Vom Sportmuffel zum Ironman auf Hawaii

Als 50-Jähriger bewältigt der Backnanger Jörg Bauer den ältesten, berühmtesten und anspruchsvollsten Langdistanz-Triathlon

Team zur Ruhe nennt sich die Gruppe, zu der Jörg Bauer zählt. Er und die anderen, die unter diesem Namen regelmäßig bei Volksläufen oder anderen Ausdauersportveranstaltungen starten, lassen es meist aber alles andere als ruhig angehen. Schweißtriefend und eiligst versuchen sie, ihr Ziel zu erreichen. So wie der 50-Jährige Backnanger jüngst, als er den Hawaii-Ironman in 12:41:23 Stunden bewältigte.

Vom Sportmuffel zum Ironman auf Hawaii

Hatte sich mit der Zielankunft nach 12:41:23 Stunden einen Traum erfüllt: Jörg Bauer. Foto: privat

Von Uwe Flegel

Jörg Bauer sagt über sich selbst, dass er lange „ein Sportmuffel war.“ Nun hat er den berühmtesten und anspruchsvollsten Langdistanz-Triathlon der Welt bewältigt. Was mit dem Kauf eines Mountainbikes begann, hat acht Jahre später auf Hawaii einen vorläufigen Höhepunkt gefunden. „Vielleicht zu meinem Sechzigsten“, antwortet Bauer schmunzelnd auf die Frage, ob er mal wieder beim Spektakel an Wiege des Triathlons starten will.

Die Vorsicht ist begründet. Zum Beispiel wird die Qualifikation für die Ironman-Weltmeisterschaft immer schwieriger. Bauer benötigte Losglück, um sich selbst zum Geburtstag zu bescheren, wurde der Stadtrat und Geschäftsführer einer Baufirma doch während seines Aufenthalts auf Hawaii Fünfzig. Gefeiert wurde das mit einer Unternehmung, die finanziell in den fünfstelligen Bereich geht und logistisch eine Herausforderung war. Vor den insgesamt dreieinhalb Wochen galt es nicht nur Kleidung, Rennrad und Wettkampfanzüge zu verpacken. Es musste auch Vorsorge getroffen werden, damit die Firma problemlos läuft, obwohl der Chef lange fehlt. Zudem mussten Getränkezusätze, Energie-Gels und sonstige Dinge, die ein Sportler heutzutage benötigt, besorgt und zusätzliche 20 Kilogramm mitgeschleppt werden. „Einen Koffer habe ich komplett leer auf Hawaii gelassen. Die Gepäckgebühr wäre teurer als der Koffer gewesen.“ Ein Schwabe ist beim Rechnen ebenso fix wie beim Schwimmen, Radfahren oder Laufen.

Schwaben sind halt nicht nur beim Rechnen fix

Schnell war Bauer auch, als es drauf ankam. Die 3,8 Kilometer im offenen Meer schaffte er in 1:11:13 Stunden. „Schwimmen ist meine Stärke“, erzählt der Backnanger und sagt: „Ich habe mich in meiner Startgruppe aus dem großen Pulk und damit aus dem Gedränge raus gehalten.“ Der Backnanger kraulte etwas seitlich vom Feld und kam dort gut vorwärts. Jedenfalls überholte er auch einige Starter aus der vorherigen Gruppe.

Auf dem Rad bekam das Mitglied des TC Backnang schnell zu spüren, dass Hawaii sehr windig, sehr heiß und schwül, aber keineswegs nur flach ist. Von der Wechselzone aus ging es erst einmal eine Runde durch Kailua-Kona und dabei die Pualani Street hoch. „Das ist es ungefähr so steil wie bei uns die Eduard-Breuninger-Straße“, berichtet Bauer und ist sich sicher, „auf der Startrunde waren es gleich mal 250 bis 300 Höhenmeter“. Was danach folgte, waren endlose Lavafelder. Die begleiteten die Sportler ungefähr die Hälfte der insgesamt 180 Radkilometer. Hinzu kamen Hitze und hoch zum Wendepunkt viel Gegenwind. Der drehte dann auch noch und blies auf dem Rückweg am Meer entlang ebenfalls ins Gesicht: „Selbst bergab musstest du richtig träppeln.“ Bauer bewältigte die Raddistanz in 6:02:13 Stunden, was in etwa einem Schnitt von 30 Kilometer entspricht.

Beim Wechsel zum Laufen ließ er sich etwas mehr Zeit, um wie schon auf dem Rad seine sieben Sachen beieinanderzuhaben. Denn im Gegensatz zu den Profis dürfen die Altersklassenathleten ihre eigene Verpflegung nicht an separaten Stellen hinterlegen und sich unterwegs von dort versorgen. Sie müssen Flaschen, Gel und Riegel selbst an einem Gürtel oder sonst wie mitschleppen. Unterwegs wird dann nur noch zum Wasser, kühlen Wasserschwämmchen und Eis gegriffen und über Kopf, Kleidung sowie Körper geschüttet. Schließlich tat Kühlung angesichts von etwas mehr als 40 Grad und einer sehr hohen Luftfeuchtigkeit Not. Und das nicht nur im berüchtigten Energy Lab. Bauer beschreibt es so: „Das ist ein Kessel in dem die Hitze steht.“

Ein Problem beim Laufen war für ihn, dass das Material an den Versorgungsstellen mittlerweile zur Neige ging. Schlecht für den Murrtaler, der erzählt: „Als ich merkte, dass es keine Schwämme mehr gab, habe ich welche eingesammelt, die Läufer vor mir weggeworfen hatten. Die habe ich an den Verpflegungsstellen in dem Eiswasser getränkt, in dem Getränke gekühlt wurden. Das hat mich allerdings Zeit gekostet.“ Entsprechend langsamer wurde er nach rund zwei Dritteln der Distanz zwar, aber. „Wenn du den Kopf nicht im Griff hast, dann schaffst du es nicht. Ich habe mir immer wieder gesagt: du musst ankommen, das ist eine Weltmeisterschaft.“ Nach 5:15:39 Stunden war das Laufen geschafft und die letzten zwei Kilometer sogar wieder etwas leichter gefallen, „da es bergab geht, die Zuschauer jubeln und dich anfeuern.“ Die Emotionen sorgten dafür, dass nun alles wieder etwas leichter lief. Trotzdem steht für ihn fest: „Wer behauptet, dass er den Ironman ohne Schmerzen absolviert hat, der lügt.“

Bei ihm waren die Schwierigkeiten aber nicht so groß als dass er nur noch seine Ruhe wollte. „Ich hatte mit meinen Kumpels Rolf Bauder und Walter Lehmann ausgemacht, dass wir gegen 20 Uhr in einer Kneipe ein Bier trinken, da musste ich mich nach dem Erhalt der Finisher-Medaille und des T-Shirts beeilen, um noch rechtzeitig hinzukommen.“

Info
Der älteste Backnanger, der in Kailua-Kona bislang durchs Ziel lief

Mit seinen 50 Jahren ist Bauer der bislang älteste Backnanger, der die 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42.2 Kilometer Laufen bewältigte.

Jörg Bauer war laut Vereinsangaben der 14. Teilnehmer des TC Backnang auf Hawaii. Vor ihm waren Elke Schanz-Matern, Christine Keil-Geibig, Karl-Heinz Geckeler, Thomas Pumm, Ulrich Eisenmann, Ralf Siegle, Daniel Lutz, Michael Weick, Frank Thulmann, Jürgen Kaufmann, Thomas Schmidt, Ernst Oberndörfer und Dieter Müller am Start.

TCB-Rekordteilnehmer ist Michael Weick, der gleich viermal (1993, 1994, 1996 und 2000) bei der Ironman-Weltmeisterschaft am Start war. Seine Bestzeit schaffte Weick 1996, als er im Alter von 45 Jahren nach 10:37:05 Stunden im Ziel war. Christine Keil-Geibig nahm bei den Frauen dreimal am Ironman teil (1988, 1989, 1991). Sie erzielte 1989 als 43-Jährige mit 12:53:34 Stunden ihren Hawaii-Rekord.

Die Bestzeit aller Starter des Backnanger Triathlon-Clubs beim 1978 erstmals ausgetragenen Langdistanz-Triathlon stammt aus dem Jahr 1992. Der damals 28 Jahre alte Karl-Heinz Geckeler benötigte nur 9:28:30 Stunden. Unter zehn Stunden blieb vom TCB ansonsten noch Thomas Pumm (26), der 1999 nach 9:50:00 im Ziel war.