Gavi fordert Regeln für Zugang zu Corona-Impfstoff

dpa Berlin. Wird es ein beispielloses Hauen und Stechen um einen künftigen Corona-Impfstoff geben? Experten warnen schon jetzt. Denn es geht um viel mehr als nur ums Geld.

Seth Berkley, Geschäftsführer von Gavi, spricht 2015 bei einer Konferenz in Berlin. Berkley fordert, einen künftigen Impfstoff für einige Zeit zum öffentlichen Gemeingut zu erklären. Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Seth Berkley, Geschäftsführer von Gavi, spricht 2015 bei einer Konferenz in Berlin. Berkley fordert, einen künftigen Impfstoff für einige Zeit zum öffentlichen Gemeingut zu erklären. Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Die internationale Impfallianz Gavi hat Regierungen und Gesundheitsorganisationen zu Abmachungen über den fairen Zugang zu einem künftigen Corona-Impfstoff aufgerufen.

„Wir sollten daran denken, einen solchen Impfstoff als weltweites öffentliches Gut zu betrachten“, sagte Gavi-Geschäftsführer Seth Berkley in einem Videogespräch mit deutschen Journalisten.

Der öffentliche Sektor müsse deswegen Entwicklung, Produktion und Verteilung finanzieren - mindestens für eine bestimmte Zeit. Danach könne der Impfstoff zurück an kommerzielle Produzenten gehen. Er könne dann mit unterschiedlichen Preisen an die Lage in einzelnen Staaten angepasst werden, aber auch mit einer „vernünftigen Gewinnmarge“ versehen sein.

Der französische Impfstoffhersteller Sanofi-Pasteur warnte vor internationalen Spannungen. „Wer als erster den Impfstoff hat, kommt als erster aus der Wirtschaftskrise“, sagte Firmenchef David Loew der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Die Wirtschaftsblöcke würden die Impfstoff-Entwicklung und Herstellung auf ihren eigenen Territorien fördern, doch ihre Ergebnisse nicht teilen. „Die Vereinigten Staaten werden sagen: Wir haben das finanziert, wir brauchen das jetzt für uns. Bei den Chinesen wird es ähnlich sein.“

Loew sagte, daher brauche auch Europa einen „Risikopakt“, der seinen Herstellern Garantien und finanzielle Unterstützung zukommen lasse. Angesichts des großen Bedarfs drohten Engpässe bei Abfüll- und Verpackungsanlagen, bei Spritzen und bei einigen Rohstoffen.

Die Impfallianz Gavi rechnet damit, dass binnen 12 bis 18 Monaten ein Impfstoff verfügbar ist. Mit Glück und den bereits vereinfachten Auflagen könne es auch schneller gehen, sagte Berkley. Die Allianz wurde vor 20 Jahren beim Weltwirtschaftsforum in Davos aus der Taufe gehoben. Nach eigenen Angaben hat sie seither mehr als 760 Millionen Kinder geimpft und mehr als 13 Millionen Leben gerettet.

Berkley, der international als ein führender Experte für Impfprogramme gilt, gab einen Überblick über die aktuelle Situation. Demnach wurden von der Weltgesundheitsorganisation WHO aktuell 76 mögliche Impfstoffe genannt. Fünf davon seien bereits in klinischen Studien und 71 in der Phase von Vorstudien.

Der Gavi-Geschäftsführer nannte „wichtige Herausforderungen“, für die möglichst internationale Übereinstimmung erzielt werden müsse. „Die erste ist es, genug Impfstoff für jeden bereitzustellen.“ Dabei müsse es Prioritäten und einen Verteilmechanismus geben. Mitarbeiter der Gesundheitsdienste sollten an oberster Stelle stehen. Auch müsse verhindert werden, dass reiche Staaten alles aufkauften. Mit Blick auf hohe Opferzahlen bei anderen Krankheiten müssten auch Routine-Impfungen weltweit fortgesetzt werden.

Ob ein Corona-Impfstoff als Injektion verabreicht oder beispielsweise oral eingenommen werden müsse, sei derzeit unklar. Er selbst tippe auf eine Injektion in einer oder auch zwei Dosen. Man könne aber auch nicht ausschließen, dass ein solcher Impfstoff jährlich verabreicht werden müsse.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte: „Sobald wirksame Medikamente und ein Impfstoff gegen das Virus vorliegen, müssen alle Menschen auf der Welt gleichen Zugang dazu haben.“ Er kündigte an, über bewilligte 600 Millionen Euro hinaus zusätzliche Finanzmittel für die Impfallianz bereitstellen zu wollen. „Es liegt auch in unserem Interesse, dass wir Covid-19 weltweit bekämpfen. Sonst wird es in Wellen zu uns nach Deutschland und Europa zurückkehren.“

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Erstellt:
23. April 2020, 05:33 Uhr

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