China und die Pandemie

Rauswurf eines Coronaforschers

Zhang Yongzhen ebnete den Weg zu Impfungen gegen das Corona-Virus. Jetzt wird er von der chinesischen Regierung schikaniert.

Archivbild aus dem Jahr 2020: Ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Schutzanzug entnimmt einer Frau in Qingdao eine Abstrichprobe für den COVID-19-Test.

© dpa/Li Ziheng

Archivbild aus dem Jahr 2020: Ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens im Schutzanzug entnimmt einer Frau in Qingdao eine Abstrichprobe für den COVID-19-Test.

Von Rainer Werner

Zhang Yongzhen hat als erster Wissenschaftler die Genomsequenz des Coronavirus entschlüsselt – und damit den weltweiten Weg für eine Covid-Impfung geebnet. Doch nun, über vier Jahre später, sitzt der Virologe vor dem Eingang seines Forschungslabors auf einem Stück Pappmaché im Shanghaier Nieselregen.

Was nach einem verspäteten Aprilscherz klingt, ist seit dem Wochenende bittere Realität: Einer der mutigsten Wissenschaftler der Volksrepublik China wurde aus seinen eigenen Arbeitsräumen verwiesen. „Ich werde nicht aufgeben, ich verfolge die Wissenschaft und die Wahrheit!“, schrieb der 59-Jährige auf seinem persönlichen Weibo-Account am Montag, ehe das Posting von den Zensoren gelöscht wurde.

Forschungslabor wird von Sicherheitskräften umstellt

Was genau vorgefallen ist, lässt sich bislang nicht unabhängig überprüfen. Denn nicht nur online haben die chinesischen Behörden eine strikte Informationssperre verhängt, sondern auch das entsprechende Forschungslabor des Shanghai Public Health Clinical Center mit Sicherheitskräften umstellt. Als ein Reporter der US-Nachrichtenagentur AP Professor Zahng Yongzhen treffen wollte, wurde ihm der Weg versperrt. Nur am Telefon teilte er in kryptischen Worten mit, dass er derzeit schlecht reden könne, da die Leitung abgehört werde. Laut seinem Arbeitgeber handelt es sich alles um ein großes Missverständnis: Dem Virologen sei bereits ein alternativer Arbeitsplatz angeboten worden, die alten Labore mussten wegen Renovierungsarbeiten geschlossen werden. Zhang selbst hat dieser Darstellung entschieden widersprochen.

Sein aktueller Sitzprotest ist nicht nur der jüngste Beleg dafür, wie rigide der Einparteienstaat seine Akademiker kontrolliert; sondern zeigt auch, wie sensibel er weiterhin sämtliche Vorgänge rund um den Ursprung des Coronavirus behandelt. Denn Zhang hatte bereits im Januar 2020, als er die Genomsequenz des neuartigen Erregers eigenhändig publizierte, Besuch vom Sicherheitsapparat erhalten. Ob es damals darum ging, dass die Behörden Beweise vernichten oder zumindest unter Verschluss halten wollten, lässt sich zwar nicht endgültig beweisen. Die Indizien legen jedoch genau dies nahe.

Anweisung von oben: keine Information über die „Wuhan-Krankheit“ verbreiten

Denn das chinesische Magazin „Caixin“ hatte damals von einer Order der Nationalen Gesundheitskommission vom 3. Januar 2020 berichtet, nach der sämtliche Labore dazu angehalten wurden, keine Information über die „Wuhan-Krankheit“ zu publizieren. Sämtliche Proben sollten auf staatliche Anweisung entweder vernichtet oder an bestimmte Testinstitute weitergeleitet werden.

Eine solch investigative Berichterstattung chinesischer Medien war während der Wirren des Corona-Ausbruchs für einige wenige Wochen möglich. Dann jedoch schritten die Zensoren erneut ein, und künftige Leaks zum Ursprung des Coronavirus stammten von ausländischen Korrespondentenbüros. Es waren auch ausländische Forscher, die schließlich in Erfahrung bringen konnten, dass Virologe Zhang die Coronavirus-Sequenz bereits am 5. Januar entdeckt hatte. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war er zu diesem Zeitpunkt mit seiner Erkenntnis nicht der einzige chinesische Wissenschaftler. Doch umgehend führten die Sicherheitsbehörden Razzien durch und verhängten ein kategorisches Publikationsverbot. Erst als der öffentliche Druck aus dem Ausland stieg und niemand anderes die Sequenz veröffentlichte, tat Zhang dies auf eigene Gefahr – und ohne Erlaubnis der Regierung.

„Er ist an diesem Prozess zerbrochen.“

Doch während der chinesische Virologe internationale Preise erhielt, wurde er im eigenen Land weiter schikaniert. Der Forscher Edward Holmes von der Universität von Sydney schildert, dass Zhang Yongzhen von seinem Posten im Zentrum für Seuchenkontrolle abberufen wurde. „Seit er sich den Behörden widersetzt hat, indem er die Genomsequenz des Virus veröffentlicht hat, gibt es eine Kampagne gegen ihn“, sagte Holmes: „Er ist an diesem Prozess zerbrochen.“

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Erstellt:
1. Mai 2024, 14:52 Uhr

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