Florian Lipowitz erlebt zu Beginn der 15. Etappe einen Schrecken. Der kleine Sturz bleibt aber ohne Folgen. Am Ende verteidigt er den dritten Platz und das Weiße Trikot.
Florian Lipowitz fährt bei der Tour weiter in Weiß.
Von Marc Möller und Felix Schröder, dpa
Carcassonne - Florian Lipowitz war am Ende der 15. Tour-Etappe "einfach nur froh, im Ziel zu sein". Nach den harten Tagen in den Pyrenäen hatte Deutschlands Rad-Jungstar eigentlich auf eine entspanntere Fahrt nach Carcassonne gehofft. Doch daraus wurde nichts. Die hektische Anfangsphase sorgte bereits früh für einen Schreckmoment beim 24-Jährigen.
"Ich hatte einen kleinen Sturz, so 20, 30 Kilometer nach dem Start. Danach war es super hart, wieder zurückzukommen. Ich hatte heute nicht die besten Beine", sagte Lipowitz der ARD. "Aber ich habe mir nichts wehgetan zum Glück." Nun freue er sich einfach nur "auf den Ruhetag".
Lipowitz verteidigte an dem hochsommerlichen Sonntag in Südfrankreich dennoch souverän seinen dritten Platz in der Gesamtwertung und das Weiße Trikot des besten Jungprofis. Rolf Aldag, sportlicher Leiter beim Team Red Bull, dämpfte die hohen Erwartungen an den jungen Schwaben etwas. Das Weiße Trikot habe man noch nicht gewonnen. "Das haben wir jetzt halt. Wenn man in Paris ist, ist das mit Sicherheit ein Grund zu feiern. Jetzt sind wir halt auf drei. Jetzt sind wir quasi die Gejagten. Das macht es nicht einfacher."
Lipowitz darf sich bei seiner ersten Frankreich-Rundfahrt aber weiter berechtigte Hoffnungen auf das Podium in Paris machen. Er wäre seit 2006 der erste deutsche Radprofi, der auf dem Tour-Podest stehen würde. Damals belegte Andreas Klöden den zweiten Platz.
Im Gesamtklassement liegt Lipowitz weiter 7:53 Minuten hinter Titelverteidiger und Tour-Dominator Tadej Pogacar im Gelben Trikot und dessen Dauerrivalen Jonas Vingegaard (3:40 Minuten). Auf den viertplatzierten Oscar Onley hat der frühere Biathlet bereits einen Vorsprung von 1:25 Minuten.
Lipowitz freut sich über die Begeisterung in Deutschland
"Ich bekomme super viele Nachrichten. Jeder freut sich mit mir. Ich hoffe, ich mache mir nun selber nicht zu viel Druck", sagte Lipowitz der ARD vor dem Start der 15. Etappe. "Es ist schön zu sehen, dass wieder so viele Leute in Deutschland Radsport schauen und begeistert sind."
In Carcassonne rollte Lipowitz an der Seite von Tour-Dominator Pogacar und Vingegaard im Hauptfeld über den Zielstrich. Das Trio verzichtete auf gegenseitige Attacken und schonte die Kräfte für die anstehenden harten Kletterpartien in den Alpen. Den Tagessieg holte sich nach 169,3 hügeligen Kilometern der Ausreißer Tim Wellens. Der 34-jährige Belgier aus dem Team von Pogacar gewann vor seinem Landsmann Victor Campenaerts und dem Franzosen Julian Alaphilippe.
Für das UAE-Team war es bereits der fünfte Etappensieg bei dieser Tour - viermal hatte Pogacar triumphiert, nun Wellens. "Ich glaube, langweilig wird es nie. Wir fahren spannende Rennen. Wir sind heiß auf mehr", sagte Nils Politt zur Dominanz seiner Mannschaft.
Hektischer Start und Fairplay
Die hektischen ersten Kilometer zeigten aber auch, dass der Weg für Lipowitz auf die Champs-Élysées in der französischen Hauptstadt noch lang und voller Gefahren ist. Zu Beginn der 15. Etappe wurde er wie ein Großteil des Feldes durch einen Sturz von Alaphilippe aufgehalten. Auch Lipowitz kam bei geringer Geschwindigkeit zu Fall und verpasste erst einmal den Anschluss an die Spitzengruppe um Pogacar.
Mit Hilfe seines Red-Bull-Teams schaffte der Quereinsteiger, der erst vor fünf Jahren die Sportart gewechselt hatte, aber wieder schnell den Anschluss ans Hauptfeld. "Lipo hat die Kette verloren. Es dauerte eine ganze Weile, die wieder drauf zu basteln", sagte Aldag.
Zudem wurde Pogacar von seinem UAE-Team per Funk informiert, dass neben Lipowitz auch Vingegaard durch den Sturz den Anschluss verloren hatte. Daraufhin drosselte der Slowene das Tempo und ließ sich zurückfallen. Es war eine Geste des Fairplays, denn der slowenische Ausnahmefahrer war auf der elften Etappe wenige Kilometer vor dem Ziel in Toulouse selbst zu Sturz gekommen. Die Konkurrenz hatte damals ebenfalls extra auf ihn gewartet und auf Attacken verzichtet.
Lipowitz' märchenhafte Tage in den Pyrenäen
Lipowitz fühlt sich bei seiner Tour-Premiere "schon ein bisschen wie im Märchen". Das Selbstvertrauen nahm nach den Leistungen in den Pyrenäen von Etappe zu Etappe zu. "Ich denke, ich habe bis jetzt schon viel gezeigt. Ich kann vorne mitfahren", sagte er am Samstag nach der Kletterpartie über fast 5.000 Höhenmetern hinauf zur Skistation Luchon-Superbagnéres.
Fokus auf die Alpen
Sein Fokus liegt nun voll auf der letzten Tour-Woche, wenn es auf die schweren Alpen-Etappen geht. "Das wird die entscheidende", erklärt Lipowitz. "Ich hoffe, dass die Beine durchhalten und auch die letzte Woche gut überstehen. Ich werde mein Bestes geben."
Nach dem Ruhetag am Montag steht auf der 16. Etappe am Dienstag mit dem Mont Ventoux ein erneutes Kletter-Spektakel für die Fahrer und Fans auf dem Programm. Von Montpellier geht es über 171,5 Kilometer hinauf zur Bergankunft auf dem legendären Tour-Klassiker in 1.910 Metern Höhe.
Das Fahrerfeld der Tour de France auf dem Weg nach Carcassonne.
Tim Wellens hat die 15. Tour-Etappe gewonnen.