Angeklagter will gefilmte Kinder auch treffen

Im Fellbacher Missbrauchsfall liefert die Kriminalpolizei Fakten: Der Angeklagte filmt die Kinder nicht nur heimlich, er will wohl deutlich mehr.

Am nächsten Freitag soll im Landgericht Stuttgart das Urteil gefällt werden. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Am nächsten Freitag soll im Landgericht Stuttgart das Urteil gefällt werden. Foto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Fellbach. Hintergründe zu 447 beschlagnahmten kinderpornografischen Bildern und Videos lieferte im Fellbacher Missbrauchsfall jetzt die Waiblinger Kriminalpolizei. Dabei stellte sich heraus, dass der 59-jährige Beschuldigte die Kinder nicht nur in einem Chatroom geködert und heimlich gefilmt hat (wir berichteten), sondern dass er sie auch persönlich treffen wollte. „Ich hol dich ab und geh mit dir aufs Volksfest“, schrieb der 59-jährige Stiefopa einem der Mädchen. Einem anderen schrieb er, er könne auch ein Hotelzimmer mieten.

Die Kripo Waiblingen hatte von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 den Auftrag bekommen, die Wohnung des deutschen Bahnbeamten zu durchsuchen, der damals noch in Fellbach lebte. Sie kam dahinter, was auf dessen elektronischen Geräten seit dem Jahr 2014 abgelaufen war. Sechs Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern kamen zur Anklage. Betroffen sind damals acht bis 13-Jährige Mädchen, die der Mann gezielt gesucht hat, wobei er sich selbst als Kind oder Jugendlicher ausgab. Laut der Zeugenaussage eines Waiblinger Kriminalhauptkommissars hat der Mann mit anderen Erwachsenen vorher darüber diskutiert, wie er Kinder dazu bringen kann, sich bei sogenannten Live-Sessions auszuziehen, und ihnen Geschenke und Geld angeboten, um sie zur Vornahme von sexuellen Handlungen zu bringen. Seine Filmaufnahmen machte er heimlich. Wenn sich die Kinder weigerten, zu machen, was er wollte, drohte er mit der Veröffentlichung.

Angeklagter gab Handy freiwillig bei der Polizei ab

Als die Polizei mit dem Durchsuchungsbeschluss zur damaligen Wohnung des Angeschuldigten nach Fellbach kam, öffnete die Ehefrau. Sie gab die Handynummer ihres Mannes heraus, der sein Mobiltelefon dann auch freiwillig bei der polizeilichen Vernehmung abgab. Auch auf seinem Laptop wurden versteckte Dateien gefunden. Nach Informationen des Zeugen von der Kripo wurde zum Beispiel ein spezielles Programm gefunden, mit welchem Dinge, die über den Monitor angeschaut werden, heimlich aufgezeichnet werden können. Aus insgesamt 539 kinder- und jugendpornografischen Bildern und Filmen sowie 275 legalen Pornos schloss der erfahrene Kriminalhauptkommissar auf pädophile Neigungen des Ex-Fellbachers. Dieser habe gezielt nach Kindern unter sechs Jahren gesucht.

Exemplarisch für alle Opfer schilderte der Zeuge, wie der Beschuldigte als „Tom“ eine 13-Jährige köderte. Er behauptete, er hätte von einer Bekannten ein Video von ihr bekommen. Löschen würde er dieses Video nur, wenn das Mädchen weiterhin tue, was er verlangt. „Er hat sich das Vertrauen erschlichen“, berichtete der Polizeibeamte weiter; das Mädchen habe sich mit dem Angeklagten, der mit sechs Accounts gearbeitet habe, auch über dessen Erkrankungen wie Depressionen, Borderline und Suizidgedanken unterhalten.

Eine der Dateien erforderte zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem LKA Niedersachsen. Dort hatte sich der Beschuldigte bei einer Elfjährigen als Mädchen und damit als potenzielle Freundin ausgegeben. Als das Kind seinen Anweisungen nicht folgen wollte, versprach er ihm Geschenke, einen Volksfestbesuch und Geld dafür, dass es mit einem erwachsenen Mann chattet. Dieser „Mann mit Glatze“ würde dann auch dafür bezahlen. Die Mutter der Elfjährigen entdeckte dann aber ein Bild vom Geschlechtsteil des Angeklagten und kam darauf, dass es sich keinesfalls um ein gleichaltriges Mädchen handelte, das sich da mit einer ganz normalen Neugier auf die körperliche Entwicklung mit ihrer Tochter austauschen wollte.

Mit der Behauptung, er hätte von anderen Usern Bilder von ihnen bekommen, setzte der Ex-Fellbacher ständig Kinder unter Druck, nicht nur, damit diese sich entkleiden. Auch sollten sie sich Schmerzen zuzufügen und er versuchte, sie zu Treffen zu überreden. Der Elfjährigen bot er ein Hotelzimmer an und was er dort wollte, geht aus dem beschlagnahmten Chatprotokoll unmissverständlich hervor. Ein Urteil in diesem Fellbacher Missbrauchsfall wird am späten Freitag, 29. September, erwartet.

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Erstellt:
23. September 2023, 11:30 Uhr

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