Langer Ausfall des Stürmers ist ein Hauptgrund dafür, dass Fußball-Oberligist TSG Backnang in akuter Abstiegsgefahr schwebt

Zehn Punkte, Drittletzter: Nach 18 Spieltagen schwebt Fußball-Oberligist TSG Backnang in akuter Abstiegsgefahr. Die Talfahrt, die Trainer Andreas Lechner das Amt kostete, ist stark mit der Verletzung von Mario Marinic verknüpft. Unter Evangelos Sbonias zeigte die Leistungskurve zuletzt wieder nach oben. Die Rettung scheint aber nur dann noch drin zu sein, wenn der Torjäger nach der Winterpause wieder im Vollbesitz seiner Kräfte ist.

Drei Tore in den ersten zwei Punktspielen, danach verletzt: Mario Marinic war für die TSG Backnang zu keiner Zeit zu ersetzen. Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

Selten trat die Abhängigkeit von einem Spieler so offen zutage wie bei den Roten in dieser Runde. Mit Marinic holten sie vier Punkte aus den ersten zwei Partien, ohne den Torjäger schmierte Backnang ab. Nur im WFV-Pokal war die TSG auch ohne den 34-Jährigen nicht zu stoppen, zog mit einem 2:0 gegen den Drittligisten Aalen ins Viertelfinale ein. Hier ein Blick auf einige wichtige Wegmarken der bisherigen Saison und Antworten auf die Fragen, die sich daraus ergeben haben.

Der geglückte Start: Die Murrtaler, die ihre erste Spielzeit nach dem Oberliga-Aufstieg auf dem respektablen zwölften Platz beendeten, kommen auch in die neue Runde sehr gut rein. Im Heimspiel gegen Vizemeister Villingen springt immerhin ein 1:1 heraus. Für das zwischenzeitliche 1:0 sorgt Marinic, wer sonst? Zum 3:1-Sieg in Spielberg in der Woche darauf steuert der Torgarant zwei Buden bei. Seine Treffsicherheit beweist der Routinier auch im Pokal, beim 4:0 im Zweitrundenduell beim Ligarivalen in Gmünd bringt er seine Elf mit einem Doppelschlag in die Spur. Rückblickend offenbart sich diese enorme Abhängigkeit von Marinic bereits beim 0:1 gegen Reutlingen am dritten Spieltag: Ohne ihn ist Backnang mit dem aktuellen Tabellenvierten auf Augenhöhe, versiebt aber viele Torchancen und kassiert die erste Pleite. Dem wird kaum eine Bedeutung zugemessen, weil der Stürmer nur im Urlaub ist.

Der Pokalcoup und der schnelle Schock: In Degerloch erleben die Roten einen der Höhepunkte ihrer Vereinsgeschichte. Den Ex- Bundesligisten in Runde drei auszuschalten, traute ihnen vorher kaum jemand zu, obwohl es sich ums Duell zweier Ligarivalen handelte. Tatsächlich gewinnt die TSG den Krimi bei den Stuttgarter Kickers mit 1:0 nach Verlängerung, der in die Startelf zurückgekehrte Marinic trifft in der 113. Minute. „Es war alles im Lot, die Resultate haben gestimmt“, erinnert sich Vorstandsmitglied Marc Erdmann an das erfreuliche Zwischenfazit. Noch ahnt niemand die Hiobsbotschaft, die kurz darauf die Weichen völlig umstellt. Beim Angreifer, der in der Vorsaison 21 Tore erzielte, wird ein Knorpelschaden im rechten Knie diagnostiziert.

Der zweite Knackpunkt: Die Abgezocktheit von Marinic wird bereits beim 0:2 in Bissingen und beim 0:1 gegen Nöttingen arg vermisst, aber die Leistungen bieten noch Anlass zu Zuversicht. Das ändert sich mit der Pleite in Oberachern. Ohne den Torjäger legen die Murrtaler ein 3:1 vor und haben die Möglichkeit zum 4:1, verlieren am Ende aber mit 3:4. „Das war für mich neben Marios Verletzung der Knackpunkt der Vorrunde schlechthin“, sagt Erdmann über diese Partie am 8. September. Daran ändert auch das direkt darauffolgende 3:1 gegen Göppingen nichts. Dieser Heimsieg entpuppt sich nämlich als Strohfeuer und bleibt der letzte Dreier in diesem Jahr.

Die Talfahrt und die Torlosigkeit: In sechs Spielen am Stück gelingt Backnang kein Treffer. Vom Ende der Serie, die nur vom 2:0-Pokalcoup gegen Aalen und dem Viertelfinaleinzug kurz unterbrochen wurde, kann sich das Team beim 1:4 in Linx nichts kaufen. Ohne Marinic ist der gegnerische Kasten so gut wie vernagelt. „Einen Mann seiner Klasse und mit einem solchen Torriecher kann kein Verein in der Oberliga ersetzen, schon gar nicht wir“, betont Erdmann: „Er fehlt uns nicht nur als Torjäger, sondern auch als Führungsspieler.“

Das Aus für den Trainer: Eigentlich wollen die Roten an Lechner festhalten, doch die Darbietung im Kellerduell beim Letzten in Friedrichstal sorgt für ein Umdenken. Die 0:2-Pleite gleicht einem Offenbarungseid, obwohl sich Marinic für die wegweisende Partie sogar zur Verfügung stellt und 72 Minuten auf die Zähne beißt. Es bleibt sein letzter Einsatz vor Weihnachten, für Lechner wird es zur Abschiedsvorstellung. „Wir sahen uns gezwungen, zu handeln“, blickt Erdmann zurück, der mit Sbonias schnell einen in der Region bekannten Nachfolger präsentiert. Der 36-Jährige trainierte lange Löchgau und diente Oliver Zapel als Assistenzcoach in Großaspach.

Zwei Unentschieden und etwas Hoffnung: Sbonias startet mit dem 1:1 gegen den Titelanwärter aus Freiberg, mit dem die Roten andeuten, dass sie durchaus die Qualität haben, um in der Oberliga mitzuhalten. Das 0:2 in Ravensburg ist ein böser Rückschlag, das 0:0 in Villingen in doppelter Unterzahl dagegen ein weiterer Mutmacher – zumal Erdmann überzeugt ist, dass man diese Partie ohne die Platzverweise in der 31. und 64. Minute gewonnen hätte.

Die Personalplanungen: Mit Antonio Belobrajdic steht ein Neuer seit längerer Zeit fest. Der 21-Jährige soll das Offensivspiel beleben und machte im Training einen guten Eindruck. Weitere Neue seien denkbar, müssten jedoch „Verstärkungen und keine Ergänzungen“ sein. Viel wichtiger ist die völlige Genesung von Marinic. „Er ist im Lauf- und Krafttraining schmerzfrei“, so Erdmann. „Wir sind guter Dinge, aber es ist abzuwarten, wie sein Knie im Teamtraining und in den Testspielen reagiert.“

Die Lage im Keller: Hinter Backnang mit zehn Punkten liegen nur der SV Spielberg (7), der zum Start in den zweiten Saisonabschnitt am 16. Februar in den Etzwiesen erwartet wird, und Friedrichstal (6). Direkt davor rangiert Gmünd mit elf Zählern, ehe sich eine Riesenlücke zu Linx (20) auftut. Das Problem: Wie viele Klubs letztlich absteigen, hängt von mehreren Unbekannten ab. Zum Beispiel davon, wie viele Baden-Württemberger es in der Regionalliga erwischt (akut gefährdet sind Walldorf und der VfB II) oder ob tatsächlich etwas dran ist, dass sich Oberachern aus der Oberliga zurückziehen könnte. Von drei Absteigern ist mindestens auszugehen, eher sollte sich die TSG auf vier einstellen. Es wartet eine „Herkulesaufgabe“, weiß Marc Erdmann.

Hintergrund
Ein Blick in die Statistiken nach 18 Oberliga-Spieltagen: Die TSG belegt nur eine zweifelhafte Spitzenposition

Nimmermüder Kapitän: Oguzhan Biyik ist der einzige TSG-Spieler, der in allen 18 Partien von An- bis Abpfiff dabei war. Das macht 1620 Minuten, ohne Nachspielzeit. Der 32-Jährige zählt damit zur illustren Runde von 14 Akteuren (darunter fünf Keeper), die für ihre Trainer unverzichtbar sind. Zwei Teamkollegen kamen auch auf 18 Einsätze, aber nicht immer über die volle Distanz: Julian Geldner und Julian Schiffmann. Zu den Vielspielern gehören zudem David Kienast, Thomas Doser, Jannik Dannhäußer (alle 17 Partien), Daniel Lang und Michl Bauer (beide 16). Insgesamt setzten die Trainer Andreas Lechner und Evangelos Sbonias 20 Mann ein.

Zweifelhafte Spitzenposition: In einem Punkt hat die TSG die Nase vorne, doch darüber freut sich in den Etzwiesen niemand. Die Roten machten ihrem Spitznamen alle Ehre und kassierten an den bisherigen 18 Spieltagen fast ein Drittel aller Roten Karten (drei von zehn). Zwei sah Giosue Tolomeo, wobei die Murrtaler den ersten Platzverweis für verkehrt und den zweiten für zu hart hielten. Die Rot-Fraktion komplettiert Patrick Tichy, dazu kommt eine Ampelkarte für Matej Maglica.

Harmlose Offensive: In der Oberliga gibt’s zwei Spieler, die alleine mehr Tore erzielt haben als alle Backnanger zusammen: Marcel Sökler vom SGV Freiberg, der die Torschützenliste mit 19 Treffern anführt, und Kevin Dicklhuber (1. Göppinger SV, 14). Exakt die 12 Tore, die für den Etzwiesenklub notiert wurden, markierten Mijo Tunjic (Stuttgarter Kickers) und Adrian Vollmer (SV Linx). Bester TSG-Schütze war Daniel Lang mit fünf Toren. Ihm folgt Mario Marinic, der für seine drei Treffer vor seiner Verletzung nur zwei Spiele benötigte. Den Rest erledigten Oguzhan Biyik (2), Julian Schiffmann und Engjell Hoti.

Ordentliche Unterstützung: An den Fans liegt es nicht, dass die TSG in Abstiegsgefahr schwebt. 3450 Zuschauer pilgerten zu den bislang acht Heimspielen – das macht einen Schnitt von 431 und bedeutet Rang 13 im Besucher-Ranking. Zum Bestwert von 1350 Zuschauern beim Duell mit den Kickers trugen auch die Gäste sehr viel bei, den Minusrekord von 200 Fans gab es gegen Gmünd und Ilshofen. Mit einem Schnitt von 2866 Gästen liegen die Stuttgarter Kickers an der Spitze, auf den Plätzen zwei und drei rangieren Reutlingen (1155) und Villingen (586).

Nur Nebenrollen: Ohne TSG-Spieler kommt die Fupa-Elf der ersten Saisonhälfte aus. Patrick Tichy brachte es zwar auf zwei Berufungen in die Wochenauswahl, doch das reichte nicht. Dabei sind dagegen Domenic Brück, Kevin Rombach (beide Göppingen) und Daniel Schelhorn (Ilshofen), die jeweils viermal den Sprung in die Fupa-Elf der Woche schafften, sowie Kevin Dicklhuber, Oliver Stierle (beide Göppingen), Lukas Lindner (Ilshofen), Stefan Müller, Robin Müller (beide Spielberg), Denis Gudzevic (Pforzheim), Felix Schäch (Ravensburg) und Mijo Tunjic (Stuttgart).

Enges Rennen: Der Kampf um den Meistertitel und den Regionalliga-Aufstieg dürfte spannend werden. In der Poleposition ist der SGV Freiberg mit 37 Punkten, die vor der Saison noch etwas höher gehandelten und als Krösus der Liga zum direkten Wiederaufstieg verdammten Kickers lauern mit einem Zähler weniger auf dem Relegationsplatz. Weitere Kandidaten: Göppingen (35), Reutlingen (35), Nöttingen (33), Villingen (32) und Bissingen (31). Pforzheim (30), Bahlingen (29) und Ilshofen (28) bilden aktuell das schmale Mittelfeld, der Rest guckt nach unten und muss mehr oder weniger zittern.