Fake News im Internet

EU macht beim Kampf gegen Hass und Hetze endlich Dampf

In den sozialen Medien verbreiten sich Lügen und Verschwörungen. Nun sollen den Online-Plattformen Zügel angelegt werden. Zum Vorbild könnte die EU werden, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Der Sturm auf das Kapitol in Washington war erst durch das Verbreiten von Verschwörungen auf den Online-Plattformen möglich geworden.

© dpa/Essdras M. Suarez

Der Sturm auf das Kapitol in Washington war erst durch das Verbreiten von Verschwörungen auf den Online-Plattformen möglich geworden.

Von Knut Krohn

Im Internet galten lange die Gesetze des Dschungels: der Stärkere hatte das Sagen und agierte nach seinen eigenen Regeln. Staaten und Gesellschaft waren sichtlich überfordert von der Geschwindigkeit und der Radikalität, mit der sich diese folgenreiche Entwicklung vollzog. So wurde etwa die tsunamiartige Zunahme von Hass und Hetze in den sozialen Medien zwar von allen Seiten laut beklagt, dagegen unternommen wurde allerdings wenig. Zu lange haben sich die Gesetzgeber auf die vollmundigen, aber leeren Versprechungen der Internet-Giganten verlassen, die Probleme selbst zu lösen.

Dann aber kam der Januar 2021. Damals blickte die entsetzte Welt in den digitalen Abgrund, weil aus Worten plötzlich Taten wurden. Der von Ex-US-Präsident Donald Trump entfachten Sturm aufs Kapitol zeigte, wie gefährlich es werden kann, wenn sich Verschwörungserzählungen ungehindert im Netz ausbreiten. Die mächtigste Demokratie der Welt schien in ihrer Existenz gefährdet.

Der Sturm auf das Kapitol als Wendepunkt

Nicht nur für die USA war dies ein traumatisches Erlebnis. Endlich wurde die Rolle der bisher scheinbar unangreifbaren Internet-Giganten aus dem Silicon Valley hinterfragt. Sie stellen nicht nur die Plattformen bereit, auf denen sich der digitale Mob austoben kann. Die Whistleblowerin Frances Haugen machte zudem öffentlich, dass etwa Facebook zum Wohle des eigenen Profits Hass und Gewalt befördere.

Dennoch tun sich die USA schwer mit einer Gesetzgebung für das Internet. Zwar versucht Washington gerade, Tiktok wegen des Vorwurfs der Spionage in die Schranken zu weisen, doch die eigenen US-Unternehmen bleiben bisher weitgehend verschont. Denn Regulierungen gelten im digitalen Raum vor allem als Bremse der Innovation, was dem amerikanischen Pioniergeist widersprechen würde.

Die Welt blickt gespannt auf Europa

Aus diesem Grund blickt die Internet-Welt im Moment gespannt auf Europa. Denn die EU hat sich aufgemacht, dem Treiben im digitalen Raum mit eigenen Gesetzen Grenzen zu setzen. Das sorgt nicht nur im Silicon Valley für einige Unruhe. Denn außenpolitisch ist die Union zwar ein oft belächeltes Fliegengewicht, aber wirtschaftlich ist Europa mit seinen 450 Millionen Einwohnern eine Weltmacht.

Der EU-Ansatz klingt verblüffend einfach: Was im realen Leben verboten ist, soll auch im Internet illegal sein. Konkret heißt das, dass Brüssel die Online-Plattformen dazu zwingen will, endlich mehr Verantwortung dafür zu übernehmen, was bei in ihren Foren passiert. Sie sollen unter anderem Falschinformationen und Gewaltdarstellungen schneller löschen und die Algorithmen hinter personalisierter Werbung offenlegen. Verstößt ein Unternehmen gegen die Regeln, drohten Milliardenstrafen.

Ein Grundgesetz für das Internet

Die entsprechenden Gesetze sind nach jahrelanger Arbeit inzwischen scharf gestellt und die EU-Kommission gibt sich sehr entschlossen, diese auch anzuwenden. Die Unternehmen gehen offenbar davon aus, dass es sich nicht um leere Drohungen handelt. In diesen Tagen hat die Videoplattform Tiktok ein umstrittenes Belohnungssystem ausgesetzt, nachdem Brüssel aufgrund der neuen Gesetzeslage eine Blockade der Funktion in der EU angekündigt hatte. Auch gegen den Facebook-Mutterkonzern Meta läuft ein Verfahren wegen der Verbreitung von Falschinformationen zur Europawahl unter anderem aus Russland.

Der EU ist es gelungen, eine Art Grundgesetz für das Internet zu formulieren. Der nächste Schritt muss sein, die Regeln konsequent durchzusetzen – auch mit Milliardenstrafen. Erst dann werden die Internet-Riesen verstehen, dass nicht mehr sie allein die Regeln des Internets bestimmen.

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Erstellt:
1. Mai 2024, 15:50 Uhr
Aktualisiert:
1. Mai 2024, 16:20 Uhr

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