Corona-Neuinfektionen erneut unter Vorwochenstand

dpa Berlin. Es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass die Zahl täglicher Neuinfektionen demnächst wieder merklich sinken könnte. Wird es damit so rasch gehen wie beim Lockdown im Frühjahr? Und wie sehr täuschen die aktuellen Zahlen?

Wer einen geschlossenen Raum betritt, muss Maske tragen. Foto: Annette Riedl/dpa

Wer einen geschlossenen Raum betritt, muss Maske tragen. Foto: Annette Riedl/dpa

Zum zweiten Mal in Folge hat die binnen 24 Stunden gemeldete Zahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland unter dem Wert der Vorwoche gelegen.

Die Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 14.419 neue Corona-Infektionen - knapp 1000 Fälle weniger als vor einer Woche, wie aus Angaben des RKI vom Dienstagmorgen hervorgeht. Am vergangenen Dienstag hatte die Zahl bei 15.332 gelegen - und damit erstmals seit September unter dem Wert vom Dienstag zuvor (15 352). Der Höchststand war am vergangenen Freitag mit 23.542 gemeldeten Fällen erreicht worden.

Allerdings ist die Zahl der Corona-Tests bundesweit laut einem großen Verband zuletzt etwas zurückgegangen - was mit ein Grund für weniger erfasste Infektionen sein kann. In der Woche vom 9. bis 15. November seien rund 1,26 Millionen PCR-Tests durchgeführt worden, sagte der erste Vorsitzende des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin (ALM), Michael Müller. Rund 9,2 Prozent der Tests fielen positiv aus - das sei die höchste Rate seit Beginn der Datenerhebung Anfang März. In den beiden Kalenderwochen zuvor hatte es jeweils rund 1,44 Millionen Tests gegeben.

Der Verband erklärte den Rückgang der Testzahl mit den Anfang des Monats veränderten Empfehlungen des RKI zu Corona-Tests. Zu diesen heißt es vom RKI ausdrücklich, dass es nicht vorgesehen und nicht möglich sei, in der Herbst-/Wintersaison alle Menschen mit Erkältungssymptomatik wie Schnupfen oder Halsschmerzen auf das Coronavirus zu testen. „Es ist vor dem Hintergrund der derzeit begrenzten Testkapazitäten und der Häufigkeit von Erkältungskrankheiten in den Wintermonaten nicht möglich, alle Covid-19-Erkrankungen in Deutschland durch Tests zu bestätigen.“ Das bedeutet, dass eine höhere Dunkelziffer nicht erkannter Corona-Infektionen zu erwarten ist.

„Dadurch lassen sich die Werte nicht mehr vergleichen“, erklärte der Bonner Virologe Hendrik Streeck der Deutschen Presse-Agentur. „Alleine dadurch - ohne Shutdown light - würde man wahrscheinlich bereits einen Rückgang der Neuinfektionszahlen erwarten, wenn diese Testempfehlungen sich durchgesetzt haben.“

Schon die Angabe vom Montag zu den gemeldeten Corona-Neuinfektionen hatte deutlich unter der der Woche zuvor gelegen (9. November: 13.363; 16. November: 10.824). Damit lag der Montagswert erstmals seit August nicht über dem der Woche zuvor. Einen weiteren Hinweis darauf, dass die Zahl erfasster Neuinfektionen womöglich ein Plateau erreicht hat, gibt die sogenannte 7-Tage-Inzidenz: Die vom RKI gemeldete Zahl der binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner aufgetretenen Neuinfektionen lag am Dienstag mit 141,4 leicht unter der des Vortages (143,3).

Auch am vergangenen Mittwoch (11. November) hatte die 7-Tage-Inzidenz mit 138,1 leicht unter der des Vortages (139,1) gelegen. Im gesamten Oktober hingegen stieg der Wert hingegen stets über den vom Vortag. Könnten die Fallzahlen nun demnächst so rasch wie beim Frühjahrs-Lockdown sinken?

Niemand könne derzeit sagen, ob der Rückgang der Neuinfektionen so schnell wie im Frühjahr oder aber merklich langsamer ablaufen werde, sagte der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. „Da kommen einfach zu viele Faktoren zusammen.“ Einer davon seien Wettereffekte, ganz zentral sei zudem das Verhalten der Menschen.

Dass der Anstieg der Fallzahlen schon abgeflacht sei, bevor sich die Auswirkungen des seit Anfang des Monats greifenden Teil-Lockdowns zeigen konnten, sei ein ermutigendes Zeichen, erklärte Schmidt-Chanasit, Virusforscher am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg. Schon zuvor habe es offenbar - neben regionalen Maßnahmen wie Sperrstunden - ein verändertes Verhalten der Menschen gegeben, das zu der Abflachung geführt habe. „Wenn da jetzt noch eine Schippe draufkommt, scheint eine Trendumkehr möglich.“

Die sogenannte Reproduktionszahl als weitere wichtige Kenngröße des Infektionsgeschehens lässt bisher keinen deutlichen Trend zu sinkenden Ansteckungszahlen erkennen: Das sogenannte Sieben-Tage-R lag laut RKI-Lagebericht vom Montagabend bei 0,97 (Vortag: 1,03). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch knapp 100 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt er für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

Wegen der Spannen von der Ansteckung zu Symptomen, Test und Erfassung dauert es nach RKI-Angaben jeweils zwei bis drei Wochen, bis sich die Wirkung von Maßnahmen wie dem seit 2. November greifenden Teil-Lockdown in den Fallzahlen zeigt. Ende März, Anfang April hatte die Zahl gemeldeter Neuinfektionen mehrfach über 6000 gelegen. Der Höchstwert der Infektionswelle war mit 6294 am 28. März erreicht worden. Zwei Wochen darauf hatte der Wert bei 4133 (11. April) gelegen, sechs Wochen nach dem damaligen Höchststand bei nur noch 1251 (9. Mai).

Insgesamt zählt das RKI seit Beginn der Pandemie 815.746 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 17. 11., 00.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Virus stieg bis Dienstag um 267 auf insgesamt 12.814. Das RKI schätzt, dass rund 530.200 Menschen inzwischen genesen sind.

© dpa-infocom, dpa:201117-99-357680/6

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Erstellt:
17. November 2020, 05:57 Uhr

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