Haushaltseinbringung: Der Rems-Murr-Kreis braucht seine Rücklagen auf

Bei der Einbringung des Haushalts für das kommende Jahr überbringt Landrat Richard Sigel keine guten Nachrichten. Das Defizit steigt auf fast 23,8 Millionen Euro, die Kreisumlage soll auf 33,5 Prozent angehoben werden. Sigel will dennoch Zuversicht heraufbeschwören.

Die Immobilienkonzeption des Kreises mit dem Erweiterungsbau der Verwaltung am Alten Postplatz in Waiblingen macht einen Großteil der Investitionen aus. Für Landrat Richard Sigel hat das Projekt aber auch Signalwirkung. Foto: Benjamin Büttner

© Benjamin Büttner

Die Immobilienkonzeption des Kreises mit dem Erweiterungsbau der Verwaltung am Alten Postplatz in Waiblingen macht einen Großteil der Investitionen aus. Für Landrat Richard Sigel hat das Projekt aber auch Signalwirkung. Foto: Benjamin Büttner

Von Lorena Greppo

Rems-Murr. Im vergangenen Jahr hatte Richard Sigel an gleicher Stelle verkündet, dass Land in Sicht sei (wir berichteten); die Wirtschaftsaussichten nach zwei Jahren Coronapandemie schienen rosiger zu werden. Bei der Einbringung des Kreishaushalts für 2023 musste der Landrat sich jedoch berichtigen. Sein Optimismus sei wohl verfrüht gewesen, räumte er ein. Zwar ist es nun nicht mehr in erster Linie die Coronakrise, die den Finanzen des Rems-Murr-Kreises zusetzt, jedoch sind die Auswirkungen des Ukrainekriegs nicht weniger weittragend. Laut Sigel sind aus verschiedenen Bereichen in der Zuständigkeit der Kreisverwaltung Alarmsignale zu ihm durchgedrungen. Das schlägt sich auch in der Finanzprognose für 2023 nieder.

Finanzdezernent Peter Schäfer sparte nicht an klaren Worten, als er dem Kreistag das Zahlenwerk präsentierte: „Die finanzielle Ausgangslage ist sehr schwierig.“ Ein Defizit von fast 23,8 Millionen Euro ist veranschlagt, das kommt einer weiteren Verschlechterung von rund 13 Millionen Euro gleich. Allein das Defizit der Kliniken erhöht sich voraussichtlich um 4,4 Millionen Euro, hinzu kommen unter anderem Mehraufwendungen bei den Gebäudekosten (9,8 Millionen Euro), im Bereich des ÖPNV (8,4 Millionen Euro) sowie bei den Personalaufwendungen (5,8 Millionen Euro).

Einsatz sämtlicher Rücklagen notwendig

Die Abdeckung des veranschlagten Fehlbetrags gelinge nur durch den kompletten Einsatz sämtlicher Rücklagen. Der Schuldenstand steigt voraussichtlich von gut 90 Millionen Euro auf 157 Millionen Euro im kommenden Jahr, bis 2026 geht die Kreisverwaltung gar von einem Schuldenstand von 194,3 Millionen Euro aus. Zudem müsse auch die Kreisumlage – also die Zahlungen der Kommunen an den Kreis – um 2,5 Prozentpunkte auf 33,5 Prozent angehoben werden, was einem Mehrertrag von 25 Millionen Euro entspricht. Mehrerträge ergeben sich auch durch erhöhte Schlüsselzuweisungen sowie Kostenerstattungen für Sozialleistungen für geflüchtete Menschen, führte Schäfer aus.

Haushaltseinbringung: Der Rems-Murr-Kreis braucht seine Rücklagen auf
„Viele Fragen der Kostentragung sind noch nicht geklärt“, führte Sigel aus und richtete seine Kritik an Bund und Länder. Von dieser Seite habe es viele Versprechungen gegeben, doch stünden noch diverse Entscheidungen aus. Und auch Schäfer verdeutlichte dies: Der vorgelegte Planentwurf könne nur erreicht werden, wenn all die angekündigten Kompensationsmaßnahmen auch wirklich in Summe eintreten. „Sollte einer dieser Bausteine umfallen, müssen wir das über einen Nachtrag finanzieren.“

„Rundum-sorglos-Paket“ wird nicht versprochen

Und trotz der vielen schlechten Nachrichten und trüben Aussichten rief Sigel die Kreisräte dennoch dazu auf, den Mut nicht zu verlieren und zuversichtlich zu bleiben. Denn die Inflation auf einem Niveau, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat, verunsichere die Menschen. Es gelte nun, ihnen die Sorgen zu nehmen, ohne allerdings ein „Rundum-sorglos-Paket“ zu versprechen. „Ich schlage vor, dass wir bei zentralen Themen den Kurs halten und gerade jetzt mutig sind.“ Viele Vorhaben der vergangenen Jahren hätten sich im Nachhinein als richtig erwiesen, daran möchte Sigel anknüpfen. Ein Beispiel sei der Erweiterungsbau der Kreisverwaltung in Waiblingen. Dieser habe Signalwirkung dahingehend, dass man auch in schwierigen Zeiten zuversichtlich sein könne. Zu den optimistischen Signalen zählt der Landrat auch das politische Bekenntnis, den Rems-Murr-Kreis bis 2035, spätestens aber 2040 klimaneutral zu machen. „Ich war anfangs kritisch, dieses Ziel für den Kreis aufzunehmen“, räumte der Landrat ein. Gespräche mit der Bürgerschaft hätten ihn aber überzeugt. Im Wohnungsbau habe sich der Kreis „ein richtiges Mammutprogramm“ vorgenommen. „Die Ziele sind ambitioniert und eine finanzielle Herausforderung“, räumte er ein. Doch sei es lohnenswert, denn durch solche Investitionen könne man langfristig Geld sparen.

Medizinisch ist man in den Kliniken gut aufgestellt

Einen besonderen Stellenwert nehmen im Verantwortlichkeitsgebiet der Kreisverwaltung die Kliniken in Winnenden und Schorndorf ein. Medizinisch sei man hier gut aufgestellt, dafür habe man in den vergangenen Jahren auch ordentlich investiert. Durch die Coronapandemie allerdings sei das Patientenaufkommen stark gesunken, was zu erheblichen Defiziten geführt habe. „Und das wird jetzt getoppt durch exorbitante Preissteigerungen“, führte Sigel aus, nämlich sowohl für Energie, Lebensmittel, Medikamente, Medizinprodukte als auch für Dienstleistungen. Ein Klinikbett verbrauche so viel Energie wie ein Vierpersonenhaushalt. Allein die gestiegenen Energiekosten machten einen Millionenbetrag für die Kliniken aus. Der Zielkorridor für das Defizit der Einrichtungen liege bei maximal zehn Millionen Euro. „Ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern würden wir diesen niemals erreichen können“, machte der Landrat klar. Sein Appell an die Kreisräte lautete: „Die Solidarität des Kreistags darf gerade jetzt nicht bröckeln.“ Er habe vom Land starke Signale erhalten, dass der Kreis für seine Anstrengungen zugunsten der medizinischen Versorgung belohnt werde, so Sigel. „Das sind gute Nachrichten in unsicheren Zeiten.“

Investitionen für 2023

Volumen Die Investitionen im Finanzhaushalt 2023 des Rems-Murr-Kreises belaufen sich auf 75,9 Millionen Euro. Abzüglich der Fördermittel verbleiben 71,2 Millionen Euro.

Verteilung Den Großteil der Investitionen macht die Immobilienkonzeption aus. Hierfür sind im kommenden Jahr 37,6 Millionen Euro veranschlagt. Wesentliche Teile machen der Erweiterungsbau am Alten Postplatz, die Sanierung des Westflügels sowie die Schlusszahlungen der Rötestraße aus. Die Sanierungen seien zudem ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer CO2-neutralen Verwaltung. Für die Flüchtlingsunterbringung sind 2023 insgesamt 9,5 Millionen Euro veranschlagt, für Straßen und Radwege 5,6 Millionen Euro, für Klimaschutz und Wasserstofftechnologie 4,9 Millionen Euro sowie für Schulen 2,7 Millionen Euro.

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Erstellt:
19. Oktober 2022, 06:00 Uhr

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