Weinzierls Wut: ein Trainerim Angriffsmodus

Der VfB-Coach hält vor dem Augsburg-Spiel eine Brandrede

Von Heiko Hinrichsen

VfB - Der Stuttgarter Chefcoach beklagt vor dem wichtigen Spiel in Augsburg fehlenden Respekt vor seiner Arbeit:„Ist der Trainer denn an allem schuld? Irgendwann ist Schluss!“

Stuttgart Man hat beim VfB Stuttgart schon einige Trainer gesehen, denen in sportlich prekärer Lage öffentlich der Kamm geschwollen ist. Da war einst etwa Bruno Labbadia, der sich mit seiner „Am Arsch geleckt“-Rede den Frust von der Seele redete – oder es gab etwa den für seine Knurr-Attacken längst legendären Huub Stevens. Der Niederländer knöpfte sich im VfB-Abstiegskampf zwei Spieltage vor dem Ende der Saison 14/15 seine Spieler vor: „Ihr seid Affen, Affen seid ihr!“, so ging Stevens einst seine Profis auf dem Trainingsplatz verbal an – und zwar derart laut, dass es die umstehenden Journalisten auch bestimmt mitbekommen.

An diesem Mittwoch nun schlüpfte Markus Weinzierl in die Rolle des HB-Männchens – und ging auf der obligatorischen Pressekonferenz vor dem für ihn persönlich womöglich so entscheidenden Gastspiel am Samstag (15.30 Uhr) bei Ex-Club FC Augsburg emotional in die Luft. Der vermeintliche Auslöser: die mediale Kritik nach der Spuck-Schubs-Schlag-Attacke des Mittelfeldspieler Santiago Ascacibar, der vom DFB-Sportgericht mit einer sechswöchigen Sperre belegt worden ist.

„Wenn ich im Zusammenhang mit Ascacibar lesen muss, der Trainer hat seine Spieler nicht im Griff“, polterte Weinzier los, „dann ist irgendwann auch mal Schluss.“ Schließlich sei er, so der 44-Jährige, nicht für alles verantwortlich zu machen. „Bin ich schuld, wenn ein Spieler über die Stränge schlägt und jemanden anspuckt?“, fragte Weinzierl. „Bin ich eigentlich an allem schuld? Bin ich schuld, dass wir vorne die Tore nicht machen und dass wir hinten Fehler machen?“ Insgesamt, so der VfB-Trainer, fehle es ihm am Respekt vor der Trainerzunft allgemein. Und darüber hinaus auch an seiner persönlichen Arbeit. „Irgendwann reicht’s!“ Punkt. Aus. Mit Dünnhäutigkeit, das schob Weinzierl noch nach, habe sein Auftritt rein gar nichts zu tun.

Dass sich in den gängigen Blättern der VfB-Medienlandschaf

t überhaupt keine Textpassage, kein Kommentar, ja nicht mal ein einzelnes deftiges Sätzlein finden lässt, in dem Markus Weinzierl direkt oder auch nur indirekt eine Schuld an der Spuckattacke von Santiago Ascacibar zugeschrieben wird, darf nicht unerwähnt bleiben – es ist mit Blick auf die allgemeine Gefühlslage des Stuttgarter Trainers aber lediglich ein Randaspekt.

Denn bei all den Rückschlägen in seiner sechsmonatigen Amtszeit hatte es nun auch bei Weinzierl, unter dem die Pressekonferenzen zuvor ja mehrheitlich relativ dröge Veranstaltungen waren, wie einst bei Labbadia oder Stevens offensichtlich eines Ventils bedurft, um Luft abzulassen. Oder wollte Weinzierl womöglich gar die letzte Chance zu einem deutlich hörbaren Schlussakkord nicht ungenutzt verstreichen lassen? Hatte das Szenario gar etwas von Endzeitstimmung?

Fest steht: Der Frust sitzt sehr tief beim Stuttgarter Cheftrainer. Vieles hat er mit dem VfB probiert, vieles ist schiefgelaufen. „Es stimmt, dass ich mit dem Ziel angetreten bin, hier offensiven Fußball spielen zu lassen – und dann haben wir in den ersten drei Spielen 0:11 Tore bekommen und verloren“, sagt Weinzierl rückblickend. „Da musst du dir als Trainer Gedanken machen.“ Doch die Probleme sind nicht kleiner geworden: Die Offensive lahmt weiter, nicht nur der Torjäger Mario Gomez trifft nicht – dazu gesellen sich interne Probleme, die sich nicht nur darin äußern, dass der VfB etwa den Rechtsverteidiger Pablo Maffeo aussortieren musste, dass in Holger Badstuber ein Großverdiener quasi keine Rolle spielt oder dass vielversprechende Talente wie Borna Sosa nicht in Schwung kommen. Von seinen Spielern, das ist Weinziel wichtig, fühlt sich der Trainer dennoch nicht im Stich gelassen. „Ich merke, dass sie alle wollen“, sagt der Coach – und doch dürfte er sich manchmal vorkommen, als würde er einen Sack Flöhe hüten.

Dazu kommt die unsichere persönliche Situation: „Ich vertraue meinem Chef – zumal seine Äußerungen gerade eine Woche her sind“, sagt Weinzierl vor dem Augsburg-Spiel mit Blick auf die Einlassung des VfB-Sportvorstands Thomas Hitzlsperger. Der hatte nach dem 1:1 gegen Nürnberg erklärt: „Wir ziehen das gemeinsam durch.“ Noch hat der VfB in Augsburg längst nicht verloren – auch wenn die letzten Auftritte ernüchternd verliefen. In den beiden letzten Partien ging der VfB gegen den FCA als 1:0-Sieger vom Platz. „Klar ist, dass wir gewinnen müssen, wenn wir direkt in der Liga bleiben wollen“, sagt Weinzierl.

Holt sich der VfB allerdings am Samstag seine 19. Niederlage im 30. Saisonspiel ab, erwartet den Club ein turbulentes Osterfest. Schließlich erscheint eine weitere Zusammenarbeit mit einem Trainer, dem schon jetzt in den vergangenen 14 Spielen nur ein Sieg bei vier Unentschieden gelungen ist und dessen Punktschnitt von 0,73 Zählern pro Partie der schlechteste aller VfB-Trainer in der Vereinsgeschichte ist, im Falle einer Niederlage in Bayerisch Schwaben nur sehr schwer vorstellbar. Allen Treueschwüren zum Trotz dürfte vom Sportvorstand Hitzlsperger dann erwartet werden, dass er seinerseits noch mal einen neuen Reizpunkt setzt: und zwar in Form eines Trainerwechsels. Dieser dürfte dann für Weinzierl relativ geräuschlos über die Bühne gehen.