach dem Training jeweils 15 Minuten und damit wertvolle Zeit, die für Saltos und Schrauben verloren ist. Zudem wird laut Björn Kuhn, der zum Trainerstab im männlichen Bereich zählt, nur einmal pro Woche am Sprungtisch geübt, „weil es der Platz sonst nicht hergibt und der Aufwand für den Umbau zu groß ist“.

Es sind ärgerliche Einschränkungen, die lediglich mit der sogenannten Bewegungslandschaft zu beheben wären. Dabei handelt es sich um eine Halle mit fest stehenden Geräten, mit der sich der zeitintensive Auf- und Abbau erledigt hätte. Die Turnabteilung träumt davon schon seit beinahe eineinhalb Jahrzehnten, legte eine stattliche Summe beiseite und war entsprechend enttäuscht, als der angedachte Anbau aus den Plänen für die neue Karl-Euerle-Halle gestrichen wurde. Auch im Sportvereinszentrum der TSG Backnang 1846, das auf dem Hagenbach entstehen soll, hat die Sache „leider nur Priorität zwei“, räumte der Vorsitzende Rainer Mögle im Mai dieses Jahres ein. Eine bittere Pille für die Turner, denn „diese Bewegungslandschaft ist kein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit“, betont Fachbereichsleiterin Andrea Griem. Das gelte insbesondere für die darin integrierte Schnitzelgrube, die es erlaubt, auch schwierigste Elemente gefahrlos einzustudieren, weil eine weiche Landung im Fall der Fälle garantiert ist. „Ohne sie kann ich niemandem einen Doppelsalto beibringen. Das Risiko ist zu groß“, klagt Griem. „Die Schwierigkeitsgrade können kaum noch gesteigert werden“, pflichtet ihr Kuhn bei.

Eine bessere Infrastruktur würde es den Toptalenten erlauben, das eine oder andere Jährchen länger in Backnang zu bleiben und etwas später für einige Trainingseinheiten pro Woche oder sogar komplett ins Stuttgarter Kunstturnforum und damit ins Leistungszentrum zu wechseln. Derzeit ist es in der Regel spätestens mit zehn Jahren so weit, „aber ich würde es unserem Trainerstab zutrauen, ein Kind bis zum elften oder zwölften Geburtstag auf nationales Topniveau zu führen“, sagt Eva Gier. Klar ist allerdings auch, dass der Weg in die absolute Spitze wie schon bei den beiden aktuellen TSG-Aushängeschildern Sebastian Krimmer und Emelie Petz weiterhin über die Landeshauptstadt führen wird. „Wenn man die Toptalente dort in guten Händen weiß, habe ich auch kein Problem damit, sie abzugeben“, unterstreicht Björn Kuhn.

Auch für Backnangs Männerteam in der Dritten Liga und die Frauenriege in der Regionalliga wären verbesserte Trainingsbedingungen das A und O, „mit weiteren Aufstiegen liebäugeln wir schon gar nicht mehr, weil es die Bedingungen nicht hergeben“, betont Claudia Krimmer. Um den Breiten- und Leistungssport bei den TSG- Turnern weiterhin in allen Facetten abdecken zu können, sollte aber auch die Personaldecke dicker werden. „Wir brauchen zusätzliche Trainer“, mahnt Eva Gier und Björn Kuhn weist auf die „Drei- bis Vierfachbelastung“, die so mancher von ihnen stemmt, weil Trainer zugleich noch selbst aktiv sind, als Kampfrichter oder Fachwart für die Abteilung im Einsatz sind.

„Wir beschäftigen uns mit dem Gedanken, einen hauptamtlichen Trainer zu holen“, verrät Claudia Krimmer, doch auch das ist schwierig: „Es wäre eine Teilzeitstelle, aber die meisten Trainer suchen eine Vollzeitstelle.“ Und sie wollen sich mit dem Geräteauf- und -abbau nicht zwingend aufhalten. So schließt sich der Kreis.

Viele Talente, aber zu wenig Platz

Sebastian Krimmer

Viele Talente, aber zu wenig Platz

Emelie Petz

Hintergrund
DTL-Finale am Samstag mit Krimmer, aber ohne Petz

Am kommenden Samstag werden in der MHP-Arena in Ludwigsburg die beiden deutschen Mannschaftsmeister im Turnen gekürt. Die Barockstadt ist bereits zum vierten Mal in Serie seit 2016 der Schauplatz für die beiden Finalwettkämpfe der Deutschen Turnliga (DTL).

Bei den Männern kämpft Sebastian Krimmer von der TSG Backnang in Diensten der TG Saar um den Titel. Im Finale wird ein Duell auf Augenhöhe mit Titelverteidiger KTV Straubenhardt erwartet, denn die reguläre Bundesliga-Saison beendeten beide Teams punktgleich auf den ersten zwei Plätzen. Krimmer hat Mitstreiter wie Lukas Dauser und Oleg Verniaiev an seiner Seite, beim Kontrahenten führt Andreas Bretschneider in Abwesenheit des verletzten Marcel Nguyen die Riege an. Um Bronze streiten sich zudem der TV Schwäbisch Gmünd-Wetzgau und die Siegerländer KV.

Bei den Frauen werden die Karten noch einmal völlig neu gemischt, den Titel machen die Top Vier der Bundesliga unter sich aus. Der MTV Stuttgart mit den Stars Elisabeth Seitz, Kim Bui und Pauline Schäfer will den Vorjahressieg wiederholen, allerdings muss es ohne Emelie Petz klappen: Das weibliche Aushängeschild der TSG Backnang hat eine Handgelenksverletzung weitgehend auskuriert, das Risiko wäre im Hinblick auf das Olympia-Jahr 2020 allerdings zu groß.

Um 12 Uhr öffnet die Halle, um 13.30 Uhr folgt die Eröffnungsfeier. Die Frauen sind ab 14 Uhr dran, die Männer ab 18 Uhr. Tickets gibt es unter www.dtlfinale.org.