Umfrage zur Europawahl 2024

Warum EU-Abgeordnete aus dem Südwesten die Wahl für so wichtig halten

Mehr Europäer als zuvor wollen im Juni ein neues Europäisches Parlament wählen. Das zeigt eine neue Umfrage. Fünf EU-Abgeordnete aus Baden-Württemberg erklären, worum es bei der Wahl geht und welche Themen sie für wichtig halten.

Die Grünen-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg fürchtet im Falle eines Erstarkens des rechten Rands um Grundrechte. In der Bildergalerie erfahren Sie, welche Themen fünf Abgeordnete aus Baden-Württemberg bei der Europawahl für besonders wichtig halten.

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Die Grünen-Abgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg fürchtet im Falle eines Erstarkens des rechten Rands um Grundrechte. In der Bildergalerie erfahren Sie, welche Themen fünf Abgeordnete aus Baden-Württemberg bei der Europawahl für besonders wichtig halten.

Von Jana Gäng

„Diese Wahl wird grundlegend sein“ – geht es um die Bedeutung der Europawahl, wird EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola deutlich. Auch Abgeordnete aus Baden-Württemberg sprechen von einer „Richtungswahl“ und berichten von angespannter Stimmung in Brüssel. Dass Politiker stets die nächste Wahl für die wichtigste halten, ist nicht neu. Keine zwei Monate sind es mehr, bis die Europäer vom 6. bis zum 9. Juni ein neues Parlament wählen. Doch an diesem Mittwoch veröffentlichte das Europäische Parlament mit dem Eurobarometer einen letzten Stimmungstest, der zeigt: Auch die EU-Bürger halten diese Wahl für außergewöhnlich bedeutsam.

Mehr als die Hälfte empfindet demnach die Stimmabgabe als sehr wichtig. Die Absicht zur Wahlbeteiligung ist auf einen Spitzenwert geklettert. 71 Prozent der EU-Bürger halten ihre Beteiligung für wahrscheinlich. „Eine hohe Wahlbeteiligung wäre ein mächtiges Signal in Richtung China, Russland und USA, dass Europa zusammensteht“, sagt Rainer Wieland (CDU), Vizepräsident des Europäischen Parlaments aus Stuttgart. Vor der Wahl 2019 lag der Wert noch zehn Prozentpunkte niedriger. Damals gab etwa die Hälfte der EU-Bürger ihre Stimme ab – ein Ergebnis, das alle seit Ende der 90er übertraf. Für das Eurobarometer wurden mehr als 26 000 Bürger aller 27 EU-Mitgliedsstaaten befragt, in Deutschland waren es rund 1500 Personen.

Krieg in Europa mobilisiert Wähler

„Die Wahl steht unter dem Eindruck des Kriegs Russlands in der Ukraine“, erklärt Andreas Glück die Mobilisierung. Glück war Abgeordneter der FDP im baden-württembergischen Landtag und sitzt seit 2019 im Europäischen Parlament. Tatsächlich glauben laut Eurobarometer acht von zehn Europäern, dass die geopolitische Lage das Wählen noch wichtiger mache. „Fragen der Sicherheit sind durch den Krieg in der Ukraine drängend geworden und bleiben es“, sagt Lars Patrick Berg. Berg war Teil des baden-württembergischen Landesvorstands der AfD und zog 2019 ins EU-Parlament ein. 2021 trat er aus der AfD aus und kandidiert nun für das Bündnis Deutschland: „Das Parlament muss entscheiden, wie wir Russland entgegentreten. Und wie gehen wir mit China um, Handelspartner und zugleich autokratisches Regime?“ Verteidigung und Sicherheit der EU hat als Thema für die meisten Deutschen Priorität im Wahlkampf (41 Prozent). Frieden ist der Wert, den die meisten vom Parlament verteidigt sehen wollen (57 Prozent).

Neben der Sicherheitspolitik wird sich das neue Parlament auch in der Klimapolitik auf eine Linie einigen müssen. Zuletzt sorgten EU-weite Proteste von Landwirten für Disput. „Mit dem Vorhaben des Green Deals haben wir Großes angefangen, aber in manchen Bereichen ist wenig geblieben“, kritisiert Anna Deparnay-Grunenberg. Sie saß für die Grünen im Stuttgarter Stadtrat und ist seit 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament. „Daher ist die Frage: Bleibt die nachhaltige Transformation der Wirtschaft wichtiges Thema?“

Jungwähler priorisieren Kampf gegen Klimawandel

Rainer Wieland (CDU) verweist dagegen darauf, dass sich die Prioritäten der Bürger verändert hätten. Im Wahlkampf 2019 sahen Europäer laut Eurobarometer den Klimawandel als wichtigste Aufgabe für die EU. Fünf Jahre später will zwar noch rund ein Viertel der befragten Deutschen, dass Maßnahmen gegen den Klimawandel vorrangig diskutiert werden – doch mehr Deutsche halten neben der Sicherheitspolitik auch die Zukunft Europas (35 Prozent), Migration und Asyl (34 Prozent) oder die Bekämpfung von Armut (29 Prozent) für dringender. Anders sehen das die Jungwähler der 15-24-Jährigen. Hier sind es 35 Prozent, die den Klimawandel mit Priorität diskutiert sehen wollen. 16- und 17-Jährige dürfen bei dieser Europawahl zum ersten Mal abstimmen.

Schließlich sei es eine Wahl, die die Richtung bei Rechtsstaatlichkeit und Demokratie weise, sagt Deparnay-Grunenberg: „Wir sehen vieles als selbstverständlich, was nun auf dem Spiel steht.“ Rund die Hälfte der Deutschen will, dass das Parlament die Demokratie verteidigt. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit stehen auf der Liste der deutschen Prioritäten auf Platz zwei (36 Prozent). Zum Zeitpunkt der Umfrage im Februar und März 2024 gingen in Deutschland Millionen für die Demokratie und gegen das Aushebeln des Rechtsstaats durch Rechtsextreme auf die Straße.

Trotz Zufriedenheit: EU-Skeptiker auf Vormarsch

Parteipräferenzen fragt das Eurobarometer nicht ab. Andere Umfragen deuten aber auf Gewinne rechtspopulistischer und in Teilen rechtsextremer Parteien hin. Die Denkfabrik European Council on Foreign Relations erwartet eine „scharfe Wende nach rechts“. Viele dieser Parteien des rechten Randes wie die AfD oder der französische Rassemblement National möchten die Befugnisse der EU stark beschneiden oder haben sogar für einen EU-Austritt geworben. „Dass die Ränder erstarken, ist ein Zeichen dafür, dass einiges nicht in Ordnung ist“, sagt Berg. Kriege hätten die Menschen ermüdet, die Inflation besorgt: „Wir müssen den Wählern zeigen, dass hinter dem Gebrüll an den Rändern wenig steckt.“

Die jüngsten Eurobarometer-Ergebnisse zeigen dagegen EU-Bürger, die ein überwiegend positives Bild der EU (47 Prozent) und des EU-Parlaments (41 Prozent) haben, die die EU-Mitgliedschaft ihres Landes mehrheitlich als wichtig (65 Prozent) und vorteilhaft (71 Prozent) bewerten und von denen mehr als die Hälfte dem Europäischen Parlament sogar eine stärkere Rolle wünscht (56 Prozent). „Die Menschen spüren seit dem Krieg in der Ukraine und der Pandemie deutlicher, dass wir hier nicht die Gurkenkrümmung beschließen, sondern Entscheidungen, die ihre Zukunft und ihren Alltag betreffen“, sagt Réne Repasi, EU-Abgeordneter und Spitzenkandidat der baden-württembergischen SPD. Dass trotz einer zufriedenen Mehrheit den EU-Skeptikern Gewinne zugerechnet werden, versteht Repasi als Abmahnung: „Einige nutzen die Europawahl als Abrechnungs- und Protestwahl, wenn sie im nationalen Kontext unzufrieden sind oder negativ in die Zukunft blicken.“

Rainer Wieland (CDU) aus Stuttgart ist seit 1997 Abgeordneter des Europäischen Parlaments und seit 2009 einer der Vizepräsidenten. Er hält neben der inneren und äußeren Sicherheit die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas für besonders relevant: „Wir dürfen den Kontinent nicht deindustrialisieren“, so Wieland. In der Klimapolitik habe Europa „einiges geleistet“. Das Interesse daran hält Wieland aber für rückläufig: „Von Schülergruppen erhalte ich zum Beispiel kaum noch Fragen zum Klima.“

© Imago/Future Image//Dwi Anoraganingrum

Rainer Wieland (CDU) aus Stuttgart ist seit 1997 Abgeordneter des Europäischen Parlaments und seit 2009 einer der Vizepräsidenten. Er hält neben der inneren und äußeren Sicherheit die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas für besonders relevant: „Wir dürfen den Kontinent nicht deindustrialisieren“, so Wieland. In der Klimapolitik habe Europa „einiges geleistet“. Das Interesse daran hält Wieland aber für rückläufig: „Von Schülergruppen erhalte ich zum Beispiel kaum noch Fragen zum Klima.“

Réne Repasi sitzt für die SPD im Europäischen Parlament. Besonders hohe Priorität schreibt er der äußeren Sicherheit der Europäischen Union zu: „Europa muss ein Schutzwall sein gegen die Gefahr, die aktuell besonders aus Russland droht. Denn gemeinsam sind wir stärker als allein.“ Außerdem beschäftige die Wettbewerbsfähigkeit die Menschen: „Die Jobs müssen in der EU bleiben und dürfen sich nicht in die USA oder Billiglohnländer verschieben.“ Das sei auch besonders Thema in Baden-Württemberg als Standort von Autobauern und Zulieferern.  Zudem blieben eine kontrollierte Migrationspolitik und weitere Schritte gegen den Klimawandel für Wählergruppen wichtig.

© Imago/Panama Pictures//Dwi Anoraganingrum

Réne Repasi sitzt für die SPD im Europäischen Parlament. Besonders hohe Priorität schreibt er der äußeren Sicherheit der Europäischen Union zu: „Europa muss ein Schutzwall sein gegen die Gefahr, die aktuell besonders aus Russland droht. Denn gemeinsam sind wir stärker als allein.“ Außerdem beschäftige die Wettbewerbsfähigkeit die Menschen: „Die Jobs müssen in der EU bleiben und dürfen sich nicht in die USA oder Billiglohnländer verschieben.“ Das sei auch besonders Thema in Baden-Württemberg als Standort von Autobauern und Zulieferern. Zudem blieben eine kontrollierte Migrationspolitik und weitere Schritte gegen den Klimawandel für Wählergruppen wichtig.

Andreas Glück (FDP) sitzt seit 2019 im Europäischen Parlament. „Als wirtschaftlich starke Region ist ein starker Binnenmarkt großes Thema in Baden-Württemberg“, sagt er. Zudem gehe es den Wählern um Infrastruktur, vor allem im Bereich Energie, und um Klimaschutz. „In der Klimapolitik sehe ich Baden-Württemberg aber als technologieoffener als die teilweise bevormundende Politik der Europäischen Kommission.“ Schließlich sei auch die Sicherheitspolitik relevant: „Wir sprechen dabei nicht nur über militärische Maßnahmen. Wir müssen auch unseren Markt und unsere Lieferketten besser schützen.“

© Imago//dts Nachrichtenagentur

Andreas Glück (FDP) sitzt seit 2019 im Europäischen Parlament. „Als wirtschaftlich starke Region ist ein starker Binnenmarkt großes Thema in Baden-Württemberg“, sagt er. Zudem gehe es den Wählern um Infrastruktur, vor allem im Bereich Energie, und um Klimaschutz. „In der Klimapolitik sehe ich Baden-Württemberg aber als technologieoffener als die teilweise bevormundende Politik der Europäischen Kommission.“ Schließlich sei auch die Sicherheitspolitik relevant: „Wir sprechen dabei nicht nur über militärische Maßnahmen. Wir müssen auch unseren Markt und unsere Lieferketten besser schützen.“

Anna Deparnay-Grunenberg sitzt als Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament. Ein wichtiges Thema sei es, ob die EU weiter den Green Deal vorantreibe und Wirtschaft und Industrie nachhaltig transformiere, so Deparnay-Grunenberg. Das sei im Sinne der Planungssicherheit auch für Industriestandorte wie Baden-Württemberg relevant. Ressourcen im Inneren wie Ökosysteme, Wälder, Nahrungsproduktion und Lieferketten müssten geschützt werden.  Zudem gehe es um die Sicherung von Grundrechten, etwa beim Thema Abtreibung.  Im Wahlkampf spielten auch Desinformation und Hate Speech eine Rolle, sagt Deparnay-Grunenberg: „Ich denke, es wird die Wahl beeinflussen, aber wir sehen auch Gegenwehr. Immer mehr steigen gerade auf TikTok ein, um den Raum nicht Hass und Fake News zu überlassen.“ Der Hass setze Politikern aber auch zu: „Einige ziehen sich zurück.“

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Anna Deparnay-Grunenberg sitzt als Abgeordnete der Grünen im Europäischen Parlament. Ein wichtiges Thema sei es, ob die EU weiter den Green Deal vorantreibe und Wirtschaft und Industrie nachhaltig transformiere, so Deparnay-Grunenberg. Das sei im Sinne der Planungssicherheit auch für Industriestandorte wie Baden-Württemberg relevant. Ressourcen im Inneren wie Ökosysteme, Wälder, Nahrungsproduktion und Lieferketten müssten geschützt werden. Zudem gehe es um die Sicherung von Grundrechten, etwa beim Thema Abtreibung. Im Wahlkampf spielten auch Desinformation und Hate Speech eine Rolle, sagt Deparnay-Grunenberg: „Ich denke, es wird die Wahl beeinflussen, aber wir sehen auch Gegenwehr. Immer mehr steigen gerade auf TikTok ein, um den Raum nicht Hass und Fake News zu überlassen.“ Der Hass setze Politikern aber auch zu: „Einige ziehen sich zurück.“

Lars Patrick Berg trat einst für die AfD an. Nach seinem Parteiaustritt sitzt er als Vertreter des rechtskonservativen Bündnis Deutschland im Europäischen Parlament, das er von der AfD als „pro-europäisch und pro-ukrainisch“ abgrenzt. Den Wählern besonders wichtig seien   Arbeitsplatz- und Standortsicherheit in Europa und die Migrationspolitik, sagt Berg. „Einige Menschen aus dem bürgerlich-konservativen Lager beschäftigt es zudem, dass sich der Meinungskorridor in Medien und  Politik verengt hat. Und das sage ich, obwohl ich dem Geschrei der AfD über die Medien nichts abgewinnen kann.“ In der Sicherheitspolitik fordert er „klare rote Linien“ gegenüber der russischen Regierung.

© Imago/Future Image//Christoph Hardt

Lars Patrick Berg trat einst für die AfD an. Nach seinem Parteiaustritt sitzt er als Vertreter des rechtskonservativen Bündnis Deutschland im Europäischen Parlament, das er von der AfD als „pro-europäisch und pro-ukrainisch“ abgrenzt. Den Wählern besonders wichtig seien Arbeitsplatz- und Standortsicherheit in Europa und die Migrationspolitik, sagt Berg. „Einige Menschen aus dem bürgerlich-konservativen Lager beschäftigt es zudem, dass sich der Meinungskorridor in Medien und Politik verengt hat. Und das sage ich, obwohl ich dem Geschrei der AfD über die Medien nichts abgewinnen kann.“ In der Sicherheitspolitik fordert er „klare rote Linien“ gegenüber der russischen Regierung.

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Erstellt:
17. April 2024, 07:14 Uhr

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