Wachsam sein oder ein blaues Wunder erleben

TSG-Coach Evangelos Sbonias warnt davor, die Verbandsliga-Saison nach der starken Oberliga-Rückrunde auf die leichte Schulter zu nehmen, will aber vorne mitmischen

Der fünfte Rang in der Rückrundentabelle reichte den TSG-Fußballern zwar nicht, um in der Oberliga zu bleiben, macht die Backnanger in den Augen vieler Kontrahenten aber zu einem der Topfavoriten in der neuen Verbandsliga-Saison. Von einer Pflicht, sofort wieder aufsteigen zu müssen, will der Trainer der Roten nichts wissen, „das wäre ein Stück weit vermessen“. Evangelos Sbonias hat aber schon vor, „so lange wie möglich vorne mitzuspielen“. Idealerweise bis zum Schluss.

Wachsam sein oder ein blaues Wunder erleben

Will nach dem Abstieg in der Verbandsliga vorne mitmischen: Die TSG Backnang mit Loris Maier, Patrick Tichy, Dimis Naoumis, Thomas Doser, Marc Mägerle, Michl Bauer, Leon Maier, Julian Geldner, Emmanuel Mc Donald (hinten von links), Betreuer Bernd Dannhäußer, Spielleiter Rolf Wörner, Teamarzt Dr. Jochen Nufer, Physiotherapeut Volker Max, Co-Trainer Darko Milosevic, Trainer Evangelos Sbonias, Torwarttrainer Salvatore Rivarolo, Teammanager Isaak Avramidis, Sportchef Marc Erdmann, Sportvorstand Rüdiger Lüftner, Sponsoren-Vertreter Jürgen Schwab (Mitte), Benito Baez-Ayala, Jannik Dannhäußer, Mario Marinic, Oguzhan Biyik, Mika Wilhelm, Marcel Knauss, Michael Quattlender, Sascha Schmalz, Louis Wiesheu, David Kienast und Shqiprim Binakaj.

Von Steffen Grün

Natürlich sei ein bisschen Wehmut aufgekommen, als die Oberliga am vergangenen Wochenende in die neue Spielzeit startete, „alles andere wäre gelogen“, räumt Sbonias ein. Weil die Hypothek der schwachen Bilanz vor seinem Amtsantritt im November 2018 letztlich zu schwer wog und der Abstieg in die Verbandsliga ausgerechnet im Jahr des 100. Vereinsgeburtstags nicht mehr abzuwenden war, heißen die Rivalen ab sofort nämlich nicht mehr Stuttgarter Kickers, Reutlingen, Bissingen oder Freiberg, sondern nach zwei Runden im baden-württembergischen Oberhaus künftig wieder Heimerdingen, Ehingen-Süd, Berg oder Hofherrnweiler-Unterrombach.

„Wir sind mit dem Kopf zu 100 Prozent in der Verbandsliga angekommen“, versichert der TSG-Trainer und warnt davor, mit Blick auf die starke Rückrunde mit einem Selbstläufer zu rechnen: „Wer glaubt, dass in dieser Liga Spiele im Vorbeigehen gewonnen werden, wird sein blaues Wunder erleben.“ Der 36-Jährige verweist auf die vielversprechenden Transfers von Essingen um Backnangs Ex-Coach Beniamino Molinari sowie von Mitabsteiger Normannia Gmünd und zählt diese zwei Vereine zu den Topfavoriten. Auch mit Rutesheim – am morgigen Freitag um 18.30 Uhr zum Auftakt zu Gast unter dem Murrtalviadukt – sei zu rechnen, weil es eine kontinuierlich aufgebaute, gefestigte Truppe ist, die in der Vorsaison Dritter wurde.

Sbonias: „Jeder, der mich etwas kennt, weiß, dass ich immer das Maximum erreichen will“

„Es ist unsere Aufgabe, da dranzubleiben und so lange wie möglich vorne mitzuspielen“, gibt Sbonias als Marschroute aus. Allen, die den sofortigen Wiederaufstieg als Pflichtaufgabe ansehen, widerspricht der frühere Assistent von Oliver Zapel in Großaspach und bei Bremen II schon alleine aus Respekt vor den Konkurrenten. Seinen Ehrgeiz verbirgt er allerdings auch nicht: „Jeder, der mich etwas kennt, weiß, dass ich immer das Maximum erreichen will.“ Man wolle den Schwung aus der Rückrunde unbedingt mitnehmen, zumal sich dieser in der Vorbereitung auch widergespiegelt habe.

Vom 0:3 im Jubiläumsspiel gegen den Zweitligisten VfB Stuttgart einmal abgesehen, gewannen die Roten alle Testspiele und ließen mit dem 6:0 beim hohenlohischen Bezirksligisten Leukershausen-Mariäkappel auch in der ersten WFV-Pokal-Runde nichts anbrennen. Nun gilt es, einen guten Start hinzulegen und in den ersten Wochen möglichst viele Punkte zu hamstern, um sofort den richtigen Kurs einzuschlagen. „Das wäre sehr wichtig“, unterstreicht Sbonias, denn „wir wollen eine gewisse Euphorie in der Mannschaft und bei den Fans entfachen“. Seine Hoffnung ist es, dass die Unterstützung der Anhänger so gut bleibt wie zuletzt in der Oberliga, und sein Versprechen lautet: „Wir tun alles, damit sich die Zuschauer mit dem Team identifizieren können.“

Mit Abgängen wie Julian Schiffmann, Paul Weber oder Daniel Lang sei viel Erfahrung verloren gegangen, auch wenn alle drei keine klaren Stammspieler waren. Dazu kommt die schwere Verletzung von David Kienast, der noch etliche Monate fehlen wird. Dem stehen sechs Zugänge gegenüber, die der Trainer in verschiedene Kategorien einteilt. Zunächst sind da mit Innenverteidiger Marc Mägerle vom Oberligisten Göppingen sowie Mittelfeld-Rückkehrer Shqiprim Binakaj vom Drittligisten Großaspach „zwei gestandene Spieler, die der Mannschaft sofort weiterhelfen“. Dazu kommen mit Sascha Schmalz und Dimis Naoumis zwei Talente aus der eigenen A-Jugend, „die noch reinwachsen müssen“. Der von 07 Ludwigsburg geholte Stürmer Emmanuel Mc Donald bringe viel Schnelligkeit und Athletik mit, habe bislang aber eben nur Bezirksliga gespielt. Immerhin beim Landesligisten SV Ebersbach/Fils war Niklas Kalafatis aktiv, der in der Jugend schon einmal in den Etzwiesen am Ball war. „Sehr gute Anlagen“ attestiert Sbonias dem 21-Jährigen, der sich im Backnanger Mittelfeld aber einem knüppelharten Konkurrenzkampf stellen muss.

Insgesamt ist der Trainer mit den Zugängen zufrieden, zumal sie alle auch auf ihre charakterlichen Eigenschaften abgeklopft wurden – mit dem Resultat, dass sie ausnahmslos in die Truppe passen würden und auch bereits gut integriert seien. Wenn es im Kader noch Nachholbedarf gibt, dann auf der Position des linken Außenverteidigers, was Kienasts Verletzung geschuldet ist. „Ich bin mit Jannik Dannhäußer sehr zufrieden“, will Sbonias keinerlei Missverständnisse aufkommen lassen, „aber es darf nichts passieren, denn dann müssten wir basteln“. In der Konsequenz würde er sich wünschen, hier eine weitere Alternative zu haben, „aber linke Außenverteidiger mit gutem linkem Fuß wachsen nicht auf den Bäumen“. Die TSG wird also nur zuschlagen, wenn alles passt, sonst muss es so gehen. „Wir wollen extrem variabel auftreten, das haben wir in der Vorbereitung einstudiert“, kündigt der Trainer an und kann sich hinten eine Dreier- oder Viererkette und vorne zwei oder gar drei Stürmer vorstellen. Die Balance muss passen, um im Idealfall bis zum Schluss vom Aufstieg träumen zu dürfen.

Wachsam sein oder ein blaues Wunder erleben

TSG-Trainer Evangelos Sbonias wünscht sich von seinem Team eine sehr variable Spielweise.

Hintergrund
Favoriten und Fahrten

Die Meistertipps ergeben ein klares Bild: 13 Vereine nennen den TSV Essingen, immerhin 12 Klubs haben die TSG Backnang auf dem Zettel. Der Vierte der Vorsaison, der sich zum Beispiel mit Patrick Funk von Drittliga-Absteiger VfR Aalen und mit Felix Nierichlo vom Regionalligisten SSV Ulm verstärkt hat, sowie der Oberliga-Absteiger aus den Etzwiesen liegen damit deutlich an der Spitze. Es folgen der FSV Hollenbach (5), Normannia Gmünd (3), der SKV Rutesheim (2) und der TSV Berg (1).

Vom Aufstieg als Saisonziel spricht keiner, mit Essingen, Backnang und Gmünd macht aber immerhin ein Trio aus dem Favoritenkreis keinen Hehl daraus, „vorne mitspielen“ zu wollen. Diesen Anspruch hat zudem Calcio Leinfelden-Echterdingen, ohne von der Konkurrenz genannt zu werden. Hollenbach versteckt sich hinter der Floskel, attraktiven Fußball zeigen zu wollen.

Neu in der Verbandsliga sind die Absteiger aus Schwäbisch Gmünd und Backnang sowie die Aufsteiger aus Berg, Fellbach, Heimerdingen, Hofherrnweiler-Unterrombach und Pfullingen. Nach oben verabschiedete sich Dorfmerkingen, den Weg nach unten traten Nagold, Breuningsweiler, Laupheim, Löchgau und Albstadt an.

Die kürzesten Fahrten führen die TSG nach Neckarrems (19 Kilometer) und Fellbach (25), am weitesten ist es dagegen nach Berg (201) und Wangen (216).