Wieder der Bergisel: Geiger patzt bei Stoch-Triumph

Von Von Patrick Reichardt und Thomas Eßer, dpa

dpa Innsbruck. Wieder Innsbruck! In Gedanken an die vielen Enttäuschungen am Bergisel bekommt Karl Geiger „das Kotzen“. Auch Markus Eisenbichler liegt ein gutes Stück zurück. Den Mann der Stunde hatte dagegen eigentlich keiner mehr auf der Rechnung.

Wieder der Bergisel: Geiger patzt bei Stoch-Triumph

Für Karl Geiger lief es beim Springen in Innsbruck nicht so gut. Foto: Daniel Karmann/dpa

Das enttäuschende Déjà-vu am verfluchten Bergisel ließ Karl Geiger verzweifeln. Schon wieder haben die deutschen Skispringer um den Flug-Weltmeister ihre herausragenden Chancen bei der Vierschanzentournee in Innsbruck verspielt und benötigen in Bischofshofen ein kleines Wunder.

„Das Ding ist so gut wie durch, es ist einfach frustrierend“, schimpfte Geiger, der bei der famosen Flugshow von Polens Routinier Kamil Stoch überhaupt nicht mithalten konnte. Er könne momentan „überall reintreten“. Der Frust über die Sprünge auf 117 und 125 Meter war auch nach einer Stunde nicht verschwunden.

Der 27-Jährige büßte mächtig Punkte ein und liegt vor der vierten und letzten Station fast 14 Meter hinter Stoch, der nach seinem Innsbruck-Coup auf den dritten Gesamtsieg bei der Tournee hoffen darf. „Kamil hat gezeigt, dass er der Chef im Ring ist“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher in der ARD. Seine Schützlinge Geiger (Tagesrang 16) und Markus Eisenbichler (Platz 6) haben dagegen gepatzt. „Vielleicht haben wir alle ein bisschen Angst gehabt vorm Bergisel“, mutmaßte Horngacher. Geiger sagte, er kriege „das Kotzen“, wenn er an all die Rückschläge auf der Anlage in Tirol denke. Der erste Gesamtsieg seit Sven Hannawald 2002 rückt in weite Ferne.

Stoch sprach nach Flügen auf 127,5 und 130 Meter von „einer super Belohnung“. Der 33-Jährige gewann deutlich vor Anze Lanisek aus Slowenien und Landsmann Dawid Kubacki. Dabei war das polnische Team in Oberstdorf wegen eines Corona-Falls noch kurzzeitig ausgeschlossen worden und kehrte erst nach 22 turbulenten Stunden und zwei weiteren Tests, die negativ ausfielen, zurück. Nun könnten sie wie 2017, 2018 (jeweils Stoch) und 2020 (Kubacki) schon wieder den Gesamtsieger stellen.

Was bleibt für die deutschen Adler? Bei Geiger nur Enttäuschung. „Es ist nicht der Wettkampf, den ich mir erwartet habe. Es ist eine ziemlich bittere Nummer wieder heute“, sagte der Allgäuer, dessen Emotionen im kompletten Kontrast zum überschwänglichen Jubel von Oberstdorf standen. In seiner Heimat hatte Geiger am Dienstag noch den Auftaktwettbewerb gewonnen und Hoffnungen auf den Gesamtsieg geschürt. Zimmerkollege Eisenbichler sagte, er sei in Innsbruck noch „mit einem blauen Auge davongekommen“.

Deutschlands letzter Tournee-Gewinner Hannawald war am ARD-Mikrofon entsprechend bedient, als Geiger und Eisenbichler im ersten Sprung nacheinander patzten. „Es soll nicht sein, das nervt mich“, schimpfte der 46-Jährige. Geiger schlug sich nach seinem deutlich besseren zweiten Versuch auf den Helm und rief lautstark: „Warum nicht gleich?“ Der erste Sprung in der klirrenden Kälte von Innsbruck dürfte ihn - wie im Vorjahr - alle Chancen auf den Gesamtsieg gekostet haben. Und damit kam der sonst so ausgeglichene Allgäuer gar nicht klar.

„Das kann passieren. Es hat nicht ganz funktioniert. Auf dieser Schanze wird das sofort bestraft. Wir geben natürlich nicht auf“, sagte Horngacher. Auch Eisenbichler (120,5 und 128,5 Meter) und der norwegische Weltcup-Gesamtführende Halvor Egner Granerud, der nur 0,1 Punkte vor Geiger den 15. Platz belegte, blieben hinter den Erwartungen zurück.

Die Schicksalsschanze am Bergisel beschäftigt die Adler des Deutschen Skiverbandes (DSV) schon seit Jahren. Mehrere Stürze, der für die windanfällige Anlage typische Föhnsturm und chaotische Wettbewerbe bei der Tournee ließen häufig deutsche Träume platzen, bevor Eisenbichler und Geiger 2019 ein goldenes WM-Wochenende hinlegten und Weltmeister-Titel im Einzel und Team holten. Diesmal hatte das Duo wieder schwer mit der tückischen Schanze zu kämpfen: Missglückte Probesprünge hatten schon angedeutet, wie schwer die Aufgabe in Tirol werden würde.

Nach einem Ruhetag und der folgenden Qualifikation steht das große Finale am Mittwoch (16.45 Uhr/ZDF und Eurosport) auf der Paul-Außerleitner-Schanze in Bischofshofen an. Auf der Anlage im Pongau krönten sich Stoch und der Japaner Ryoyu Kobayashi in der jüngeren Vergangenheit zu Vierfachsiegern. Die Deutschen standen zuletzt oft auf dem Gesamtpodium, durften aber schon seit 19 Jahren nicht mehr den goldenen Adler in Empfang nehmen.

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Wieder der Bergisel: Geiger patzt bei Stoch-Triumph

Der Pole Kamil Stoch (r) war in Innsbruck nicht zu schlagen. Foto: Daniel Karmann/dpa

Wieder der Bergisel: Geiger patzt bei Stoch-Triumph

Karl Geiger kam in Innsbruck nicht über den 16. Platz hinaus. Foto: Daniel Karmann/dpa