200 Jahre Beethovens Neunte Sinfonie

Freiheit, schöner Götterfunke!

Vor 200 Jahren wurde Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie uraufgeführt. Der TV-Kanal Arte zelebriert das Jubiläum nun ganz im europäischen Sinne.

Beethovens 9. Sinfonie: die Originalpartitur

© WDR/Accentus Musicus

Beethovens 9. Sinfonie: die Originalpartitur

Von Tilmann P. Gangloff

Am Ende dieser sehenswerten Doku heißt es über „Beethovens Neunte“: „Musik macht was mit uns Menschen“. Achtzig Minuten lang versuchen einige äußerst kluge Köpfe, die Faszination zu erklären, die von dieser Komposition ausgeht. Dass die Neunte Sinfonie Ludwig van Beethovens ein besonderes Werk ist, ahnten die Menschen offenbar bereits bei der Uraufführung am 7. Mai 1824 im Wiener Theater am Kärntnertor. Wer heute in ein klassisches Konzert geht, kennt die aufgeführten Stücke in der Regel bereits; Musik ist überall und jederzeit verfügbar, was sie auch in gewisser Weise beliebig macht. Das war damals naturgemäß anders. Der Beifall für das ganz Neue, so ist es überliefert, war frenetisch, aber der Komponist hat davon zunächst gar nichts mitbekommen: Er stand mit dem Rücken zum jubelnden Publikum und war zu diesem Zeitpunkt, knapp drei Jahre vor seinem Tod, bereits völlig taub. Den Applaus sah er erst, als eine der Sängerinnen ihn umdrehte.

Anlässlich des Jahrestages hat Carmen Traudes im Auftrag von WDR und Arte versucht, die Besonderheit dieses epochalen Werks herauszuarbeiten. Dabei ist ihr eine fesselnde Mischung gelungen: Dank vieler Sachverständiger aus unterschiedlichsten Bereichen schildert „Die Macht der Musik“ einerseits die Begleitumstände der Entstehung, befasst sich andererseits aber auch ganz konkret mit dem Werk. Gerade diese Passagen sind sehr spannend.

Da staunt sogar der musikalische Laie

Die Autorin hat mit gleich vier internationalen „Weltstars am Pult“ gesprochen, die sich in Herkunft, Alter und Temperament erheblich voneinander unterscheiden: der vergleichsweise junge Finne Klaus Mäkelä (Jahrgang 1996), der Lette Andris Nelsons (1978) und der Italiener Riccardo Chailly (1953). Interessanteste Gesprächspartnerin ist jedoch Joana Malwitz (1986). Wenn die Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin, zuvor im Alter von gerade mal 27 Jahren Generalmusikdirektorin am Theater Erfurt, am Klavier den Aufbau des letzten Satzes erklärt, bekommen auch Menschen, die Musik bloß konsumieren, eine Ahnung, was die herausragende Bedeutung der Neunten Sinfonie ausmacht.

Mindestens genauso spannend ist die Analyse des Textes. Die berühmtesten Verse stammen von Friedrich Schiller; jene Zeilen, die auch den Geist der Sinfonie repräsentieren: „Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt; alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.“ Dieses Hauptthema des letzten Satzes wurde 1972 zur Hymne des Europarats und 1985 von der Europäischen Gemeinschaft, dem Vorläufer der EU, zur offiziellen Europahymne erklärt. Nach dem Fall der Mauer setzte Leonard Bernstein 1989 ein Zeichen, als er die „Neunte“ erst im Westen und dann im Osten Berlins aufführte, wobei er das Wort „Freude“ durch „Freiheit“ ersetzte.

Nach der Doku überträgt Arte Aufführungen der vier Sinfonie-Sätze nacheinander, und zwar aus Leipzig, Paris, Mailand und Wien – unter Leitung der vier Dirigenten, die zuvor schon zu Wort kamen.

Arte, 7. 5., ab 20.15 Uhr

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Erstellt:
6. Mai 2024, 17:44 Uhr

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