Christian Lindner und das Rentenpaket II

Die Rente darf nicht zum Spielball werden

FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat das Rentenpaket II vorerst gestoppt – obwohl er es selbst als „Zukunftsentscheidung“ gepriesen hat. Es geht um ein taktisches Manöver. Das ist inakzeptabel, kommentiert unser Korrespondent Tobias Peter.

 

© dpa/Hannes P Albert

 

Von Tobias Peter

Wenn Parteien Koalitionsverhandlungen führen, ist das eine Art politische Shoppingtour. Jeder versucht, viel von dem, was er sich selbst wünscht, in den Einkaufskorb zu werfen. Je mehr Parteien der Koalition angehören sollen und je unterschiedlicher sie sind, desto schwieriger ist das Ganze. Und desto häufiger finden sich Dinge im Einkaufswagen, die nicht zusammenpassen.

Bei der Rente gingen die Vorstellungen in der Ampelregierung – insbesondere zwischen SPD und FDP – von Anfang an maximal auseinander. Bundeskanzler Olaf Scholz hat versprochen, dauerhaft stabile Renten zu garantieren. Das will er erreichen, ohne am bestehenden Rentensystem wirklich etwas zu verändern. Dabei nimmt die SPD auf mittlere Sicht deutlich höhere Rentenbeiträge und Steuerzuschüsse in Kauf.

Die FDP wollte dagegen den Einstieg in einen Systemwechsel. Ein Teil der Rentenbeiträge sollte, so ihr Wunsch, in Aktien investiert werden – in der Hoffnung auf möglichst hohe Renditen.

Die SPD hat sich durchgesetzt

Durchgesetzt haben sich – in den Koalitionsverhandlungen, aber auch in den späteren konkreten Verhandlungen über das Rentenpaket II – die Sozialdemokraten. Bis zum Jahr 2039 soll das aktuelle Rentenniveau von mindestens 48 Prozent garantiert werden. Das Rentenniveau ist ein statistischer Wert, der das Verhältnis der Rente eines Durchschnittsverdieners nach 45 Beitragsjahren zum mittleren Lohn beschreibt. Die Renten sollen von der Lohnentwicklung nicht abgekoppelt werden. Das ist gut so, aber es braucht dafür kluge Finanzierungskonzepte.

Die FDP hat nicht die von ihr gewünschte echte Aktienrente bekommen. Stattdessen soll es ein Generationenkapital geben. Das funktioniert, grob ausgedrückt, so: Der Staat leiht sich Geld, legt es am Kapitalmarkt an und will aus den Erträgen die Rentenkasse stützen. Das ist als zusätzliche Komponente zur Absicherung der gesetzlichen Rente eine gute Idee. Eine weitreichende Reform ist es aber nicht. Es ist ungefähr so, als hätte die FDP durchgesetzt, dass ein Steak mit ein bisschen veganem Käse überbacken wird.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass mit dem Rentenpaket II die Probleme des Rentensystems noch lange nicht gelöst sind. Durch den demografischen Wandel – mehr Rentner, nicht so viele junge Arbeitnehmer – wird es in kommenden Jahren zu deutlichen Beitragssteigerungen kommen. Gebraucht wird mehr qualifizierte Einwanderung in den Arbeitsmarkt.

Hier hat die Ampel die gesetzlichen Weichen besser gestellt. Notwendig ist aber auch eine ehrliche Debatte darüber, ab wann das Rentenalter bei gestiegener Lebenserwartung noch einmal maßvoll ansteigen sollte. Das traut sich die Ampel nicht zu. Nachfolgende Regierungen werden dem wachsenden Problemdruck nicht mehr so leicht ausweichen können.

Seit’ an Seit’ mit Hubertus Heil

Die Kritik der FDP am Rentenpaket II ist also teils berechtigt. Nur: FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner hat die Reform nicht nur mit Arbeitsminister Hubertus Heil verhandelt, sondern sie selbst Seit an Seit mit der SPD präsentiert. Dabei sagte der FDP-Chef gar, die Ampel treffe eine „Zukunftsentscheidung“ und sprach von einem „echten Paradigmenwechsel“.

Jetzt hat Lindner den Beschluss über Rentenpaket II im Kabinett dennoch vorerst verhindert. Dahinter steckt wohl auch der Versuch, den Kanzler in den Verhandlungen über den Haushalt 2025 stärker an seine Seite zu zwingen. Einmal mehr geht es nicht um die Sache, sondern um ein taktisches Manöver. Das ist inakzeptabel.

Die Rente ist für diejenigen, die von ihr jetzt oder künftig leben müssen, eine ernste Sache. Sie darf nicht zum Spielball werden.

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Erstellt:
10. Mai 2024, 20:20 Uhr

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