Arzt darf auf Millionen-Entschädigung hoffen

dpa Braunschweig. Der Organspendeskandal an der Göttinger Uniklinik erschütterte 2012 das Vertrauen in die Medizin nachhaltig. Nach rechtlicher Bewertung wurde ein betroffener Arzt aber freigesprochen. Bis heute wird gestritten, wie hoch seine Entschädigung sein soll.

Das Braunschweiger Oberlandesgericht verhandelte die Berufung im Schadenersatzprozess um den Göttinger Transplantationsskandal. Foto: Swen Pförtner/dpa

Das Braunschweiger Oberlandesgericht verhandelte die Berufung im Schadenersatzprozess um den Göttinger Transplantationsskandal. Foto: Swen Pförtner/dpa

Der im Göttinger Organspendeskandal freigesprochene Arzt darf weiter auf eine Millionen-Entschädigung hoffen.

Das Oberlandesgericht halte die Berufung Niedersachsens im Wesentlichen für unbegründet, sagte die Richterin am Montag in einer vorläufigen rechtlichen Bewertung. Mit dem Berufungsprozess in Braunschweig wehrt sich das Bundesland gegen eine Millionen-Zahlung an den im Transplantationsskandal freigesprochenen Mediziner. (Az.: 11 U 149/19)

Nach dem etwa einstündigen Vortrag der Richterin rechnen wohl alle Beteiligten damit, dass das Geld an den heute 53-Jährigen fließt. „Ich bin guter Dinge, dass dem Anspruch fast vollständig stattgegeben wird“, sagte sein Anwalt Jürgen Hoppe nach der Verhandlung. 2019 hatte das Landgericht Braunschweig dem Arzt rund 1,2 Millionen Euro Entschädigung zugesprochen.

Der frühere Chirurg an der Göttinger Uniklinik wurde 2015 in einem bundesweit aufsehenerregenden Prozess vom Landgericht der Stadt vom Vorwurf des elffachen versuchten Totschlags und der dreifachen Körperverletzung mit Todesfolge freigesprochen. Zuvor hatte er fast das komplette Jahr 2013 in Untersuchungshaft verbracht und wurde erst nach Zahlung einer Kaution von 500 000 Euro entlassen.

Die Tatsache, dass der Mediziner eine Entschädigung bekommt, ist rechtlich unstrittig. Bei der Höhe der Summe gehen die Vorstellungen aber weit auseinander. Nach seinem Freispruch hat der Arzt bisher 8500 Euro erhalten. Seine Forderung nach der Millionen-Entschädigung begründet er nicht nur mit der U-Haft und Zinsschäden durch die Kaution von 500 000 Euro. Es geht ihm vor allem um ein verpasstes Gehalt von 50 000 US-Dollar pro Monat in Jordanien, wo er eigentlich eine neue Stelle antreten wollte.

Die Braunschweiger Zivilkammer sah es im Urteil vom September 2019 als erwiesen an, dass der Arzt den Verdienstausfall wegen der U-Haft erlitten hat. Der ärztliche Leiter der jordanischen Klinik hatte als Zeuge bestätigt, dass es eine mündlich per Handschlag getroffene Vereinbarung mit dem Fixgehalt gab. Das Landgericht glaubte ihm und zumindest vorläufig rüttelt auch die nächsthöhere Instanz nicht an dieser Entscheidung. Ein Urteil soll am 28. Oktober verkündet werden.

Unabhängig von der Entschädigungsfrage hatte der Organspendeskandal von 2012 weitreichende Folgen. An mehreren deutschen Kliniken wurden Manipulationen aufgedeckt, wodurch das Vertrauen in die Medizin nachhaltig erschüttert wurde. Die Deutsche Transplantationsgesellschaft betonte in der Folge mehrmals, dass Vorgänge wie in Göttingen inzwischen klar unter Strafe stehen. Nach dem Skandal seien Regeln verschärft worden.

© dpa-infocom, dpa:201005-99-834026/2

Zum Artikel

Erstellt:
5. Oktober 2020, 16:06 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen