Schulleiter im Rems-Murr-Kreis reagieren unterschiedlich auf Schulreform

Die geplanten Veränderungen in Baden-Württemberg stoßen an den Schulen in der Region Backnang auf unterschiedliche Meinungen. Kritische Stimmen gibt es vor allem zur Grundschulempfehlung und dem Zeitplan der Umsetzung.

Künftig erhält die Grundschulempfehlung eine größere Bedeutung. Symbolfoto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

© IMAGO/Sven Simon

Künftig erhält die Grundschulempfehlung eine größere Bedeutung. Symbolfoto: IMAGO/Frank Hoermann/SVEN SIMON

Von Andreas Ziegele

REMS-MURR. Die grün-schwarze Koalition im baden-württembergischen Landtag hat sich auf ein großes Schulreformpaket geeinigt. Neben der Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium ab dem Schuljahr 2025/26 wird unter anderem die Entscheidungsfreiheit der Eltern über die Schullaufbahn ihrer Kinder wieder stärker eingeschränkt. Insbesondere die Grundschulempfehlung mit höherer Verbindlichkeit wird von den Schulleiterinnen und Schulleitern im Raum Backnang unterschiedlich bewertet.

Noch gibt es an den Schulen in Backnang und Umgebung nichts Offizielles aus dem Kulturministerium. Überraschend kam die Entscheidung für die Verantwortlichen der verschiedenen Schularten dennoch nicht (siehe Infotext). „Es ist schwierig, das Ganze jetzt schon zu bewerten, weil wir noch keine offiziellen Informationen haben“, sagt etwa Christian Zeller, Rektor der Realschule im Bildungszentrum Weissacher Tal. „Was ich bisher weiß, ist das, was in der Presse steht.“ Die verbindlichere Grundschulempfehlung begrüßt er sehr. „So kommen die Kinder eher dorthin, wo sie sich richtig aufgehoben fühlen.“ Ob es der ganz große Wurf wird, wagt Zeller noch nicht zu beurteilen. „Aber alles, was ich bisher gelesen habe, stimmt mich zuversichtlich.“

Grundsätzlich steht Sonja Conrad der Grundschulempfehlung kritisch gegenüber. „Aus meiner persönlichen Sicht ist das insgesamt eine zu frühe Entscheidung für die Kinder, wohin es letztlich geht.“ Die Schulleiterin desBacknanger Max-Born-Gymnasiums meint damit nicht nur die Grundschulempfehlung selbst, sondern auch, dass die Schulkinder überhaupt zu früh auf die verschiedenen weiterführenden Schularten verteilt werden.

Ihre Meinung zu der bisherigen wie auch zur künftigen Regelung ist dagegen eindeutig: „Ich hätte mir mehr Elternwillen gewünscht.“ Ob Grundschulempfehlung oder Elternwille, für die Schulleiterin steht eines im Vordergrund: „Wir sollten die Kinder in ihrem Willen bestärken statt Druck auf sie auszuüben.“

Der Bedarf an Lehrkräften wird steigen

Die Rückkehr zu G9 hat Conrad hingegen nicht überrascht, obwohl sie mit G8 gute Erfahrungen gemacht hat. „G8 hat bei uns an der Schule sehr gut funktioniert und ich habe mich jahrelang dafür eingesetzt. Jetzt werde ich für ein gutes G9 an unserer Schule kämpfen.“ Ganz unvorbereitet sind die Gymnasien in der Region nicht: „Wir haben uns in einem gemeinsamen Workshop bereits auf dieses Szenario vorbereitet.“ Für die Zukunft sieht sie durch G9 einen steigenden Bedarf an Lehrkräften.

Ähnlich äußert sich Udo Weißhaar vom Gymnasium in der Taus. „Wenn neue Stunden dazu kommen, brauchen wir mehr Lehrer. Und wo sollen die herkommen?“ Als überzeugter G9-Befürworter begrüßt er dennoch ausdrücklich die Entscheidung für das neunjährige Gymnasium und verweist auf die jahrelange Erfahrung des Tausgymnasiums mit dieser Schulform. „Andere Bundesländer haben das viel früher erkannt“, sagt Weißhaar.

Um die Schüler im G9 wirklich zu entlasten, sei eine Stundenreduzierung im Vergleich zum G8 notwendig. Dass Gymnasien im Rahmen der neuen Bildungsreform weiterhin die Möglichkeit haben, eigene G8-Züge anzubieten, hält der Schulleiter für überflüssig. „Wozu?“, fragt er sich. Als Alternative stehen hier die Gymnasien für Hochbegabte, zum Beispiel in Schwäbisch Gmünd, zur Verfügung.

Eindeutig positioniert sich Weißhaar zur Grundschulempfehlung. „Die Grundschullehrer kennen die Kinder vier Jahre und machen einen super Job.“ Insgesamt ist er mit den geplanten Maßnahmen einverstanden. Kritisch sieht er den Zeitraum der Umsetzung. „Die flächendeckende Rückkehr zu G9 ab dem Schuljahr 2025/26 halte ich für sehr ambitioniert.“

Änderungen der geplanten Schulreform

Worum geht es bei den Gymnasien? Zwanzig Jahre nach der Einführung des „Turboabiturs“ kehrt das Land zum neunjährigen Abitur (G9) zurück. Ab dem Schuljahr 2025/26 soll G9 wieder der Normalfall sein. Gymnasien, die besonders begabten und leistungswilligen Schülern weiter ein G8-Angebot machen wollen, sollen das tun können.

Was kommt auf die Realschulen zu? Realschulen sollen eine lebenspraktische Profilierung und eine starke Berufsorientierung gewährleisten. Sie sollen Grundlagen für eine duale Berufsausbildung oder ein Studium schaffen. Klar erkennbar soll ein Bildungspfad eröffnet werden, der von Klasse 5 bis zum Abitur führen kann. Die zweijährige Orientierungsstufe soll auf ein Jahr verkürzt werden.

Was ändert sich an der Grundschulempfehlung? Bislang war die Grundschulempfehlung unverbindlich und die Eltern konnten davon abweichende Entscheidungen über die weitere Schullaufbahn ihrer Kinder treffen. Das soll künftig nicht mehr ohne Weiteres möglich sein. Die künftige Grundschulempfehlung soll aus drei Teilen bestehen, wovon einer der Wunsch der Eltern ist. Ein weiteres Element ist die auf das Halbjahreszeugnis gestützte Empfehlung des Klassenlehrers. Hinzu kommt als dritter Baustein das Ergebnis eines landesweit einheitlichen Lernstandtests. Wollen die Eltern gegen die beiden anderen

Empfehlungen ihr Kind trotzdem auf ein Gymnasium schicken, soll das weiterhin möglich sein.

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Erstellt:
3. Mai 2024, 06:00 Uhr

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