Klimawandel im Südwesten

Dieser Sommer kratzt an vielen Negativrekorden

Hohe Temperaturen und wenig Regen: Das Jahr 2022 übertrifft laut der Landesanstalt für Umwelt schon jetzt bei manchen Werten die Dürrejahre 2003 und 2018.

Vielen Booten am Bodensee ist in diesem heißen und trockenen Sommer das Wasser abhandengekommen.

© Imago/Andreas Haas

Vielen Booten am Bodensee ist in diesem heißen und trockenen Sommer das Wasser abhandengekommen.

Von Thomas Faltin

Alle haben es gespürt, dass der diesjährige Sommer nicht normal war – wir haben unter der Hitze gestöhnt und die beinahe ausgetrockneten Flüsse gesehen. Jetzt hat die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Karlsruhe die Zahlen und Fakten dazu vorgelegt – und diese bestätigen alle Befürchtungen. Der Sommer habe das Potenzial, die Rekordhitzejahre 2003 und 2018 abzulösen, sagte der neue Präsident der LUBW, Ulrich Maurer: „Von einer Ausnahmesituation möchte ich aber nicht mehr reden – die Klimamodelle zeigen deutlich, dass wir künftig häufiger solche Sommer erleben werden.“

Bei den Hitzetagen liegt 2022 mit 23 Tagen mit mehr als 30 Grad in den Monaten Juni, Juli und August noch nicht ganz vorne, aber auf dem dritten Platz – 2003 waren es sogar 27 Tage. Beim Niederschlag reiht sich dieser Sommer mit 170 Millimetern dagegen schon ein in die bisherigen Negativrekordjahre 2003 (174 Millimeter) und 2018 (164 Millimeter). Was die Wasserstände der Flüsse anbetrifft, wurden tatsächlich neue Niedrigststände verzeichnet: Der Pegel bei Maxau am Rhein fiel bis auf 322 Zentimeter, so wenig wie noch nie in den vergangenen 40 Jahren in einem August.

Grundwasserpegel liegen auf bedenklich niedrigen Ständen

Bedenklich sind auch die Grundwasserstände, wie der LUBW-Experte Thomas Gudera erklärte: Vielerorts seien Ende Juli die geringsten Werte der vergangenen 30 Jahre erreicht worden. Vor allem im Schwarzwald seien viele Quellen versiegt. Einen Überblick, ob die Trockenheit die Trinkwasserversorgung in Baden-Württemberg beeinträchtigt habe, besitze er aber noch nicht. Langfristig muss sich das Land aber mit diesem Thema befassen. Eine Wasserstrategie steht seit 2019 auf der Agenda des Landes; manche beklagen aber die zögerliche Ausarbeitung.

Bei vielen Flüssen waren die Wassertemperaturen in diesem Sommer bedenklich hoch. In der Donau bei Ulm wurde sogar mit 20,7 Grad der höchste bisher gemessene Wert erreicht. Im Neckar war es der zweithöchste, im Rhein der dritthöchste Wert. Kälteliebende Arten wie Forellen würden dadurch in ihrem Lebensraum zurückgedrängt, sagte der Flussexperte Uwe Bergdolt. Manche Flüsse, wie die Dreisam bei Freiburg, trockneten sogar ganz aus. Für die Tiere und Pflanzen sei das verkraftbar, wenn es bei einem Mal bleibe, so Bergdolt. Sonst aber hätten Fische oder auch Muscheln ein Problem – die Wiederbesiedlung könne dann sehr lange dauern.

Experte: Am Bodensee ist die Situation nicht dramatisch

Eine Besonderheit ist der Bodensee. Der niedrigste Pegel bei Konstanz lag in diesem Sommer am 17. und 18. August bei 304 Zentimetern. Das sind zwar 90 Zentimeter weniger als sonst in dieser Jahreszeit üblich, aber im Jahr 2003 war der Wasserstand sogar auf 278 Zentimeter gesunken. Und: Im Winterhalbjahr sind solche Pegel ganz normal, weil Niederschläge als Schnee in den Alpen gespeichert werden und nicht in den Bodensee gelangen. Insofern seien Tiere und Pflanzen an solche niedrigen Wasserstände angepasst, betonte Harald Hetzenauer, der Leiter des Instituts für Seenforschung der LUBW: „Die Situation ist nicht dramatisch.“

Auch die Entnahme von Trinkwasser sei kein Problem. Dadurch sinke der Wasserspiegel um maximal zwei Zentimeter; durch die normalen Einflüsse der Witterung verändere sich der Pegel dagegen häufig im Bereich von einem ganzen Meter in kurzer Zeit.

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Erstellt:
30. August 2022, 14:56 Uhr

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