Begegnungen auf höchstem Niveau

Mit dem VfB gastiert am Samstag der Tabellendritte beim Spitzenreiter aus Leverkusen – doch das ist nicht die einzige Besonderheit.

Eng ging es zuletzt zwischen dem VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen zu – wie hier zwischen Serhou Guirassy (rechts) und Jonathan Tah.

© Baumann/Volker Müller

Eng ging es zuletzt zwischen dem VfB Stuttgart und Bayer Leverkusen zu – wie hier zwischen Serhou Guirassy (rechts) und Jonathan Tah.

Von Carlos Ubina

Stuttgart - Seit 45 Pflichtspielen ungeschlagen. Das ist der helle Fußballwahnsinn, den Bayer Leverkusen hat wahr werden lassen. Die letzte Niederlage datiert vom 27. Mai 2023 – 0:3 beim VfL Bochum. Für den Werksclub ist dieser Tag fast historisch, weil es zwar das Ende der vergangenen Saison darstellt, gleichzeitig aber auch den Ausgangspunkt einer unglaublichen Erfolgsserie bildet. In drei Wettbewerben ist die Mannschaft von Trainer Xabi Alonso seither nicht mehr zu bezwingen gewesen. Und nun kommt am Samstag (18.30 Uhr) der VfB Stuttgart in die Bay-Arena – das Team, das die Leverkusener Elf in den vergangenen Monaten zweimal am Rande einer Niederlage hatte. Es ist auch die Mannschaft, die in der Bundesliga nach Bayer am meisten überzeugt.

Ein besonderer Spieltag steht also an. Aber nicht nur, weil der Tabellendritte beim Spitzenreiter gastiert. Mit RB Leipzig gegen Borussia Dortmund und dem FC Bayern München gegen Eintracht Frankfurt treffen die sechs oben stehenden Vereine aufeinander. In einer entsprechenden Rangliste der Spiele untereinander steht der VfB dabei knapp hinter dem Überteam aus Leverkusen auf Platz zwei.

Zahlenspielerei. Am Samstagnachmittag richtet sich der Stuttgarter Blick erst einmal auf die Verfolger in Sachsen, ehe man am Abend selbst punkten will. Es geht um die direkte Qualifikation für die Champions League – und für den VfB auch um den letzten Eindruck. Nach einer bisher begeisternden Spielzeit will er nicht hinter die Leipziger und Dortmunder rutschen, selbst wenn der fünfte Rang für die Königsklasse reichen sollte.

„Es muss klar sein, dass wir mittlerweile das größere Ziel vor Augen haben als die Leverkusener und dafür bereit sind, bis ans Äußerste zu gehen“, sagt der VfB-Coach Sebastian Hoeneß, der wie sein Gegenüber Xabi Alonso auf einen Fixpunkt verzichten muss. Angelo Stiller beim VfB, Granit Xhaka bei Bayer. Beide Mittelfeldspieler könnte man auch als die verlängerten Kurzpässe ihrer Trainer bezeichnen. Sie steuern die Passmaschinen und bestimmen den Spielrhythmus. Beide sind nun gelbgesperrt, und es braucht Alternativen.

Enzo Millot wird Stillers Rolle einnehmen, verrät Hoeneß. Und auch Alonso wird eine starke Doppelsechs auf den Rasen schicken. Davon ist Michael Reschke überzeugt. Jahrelang war er als Kaderplaner und Nachwuchschef bei Bayer tätig – und zuletzt nach dem späten 1:1 in Dortmund beeindruckt: „Außergewöhnlich für diese Mannschaft ist nicht nur, dass sie in der Nachspielzeit wieder ein wichtiges Tor erzielt hat, sondern vor allem, was sich nach dem Tor abgespielt hat“, sagt der 66-Jährige, der aktuell als Head of International Football für die Berateragentur CAA Stellar arbeitet.

Sämtliche Spieler stürzten sich auf den Torschützen Josip Stanisic. Angeführt von Alonso, der wohl auch früher im Trikot nicht schneller sprintete. Als ob die Rheinländer gerade die Meisterschaft gewonnen hätten. Dabei war der Titelgewinn bereits eine Woche zuvor gelungen. Doch die Leverkusener haben sich darauf eingeschworen, in der Liga, im DFB-Pokal und in der Europa League kein Spiel verlieren zu wollen. Sinnbildlich dafür steht diese Szene aus dem Westfalenstadion für Reschke: „Der Zusammenhalt und der Teamgeist in Leverkusen waren schon immer gut, aber jetzt ist eine neue Dimension erreicht.“

Für Zufall hält es der Fachmann aus Frechen nicht, dass die Alonso-Elf gerne in der Schlussphase noch Partien dreht. Bereits 20 Pflichtspieltore hat sie nach der 86. Minute erzielt, 14 davon in der Nachspielzeit. Die meisten Treffer waren wichtig: Zwölf brachten noch einen Sieg, sechs verhinderten eine Niederlage. Für Reschke sind die Zahlen ein Ausdruck der Qualität, und als Fußballliebhaber freut er sich auf die erneute Begegnung seiner Ex-Clubs. „Das DFB-Pokalspiel zwischen Bayer und dem VfB im vergangenen Februar war das bislang beste Spiel zweier deutscher Mannschaften in diesem Jahr“, sagt der frühere Stuttgarter Sportvorstand, „vom Niveau her war das Champions-League-Viertel- oder -Halbfinale – und der VfB hatte daran einen 50-prozentigen Anteil.“

Gegen eine Wiederholung der Klassepartie ist aus neutraler Perspektive nichts einzuwenden. Aus Stuttgarter Sicht passte jedoch mit dem 2:3 im Viertelfinale das Ergebnis nicht. „Wir waren zweimal nah dran. Vielleicht sind aller guten Dinge jetzt drei“, sagt Hoeneß, der für Reschke die Schlüsselfigur im schwäbischen Ensemble darstellt. Mit seiner Kompetenz, seiner Empathie, seiner Sachlichkeit.

„Sebastian Hoeneß steht für Werte und seine fußballerische Überzeugung. Das spüren die Spieler und folgen ihm“, sagt Reschke, der es schade findet, dass aufgrund der Bayer-Serie die Stuttgarter für ihre grandiose Leistung nicht mehr Anerkennung erhalten. Doch etwas Ruhm kann der VfB noch gewinnen, wenn er am Samstagabend den designierten deutschen Meister in dieser Saison erstmals bezwingt.

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Erstellt:
25. April 2024, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
26. April 2024, 21:40 Uhr

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