In den Hotels herrscht gähnende Leere

Für touristische Zwecke darf in der Coronakrise ohnehin nicht gebucht werden, aber auch Geschäftsreisende sind momentan rar

An den Rezeptionen, an denen sonst die Gäste mit ihren klackernden Koffern ein- und auschecken, ist es mucksmäuschenstill. In den Frühstücksräumen, in denen sich morgens oftmals längere Schlangen am Büfett bilden, herrscht gähnende Leere. Die Hotels in Backnang und Umgebung leiden wie so viele Branchen unter den Einschränkungen im Zuge der Coronapandemie, und es trifft die großen wie die kleinen. In vielen Häusern ist momentan kaum noch ein Zimmer belegt.

Holt derzeit höchst selten einen Zimmerschlüssel aus dem Schrank an der Rezeption: Hendrik Wahl vom Hotel Gerberhof in Backnang.Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Holt derzeit höchst selten einen Zimmerschlüssel aus dem Schrank an der Rezeption: Hendrik Wahl vom Hotel Gerberhof in Backnang.Foto: A. Becher

Von Steffen Grün

BACKNANG. Eigentlich hatte sich der März „wunderbar angelassen“, erzählt Angelika Endres vom Hotel Murrtal in Backnang, „das ist traditionell einer der stärksten Monate“. Nur in den Osterferien gehen die Reservierungen in der Regel zurück, denn „bei uns buchen vor allem Geschäftsreisende“. Auch der Blick in die Zukunft stimmte die Chefin zuversichtlich, denn ab April seien meist auch die Wochenenden gut ausgelastet, „das liegt an der im Frühjahr zunehmend steigenden Zahl an Familienfeiern wie etwa Hochzeiten“. Doch dann begann die Corona-Krise, „ab der zweiten März-Woche waren wir nahezu nur noch mit Stornierungen beschäftigt“. Vor allem, weil Firmen ihre Seminare und ihre Tagungen gestrichen und Reiseverbote für ihre Mitarbeiter erlassen haben. Zwei Gäste waren es in den 36 Zimmern des Hotels in der Talstraße vergangene Woche noch, die reisten donnerstags ab – und nun? „Ich nehme Gäste auf, die auch ohne Frühstück buchen wollen“, erläutert Angelika Endres, die sich in diesen Krisen-Zeiten selbst um den Zimmerservice kümmert und für die drei Festangestellten Kurzarbeitergeld beantragt hat. Sorgen bereitet ihr insbesondere die Situation ihrer sechs 450-Euro-Kräfte: „Ich bedauere es, dass sich die Dehoga nicht stärker um diese Leute kümmert.“ Bis Ende April könne sie diese Mini-Jobber mit Regelungen wie Überstundenabbau vielleicht noch behalten, danach drohen Kündigungen. „Ich hoffe aber, dass es nicht so weit kommt“, betont Angelika Endres.

Dass das Kurzarbeitergeld bisher nicht für die 450-Euro-Jobs greift, treibt auch Hendrik Wahl vom Hotel Gerberhof in der Wilhelmstraße in Backnang um. Der Geschäftsführer beziffert den Verlust durch die bisherigen Stornierungen im Zuge der Corona-Krise auf knapp über 40 000 Euro, „Tendenz steigend“. 42 Zimmer gibt es im Haus, „für diese Woche ist im Moment eins gebucht und so bleibt es vielleicht bis Mitte April“. Das liegt zum kleineren Teil daran, „dass wir Privatreisende derzeit in der Regel nicht beherbergen dürfen, es sei denn, sie haben eine Ausnahmegenehmigung – zum Beispiel für einen Arztbesuch, der nur in Backnang zu erledigen ist“. Viel schwerer wiegt in einem Hotel, das zu 90 bis 95 Prozent von Firmenmitarbeitern besucht wird, dass auch Geschäftsreisen „auf das Notwendigste beschränkt sind. Die Zimmer werden dann von den Firmen direkt gebucht“. Eigentlich, sagt Wahl, sei die Auslastung im Gerberhof bis zu den Sommerferien „sehr gut“, und jetzt das.

Statt Frust zu schieben und nichts zu tun, krempelt er jedoch lieber die Ärmel hoch und kündigt an: „Wir nutzen diese trostlose Zeit, um nun auch das letzte der drei Stockwerke zu renovieren, das noch nicht an der Reihe war, und um in einem Stockwerk Klimaanlagen in allen Zimmern einzubauen.“ Allzu lange sollte der Shutdown jedoch auch nicht dauern, denn nicht nur für ihn wäre es ein Schreckensszenario, wenn auch das Heimspiel- Wochenende von Schlagerkönigin Andrea Berg von 17. bis 19. Juli ausfallen würde, denn zu diesem Großevent im Fautenhau „sind alle Hotels in Backnang und Umgebung seit Jahren so gut wie ausgebucht“.

Den besten Beweis bietet ein Blick auf die Internetseite der Villa Dahlia, ein Bed- and-Breakfast-Hotel mit sechs Zimmern im Bertha-von-Suttner-Weg in Backnang. Sofort springt einem der Hinweis ins Auge, dass an dem Juli-Wochenende, an dem Andrea Berg ihre Fans in den Fautenhau lockt, absolut nichts mehr frei ist. Damit, dass auch aus diesen Konzerten am Ende nichts werden könnte, will sich Dagmar Pfennig-Jeck derzeit noch nicht beschäftigen. „Man muss positiv denken“, sagt die Inhaberin: „Ich hoffe, dass es im Mai wieder losgeht.“ Schon im Januar und Februar habe sie gewisse Einbußen gehabt, die sie auf die leichte wirtschaftliche Eintrübung zurückführt, von der anfangs guten Buchungslage ab März ist nun nichts übrig geblieben. Das liegt zum Beispiel an den weggefallenen Messen in der Landeshauptstadt, denn „viele wollen nicht so viel Geld bezahlen wie in Stuttgart“, suchen lieber ein Hotel in der Murr-Metropole und fahren mit der S-Bahn hin.

Zu spüren kriegt die Villa Dahlia aber auch die abgesagten Osterbesuche bei der Verwandtschaft und die vorerst verschobenen Konfirmationen oder Hochzeiten, „manchmal ist das ganze Haus mit einem Fest voll“. Es gebe auch Gäste, die zwei- bis dreimal im Jahr kommen, wenn sie die Familie oder Freunde in Backnang besuchen. Auch das fällt grade flach, bis Mitte Mai sei es „fast leer“, sagt Pfennig-Jeck. Vereinzelt kann sie noch Geschäftsreisende begrüßen, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch sie muss Kurzarbeit anmelden, weil es für die eine festangestellte Mitarbeiterin nicht genug zu tun gibt, „den Rest erledige ich alleine“.

Volker Reich vom Hotel Reich am Ebnisee blutet das Herz, wenn er die beiden verwaisten Veranstaltungssäle, den leeren Biergarten, das geschlossene Restaurant, die Terrasse oder den Imbiss sieht. 550 Sitzplätze bleiben momentan ungenutzt – und das eben nicht nur drinnen, sondern auch draußen am Ufer der „Perle des Schwäbischen Waldes“, wie der Ebnisee genannt wird. Ein schönes Plätzchen, das vor allem auch Familien für ihre Feierlichkeiten schätzen und die 18 Hotelzimmer gleich mitbuchen. Nur in diesen Tagen nicht, „teilweise bis in den Mai hinein“ würden solche Veranstaltungen abgesagt. Den Wunsch nach Ersatzterminen kann Volker Reich aber schwer erfüllen, denn „wir sind bis Mai 2022 an den Samstagen sowie in der Nacht auf Sonntag ausgebucht“, betont der Inhaber.

Vom größten Haus in der Region, dem Hotel Sonnenhof in Kleinaspach, war zuletzt bekannt geworden, dass dort bis zu 100 Reservebetten geplant sind (wir berichteten). Falls die Zahl der Covid-19-Fälle so stark ansteigt, dass die Hospitäler im Landkreis zusätzlichen Platz schaffen müssen, sollen sie mit nicht infizierten Patienten belegt werden, die nach der Krankenhausbehandlung noch Pflege brauchen. Seit dieser Nachricht wird das Hotel, das im ganzen Land mit Schlagerstar Andrea Berg in Verbindung gebracht wird, von Medienanfragen überhäuft. Die Macher wollen sich deshalb zurzeit auch zur aktuellen Lage nicht äußern.

Hintergrund

Was den Hotels in diesen Tagen noch erlaubt ist, steht in den sogenannten Auslegungshinweisen zur baden-württembergischen Coronaverordnung, die seit vergangenen Montag gilt. Beherbergungsbetriebe wie auch Ferienwohnungen, Campingplätze und Wohnmobilstellplätze dürfen „ausschließlich zu geschäftlichen, dienstlichen oder in besonderen Härtefällen auch zu privaten Zwecken“ geöffnet bleiben, für Touristen müssen die Pforten dagegen geschlossen bleiben.

„Es ist eine Katastrophe für jeden Betrieb“, sagt Michael Matzke, der als Vorsitzender der Kreisstelle Rems-Murr des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) knapp 400 Mitglieder vertritt, über die Folgen der Coronakrise. Mittlerweile seien die Umsätze „faktisch fast auf Null“ gesunken.

„Ich höre auch, dass viele kleine Betriebe von den Hilfsmaßnahmen kaum profitieren“, berichtet Matzke. Es sei zwar „besser als nichts“, wenn bei bis zu fünf Beschäftigten eine einmalige Soforthilfe von bis zu 9 000 Euro fließt, aber „wie lange kann man davon leben, wenn man alleine eine Pacht von 2 000 bis 4 000 Euro zu bezahlen hat“, gibt der Backnanger zu bedenken.

Alle weiteren Überlegungen hätten einen Haken. „Einen Kredit muss ich irgendwann zurückzahlen“, stellt Michael Matzke fest, eine Steuerstundung werde eben später fällig. Und das ist fraglos ein Problem für die von ihm vertretene Branche, denn „viele Kleinbetriebe arbeiten von Monat zu Monat“. Ein besonderer Fall sind die 450-Euro-Jobber, die in der gesamten Dienstleistungsbranche in stattlicher Anzahl im Einsatz sind und für die das momentan en masse beantragte Kurzarbeitergeld bislang nicht greift. „Auch sie sollten auf irgendeine Weise geschützt werden“, fordert Michael Matzke. „Wir hoffen alle, dass es möglichst schnell wieder aufwärts geht und dann braucht man die 450-Euro-Jobber wieder.“

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Erstellt:
30. März 2020, 06:00 Uhr

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