Abschied von der Kita wie bisher

Kürzere Zeiten, ehrenamtliche Betreuer – dass viele Kommunen ihre Kitas umgestalten, ist alternativlos.

Von Lisa Welzhofer

Stuttgart - „Wir dürfen nicht vergessen, was die Kommunen für Familien geleistet haben“, sagte kürzlich eine Elternvertreterin und betont, was in der dystopischen Kitadiskussion oft untergeht: Tatsächlich wurde mit dem massiven Ausbau der Kinderbetreuung in den vergangenen Jahren begonnen, ein Versprechen der Familienpolitik einzulösen: Eltern sollten Kinder und Erwerbsarbeit vereinbaren können und die Kleinsten, die es brauchen, möglichst früh in ein System von Bildung, Förderung und liebevoller Betreuung eingebunden werden. Auch wenn nie genug Betreuungsplätze vorhanden waren, schon bevor sich der Fachkräftemangel abzuzeichnen begann, waren die vergangenen zwei Jahrzehnte von dem gesellschaftlichen Gefühl getragen, auf dem richtigen Weg zu sein.

Umso erschütternder wirkt vor allem bei den Eltern die Nachricht, dass es so nicht weitergehen kann, dass das System in einer tiefen Krise steckt. Die Zahl der Fachkräfte hat sich in den vergangenen 15 Jahren im Land verdoppelt. Jetzt verharrt sie auf einem Plateau. Die Babyboomer gehen in Rente, die Krankenstände der überlasteten Erzieherinnen sind hoch, weshalb Öffnungszeiten schon jetzt oft nur auf dem Papier bestehen. Gleichzeitig gibt es immer mehr Kinder, die dringend einen Ort brauchen, an dem sie Grundlegendes lernen und erfahren.

Weil das System bislang zu Recht mit hohen Qualitätsansprüchen errichtet wurde, sind die Enttäuschung und auch die Sorge vor dem, was kommt, umso größer. Dass zum Beispiel in Baden-Württemberg eine Fachkraft drei Krippenkinder betreuen darf, bezeichnen Forscher als vorbildlich. Zudem bauten manche Kommunen ein flächendeckendes Ganztagsangebot mit langen Betreuungszeiten auf und setzten einen Standard, an den sich Familien gewöhnt haben.

Dennoch ist es alternativlos, die Kitalandschaft umzugestalten. Mit einer Gesetzesänderung, die Kommunen zwar einerseits die problematische Aufweichung des Personalschlüssels ermöglicht, aber andererseits auch kreative Ideen vor Ort fördert, hat das Land einen Rahmen geschaffen.

Auf dieser Grundlage bauen Träger allerorten nun ihr Angebot so um, dass sich die Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen verbessern, Eltern arbeiten können und möglichst alle Kinder mit Bedarf einen Platz, noch dazu einen von hoher Betreuungs- und Bildungsqualität, erhalten. Wobei schon diese Aufzählung zeigt, wie komplex und konfliktträchtig diese Prozesse sind. Dass in manchen Kommunen die Anzahl an Ganztagsplätzen auf den Prüfstand kommt, ist ebenso richtig. Ob hohe Ganztagsquoten von bis zu 90 Prozent in Krippen mancher Städte dem Bedarf der Eltern entsprechen, ist fraglich und durch Studien nicht belegt. Auch die Einbindung von privaten pädagogischen Gruppen in die Betreuung, wie etwa die Malteser, die mancherorts nach Kita-Ende Spielgruppen anbieten, hat sich bewährt.

Wichtig ist es, solche Veränderungen nicht handstreichartig, sondern mit den Familien und Fachkräften zu gestalten. Dabei muss transparent werden, nach welchen Kriterien wer welchen Platz bekommt. Außerdem braucht es Übergangsregelungen. Eine größere Verantwortung wird auch Arbeitgebern zukommen, die Kinderbetreuung mitorganisieren und auf eine veränderte Struktur mit flexiblen Arbeitszeiten ihrer Mitarbeitenden reagieren müssen.

Der Abschied vom gekannten Kitasystem ist schwer. Er ist verbunden mit Ängsten und realen Problemen. Denn dass am Ende jedes Kind den Platz bekommen wird, den es selbst und seine Eltern brauchen, scheint, zumindest für die Zeit des Umbruchs, unwahrscheinlich. Dieses Ziel darf man aber nicht aufgeben. Es geht weiterhin darum, die Versprechen der Familienpolitik einzulösen.

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Erstellt:
24. April 2024, 22:06 Uhr
Aktualisiert:
25. April 2024, 21:45 Uhr

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